Die Vorstandsmitglieder der CDU, die geglaubt haben, mit einem Kanzlerkandidaten Laschet ließen sich die der grünen Agenda zuneigenden Merkel-Wähler von einer Abwanderung zu den Grünen abhalten, wurde schon wenige Stunden nach der Nominierung von Laschet eines Besseren belehrt. Laut einer Forsa-Umfrage nach Laschets Nominierung landen die Union mittlerweile bei 21 Prozent und die Grünen bei 28 Prozent. Die Zahlenverhältnisse zwischen CDU/CSU und den Grünen haben sich laut dieser Umfrage umgekehrt, seitdem feststeht, dass ein Kandidat die Union in den Wahlkampf führen wird, der immer wieder betont, dass er Merkels Linie einer „Modernisierung“ durch Anpassung an die grüne Agenda als Kanzler fortsetzen möchte.
Die zunehmende Anpassung an die grüne Agenda führt offenkundig weder bei der SPD noch bei der Union dazu, Wählerschichten an sich zu binden oder für sich zu gewinnen, die in Fragen der Umwelt- und Klimapolitik, der Migrationspolitik, der Familienpolitik und der Europapolitik dem grünen Weltbild folgen. Diese Wählerschichten, die bislang zum Teil auch die Unionsparteien und die SPD gewählt haben, präferieren und wählen mittlerweile offenkundig das Original, nachdem ihnen von Union und SPD über Jahre erklärt worden ist, auch ihre Parteien begrüßten und teilten den grünen Zeitgeist. Nur mit seiner Hilfe seien die Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen und die klimatische Apokalypse noch zu verhindern.
In den neuen Bundesländern, wo die grünen Wählerschichten (noch) nicht so bedeutsam und einflußreich sind wie in den alten, erstarkt angesichts dieser Entwicklungen im Westen gleichzeitig die AfD, die dort all denjenigen Wählern eine neue politische Heimat anbietet, die die grüne Agenda der etablierten Parteien fürchten und ablehnen. Die SPD hat vor diesem Hintergrund ihren Status als große Volkspartei auf Bundesebene schon eingebüßt, während die beiden Unionsparteien noch hoffen, diesem Schicksal entgehen zu können. Viele ihrer Mitglieder und Funktionäre klammern sich deswegen an die Vorstellung, die um sich greifenden Wählerverluste in verschiedene Richtungen ließen sich stoppen oder gar wieder umkehren, wären Friedrich Merz oder Markus Söder zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt worden.
Ein Pfund, das den Wahlkampf der Union gewiss hätte beflügeln können, die Führung der CDU aber nicht nutzen wollte, um ihren Rückhalt bei den Wählern wenigstens kurzfristig wieder zu verbessern. Dieser hängt mittel- und langfristig freilich nur zum Teil von der Frage ab, wer eine Partei in den Wahlkampf führt. Nicht minder wichtig ist ihre programmatische Ausrichtung, von der man im Falle der Union bislang nur weiß, dass Laschet wie Söder den unter Merkel eingeschlagenen Weg einer Anpassung an die grüne Agenda in der zusehends vergeblicher werdenden Hoffnung weitergehen wollen, die weitere Abwanderung von Unionswählern zu den Grünen ließe sich damit stoppen. Sollte es dabei bleiben, wird die Führung der Union sich schon jetzt mit der Frage befassen müssen, ob sie es nach der Wahl im September vorzieht, Oppositionsführerin im Bundestag zu werden oder als Juniorpartner einer Kanzlerin Baerbock zu dienen.