Auf Initiative des CDU-Funktionärs Marco Wanderwitz reichte nun eine Gruppe von 113 Bundestagsabgeordneten den Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren im Parlament ein. Man könnte auch zu der Ansicht gelangen, dass 113 Abgeordnete des deutschen Bundestages noch nicht in der Demokratie angekommen sind. Denn Demokratie ist eben kein ideologisches Benotungssystem, sondern ein Verfahren der Selbstverwaltung eines Volkes über die Ermittlung von Mehrheiten in den Entscheidungen in öffentlichen Angelegenheiten (res publica), über die die Gesamtheit der Wähler befinden. Benotungssysteme hingegen verwenden nur Diktaturen. Nicht nur, dass der Antrag undemokratisch bis demokratiefeindlich ist, ist er zugleich überheblich, entzieht den Bürger Entscheidungsrecht und stellt ihre Entscheidungskompetenz in Abrede. Er ist ein Ausdruck von Politiker-Hybris, wie man sie immer öfter antrifft, interessanterweise umso dysfunktionaler sie agieren, und dokumentiert, dass sich Parteifunktionäre im Parlament das Recht herausnehmen, den Bürgern die Urteilsfähigkeit abzusprechen.
Das Römische Reich ging an der Selbstsucht und der Unfähigkeit seiner Eliten zugrunde. Die Fraktionsmitglieder der Union, SPD und Grüne eifern ihnen nach und sind gegenwärtig vollauf damit beschäftigt, den Bundestag zur Stätte einer Schmierenkomödie herabzuwürdigen. Ihre Reden klingen hohl, am hohlsten die Reden von Friedrich Merz. Der es tatsächlich in einer Rede fertigbringt, im Bundestag vernünftige Punkte eines Regierungsprogramms zu benennen, von denen seine künftigen Koalitionspartner, ob SPD oder Grüne oder beide nicht eine mitmachen machen werden. Und die Partei, mit der er diese vernünftigen und für Deutschland existentiellen Veränderungen durchsetzen könnte, mit der will er partout nicht zusammenarbeiten. Merz traut sich noch nicht einmal, Gesetzentwürfe einzubringen, wie beispielsweise das zur Reduzierung der Migration von der Union erarbeitete Zustrombegrenzungsgesetz, aus lauter Angst, die AfD könnte mitstimmen. Schafft sich Merz eine Volkskammer? Nehmen er und seine Fraktionsfreunde etwa ehrlicherweise bis zur nächsten Legislaturperiode keine Diäten mehr an, da die Unionsabgeordneten augenscheinlich die Arbeit verweigern? Oder tut Merz so, als sei die AfD bereits verboten?
Umso lächerlicher etwas ist, umso gefährlicher kann es werden, weil es verhindern muss, dass die eigene Lächerlichkeit offenbar wird. Man könnte auch spotten, dass eine Gruppe Bundestagsplenarsaalbewohner einen Antrag auf die weitere Bereitstellung von Kost und Logis gestellt haben, den sie Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren nennen. Vor allem aber geht es den Petenten für ein lebenslanges Recht auf ein vollfinanziertes Abgeordnetendasein für Funktionäre der SPD, der Grünen und der Union, eben darum, dass ein Verbotsantrag für die AfD noch vor der Bundestagswahl beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wird. Man versteht aus dieser Perspektive, weshalb die Wahlen so spät als möglich stattfinden sollten. Es ist fast paradox, aber was die Antragsteller angeblich verhindern wollen, ein neues 1933, ein Ende der Republik, ist genau das, was sie bewirken könnten, wenn sie Erfolg haben, nämlich das Ende der Republik. Man kann auch von beiden Seiten vom Pferd fallen.
Die wichtigste Lehre aus der Geschichte von 1929 bis 1933 haben die Hobbyhistoriker des Brandmauerkombinats übersehen, dass zwei Prozesse das Ende der Weimarer Republik gerade in ihrem Zusammenspiel bewirkten, die Depression in Deutschland, die Wirtschaftskrise, die immer größere Verarmung, Entwurzelung und Verelendung immer weiterer Kreise des Volkes zur Folge hatte, und die Selbstdelegitimierung des Staates, die im Wesentlichen durch Preußenschlag, durch die Präsidialkabinette und durch die Notverordnungen die Demokratie auflöste, zugunsten eines Establishments, das sich weit über den Bürgern zu stehen wähnte.
Regierungen und Eliten stürzen, wenn sie zwei wesentliche Aufgaben nicht mehr erfüllen, erstens, wenn sie sich nicht an die eigene Legitimität halten, sondern sie durch ihr Handeln verletzen, und zweitens, wenn sie den Interessenausgleich zwischen wesentlichen Gruppen der Bevölkerung nicht mehr ermöglichen. Mit der Tagesordnungsbereinigungsdiktatur, die Grüne, SPD und Union ins Werk setzen, suspendieren sie den demokratischen Prozess, und durch den Versuch, einen politischen Mitbewerber durch die Judikative, durch die Anwendung de facto von Gewalt und durch nach Recht aussehender Willkür vom demokratischen Prozess auszuschließen, bilden diese Parteien ein Machtkartell, eine Einheitspartei, das Brandmauerkombinat.
Bildlich und im Gleichnis gesprochen: Sie ziehen die Zugbrücken hoch, sie verbinden ihre Augen, sie verschanzen sich hinter der Brandmauer und schicken Büttel ins Land, damit keine Kritik mehr an ihr Ohr dringt.
Ganz gleich, wie man zur AfD steht, geht es um den Vorgang, dass ein Parteienkränzchen bestimmen will, welche Parteien existieren dürfen und welche nicht. Damit greifen sie Wort und Geist des Grundgesetzes an. Übrigens würden hier keine anderen Sätze stehen, wenn nicht die AfD, sondern die Grünen verboten werden sollten. Das Recht aber ist die formalisierte Möglichkeit der Gerechtigkeit. Nicht umsonst schrieb schon Augustinus: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“
Es ist kein Zufall, dass mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der Deutschlands Wirtschaft durch die Grünen aller sich selbst demokratisch nennenden Parteien in den Ruin getrieben wird, der politische und juristische Kampf gegen alle und jeden, der nicht zum Bandmauerkombinat gehört, zunimmt und die Freiheit abnimmt. Die einzigen Argumente, über die Robert Habeck, der vorgibt, mit allen reden zu wollen, anscheinend verfügt, ist die Anzeige, der Strafbefehl, der Staatsanwalt und der Diskursausschluss. Kritiker nennt er nach gut stalinistischer Art „Schreihälse“. Kein Wunder, dass der Küchentisch, an dem er seine Kanzlerkandidatur verkünden wollte, leer blieb, niemand sich zu ihm setzte. Wenn man ihn so sah, so allein am Küchentisch, hatte man eigentlich erwartet, dass der erste Satz lauten würde: „Meine Frau hat mich verlassen.“
Man fragt sich, weshalb die Studienabbrecherin Katrin Göring-Eckardt, 1989 demonstriert hat. War es, weil sie wenigstens eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen musste, um in der DDR Funktionär zu werden, was sie bei den Grünen nicht musste? Was trennt sie von der Vorstellung der Nationalen Front, eines Blockparteiensystems, wenn sie das Verbot einer Partei fordert? Müsste sie nicht aufgrund der Erfahrung die erste sein, die ihre Stimme gegen ein Parteienverbot erhebt, anstatt Wanderwitzes Antrag zu unterschreiben? Freilich, die Vereinigung von Bündnis 90 mit den Grünen markierte den Verrat von Bündnis 90 an der Friedlichen Revolution in der DDR. Göring-Eckart möchte, dass Argumente zählen, doch sie scheint, über keine Argumente zu verfügen oder den eigenen Argumenten nicht zu trauen. Auf jeden Fall möchte sie bestimmen, wer argumentieren und wer gewählt werden darf und wer nicht. Das sah Walter Ulbricht nicht anders. Wie viel Verachtung für den Bürger steckt darin, ihm nicht zuzutrauen, Argumente zu gewichten und zu bewerten und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Doch für die Antragsteller, zu denen Göring-Eckardt wie der CDU-Scharfmacher Kiesewetter gehört, sollen nicht Intelligenz und Alltagserfahrung über die Gültigkeit eines Arguments entscheiden, sondern der Staatsanwalt und womöglich eine politische Polizei. Jedenfalls besteht darin die Konsequenz des Antrages.
Doch damit nichts schief geht, existiert noch ein zweiter Antrag zum AfD-Verbot, den eine der größten Vorkämpferinnen für die Freiheit, die Berlin-Kreuzberg je vorgebracht hat, stellte. Ginge es nach Renate Künast, würde man das AfD-Verbot schrittweise gegen die AfD vorantreiben. Gutachter sollten zunächst die Chance eines Verbotsantrags prüfen, die Bundesregierung zudem das Material vorlegen, das der Verfassungsschutz und andere Regierungsorgane sammelten. Doch darf man den Verfassungsschutz inzwischen als mindestens fragwürdig bezeichnen. Sowohl der sächsische, als auch der thüringische Verfassungsschutz verweigern TE – und mithin der Öffentlichkeit – Einblick in die Gründe für die Einschätzung der Landesverbände der AfD als „gesichert rechtsextrem“ zu nehmen. Bedenkt man, dass der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes zum Kuratorium der Amadeu Antonio Stiftung gehört, kann der Thüringer Verfassungsschutz-Chef als nicht über jeden Zweifel erhaben gelten. Ähnlich sieht es mit der Bundesebene aus. Die CDU hat Thomas Haldenwang als Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Wuppertal I nominiert, der deshalb als Verfassungsschutz-Chef zurücktritt. Haldenwang hat es als seine Aufgabe betrachtet, die AfD zu bekämpfen. Tat er das schon mit Blick auf die Kandidatur? Wollte der Spitzenbeamte einen demokratischen Mitbewerber schaden, gegen den der künftige Politiker antreten würde? Selbst das ZDF fragt: „Ist das politisch sauber? Zumindest fragwürdig ist es, wenn der Verfassungsschutzchef Haldenwang für die CDU in den Bundestag einziehen will.“
Nicht nur mit dem angestrebten AfD-Verbot, auch mit der praktischen Aussetzung parlamentarischer Arbeit, der Meinungsfreiheit, mit dem Versuch, das Bundesverfassungsgericht politisch zu instrumentalisieren, schreiten SPD, Grüne und Union in Richtung Brandmauerdiktatur. Sie spalten damit nicht nur das Land, sondern fördern auch die Extreme. Sie erzeugen den Zorn der Alternativlosigkeit. Die AfD hat nach der Union den zweitgrößten Stimmanteil, wird bei 19 bis 20 % gegenwärtig gesehen. Was will man mit ihren Wählern machen? Ihnen das Wahlrecht entziehen? Sie in Umerziehungslager stecken? Das Verbot wird zur Bestätigung. Union, SPD und Grüne werden durch das Verbot noch weniger Bürger erreichen, denn dem, der verbietet, hört man nicht mehr zu.
Der Wähler sollte sich die Namen der 113 Abgeordnete ansehen und sich fragen, ob er Leute wählen will, die seiner Entscheidungsfindung so wenig zutrauen, die ihn bevormunden wollen, die meinen, dass der Bürger für den Staat da ist, und nicht der Staat für die Bürger. Die Liste ist eine Liste der Hybris.