Tichys Einblick
Partei und Bewegung

Die Linke ist mit der Lage nach Corona überfordert

Die Linke hat sich von Corona nicht erholt. Inhaltlich. Das gilt für die Partei wie für die politische Strömung dieses Namens. Die Führung der Strömung gewinnt dabei zwar an Optionen – verliert aber ihre Basis.

IMAGO / Stefan Zeitz

Ein breites Bündnis wollten die Linken für den zurückliegenden Herbst schmieden. Geworden ist daraus nichts. Die Ampel hat ihnen mit den „Entlastungspaketen“ politisch den Wind aus den Segeln genommen. Vor allem aber konnte es nicht zum breiten Bündnis kommen, weil die Linken alles als Rechts ausschließen und bekämpfen, was rechts der Partei steht – und das sind über 95 Prozent der Menschen in Deutschland.

Wie dieses Ausschließen funktioniert, zeigte schon der Auftakt des Heißen Herbstes. Vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen in Berlin. Dort wollten sich linke Gegner der Corona-Maßnahmen dem Protest gegen steigende Preise und der damit verbundenen kalten Enteignung anschließen: Vertreter der Antifa marschierten auf, um diese kleine Gruppe anzupöbeln und von der Demonstration fernzuhalten. Anarchisten, die Menschen ausschließen, weil diese gegen staatlichen Zwang sind. Eine Linke, die ein breites Bündnis schmieden will, die aber schon Menschen raushalten will, die nur in einer einzigen Frage nicht auf Linie sind. In dieser Szene steckt die komplette Überforderung der Linken mit der Ära nach Corona. Das gilt für die Partei ebenso wie für die Strömung.

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Der Autor Matthias Meisner hat nun einen Beitrag über konservative, linksalternative und rechtsalternative Medien geschrieben, die er alle über einen Kamm schert. „Coronaverharmlosung“ und russische Propaganda gingen nahtlos ineinander über, lautet seine gewagte Arbeitsthese. Meisner sagt, er habe für ein Projekt zu „Gegenmedien“ gearbeitet. „Belege für eine solche Radikalisierung fanden wir jede Menge“, teilt Meisner mit. Welche das sind? „Jede Menge“. Hat er doch gesagt. Das muss als Angabe genügen.

Meisner ist Mitarbeiter der TAZ und schreibt seinen Beitrag für den „Journalist“, das Zentralorgan der Journalistengewerkschaft DJV. Lesenswert ist das nicht. Zum einen wegen der Sprache, die mit ihren Substantivierungen und endlosen Bandwurmsätzen an das alte Neue Deutschland erinnert. Zum anderen, weil Meisners „jede Menge“ unpräzise ist. So wirft er gerne mehrere Namen in einen Topf, wirft einem der Genannten etwas vor und trifft so alle. Eigentlich nicht die Methode, mit der ein „Journalist“ arbeitet.

Dass der DJV so etwas trotzdem veröffentlicht, passt ins Bild. In den Kernaufgaben wie Tarifverhandlungen oder Arbeitsschutz hat die Gewerkschaft ihren Mitgliedern nicht viel zu bieten. Wenn mal wieder eine Redaktion geschlossen wird, üben sich die DJV-Funktionäre in Betroffenheits-Vokabeln. Abwechselnd sind das gerne „empört“ oder „entsetzt“. Weil der DJV als Gewerkschaft nicht viel zu bieten hat, versucht sich die Vereinigung als politischer Player. Doch da geben die Funktionäre ein noch schwächeres Bild ab. Der DJV vertritt drei Botschaften: 1. Die Regierung hat recht. 2. Wer der Regierung widerspricht, ist Räächts. Und 3. Räächts ist böse. Damit steht der DJV in einer langen Reihe mit regierungsfinanzierten Nicht-Regierungs-Organisationen – und spielt in der öffentlichen Berichterstattung entsprechend nahezu keine Rolle.

Der DJV und Meisner werfen einem Teil ihrer Kollegen vor: „Die meisten (haben sich) spätestens mit Beginn der Coronapandemie in verschwörungsideologische Diskurse verabschiedet.“ Das Problem mit diesen rechten Verschwörungen zu Corona ist nur – es sind kaum noch welche übrig geblieben. Pfizer räumt mittlerweile selbst ein, dass das Unternehmen an der künstlichen Mutation von Viren arbeitet. Bill Gates gibt zu, dass der Impfstoff nicht so wirkt wie versprochen. Karl Lauterbach nennt die Schulschließungen einen Fehler. Die Bundesregierung berichtet, dass sie sich mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken getroffen hat, um die Linien der Corona-Berichterstattung zu besprechen. Die Maskendeals der CDU landen vor Gericht. Ausgangssperren und eine Impfpflicht hat es tatsächlich gegeben. Wenn auch nur „einrichtungsbezogen“. Die allgemeine scheiterte nur knapp im Bundestag. Welche Verschwörung zu Corona sollen rechte Medien denn bitte noch erzählen, die in Folge einer öffentlichen Bestätigung ihren Beschwörungscharakter nicht bereits verloren haben?

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Auf die bestätigten Verschwörungen gehen der DJV und Meisner nicht ein. Passt nicht ins Bild. Wäre zu präzise. Was wiederum ins Bild passt. Dem vom DJV, Meisner und der linken Bewegung: Die Regierung hat recht; wer ihr widerspricht ist räächts und räächts ist böse. Mehr hat die Linke nicht mehr drauf. Zumindest wenn es um Corona geht. In der Ukraine-Frage sieht das anders aus. Da weicht die Linke von der Regierung ab. Zumindest tut das die Partei. Nur ist die Linke mit der Abweichung diejenige, der man pro-russische Propaganda unterstellen kann – wenn man denn polarisieren und Meinungen stigmatisieren will.

Ein Problem der linken Bewegung in Sachen Corona sind die Player. Bill Gates besitzt Anteile von Pfizer. Facebook hat Beiträge gelöscht oder in den Schatten gestellt, die sich gegen die offizielle Corona-Politik richteten. Und Bill Gates gibt sowohl der Weltgesundheitsorganisation WHO als auch Medien wie dem Spiegel Geld. Das tun linke Autoren als „Verschwörungsgeraune“ ab – aber alle drei Behauptungen lassen sich dokumentieren. Mit Pfizer, Gates-Stiftung und Bundesregierung als Quellen.

Doch der digitale Kapitalismus als Gegner liegt den Linken nicht. Als Gates und Mark Zuckerberg das Netz revolutionierten, vor etwa 20 Jahren, löste das eine Euphorie unter Linken aus. Es herrschten Träume von der Gleichheit der Menschen, die sich durch ein Medium einstellen würde, das demokratischer war als jedes Medium zuvor. In diesen Helden einfache Kapitalisten zu sehen, die wie Rockefeller, Morgan oder Carnegie zuvor Gewinne erwirtschaften wollen – das konnte und wollte ein beträchtlicher Teil der Linken nicht einsehen. Das gilt bis heute. Deswegen herrscht in der linken Strömung eine Beißhemmung gegen den digitalen Kapitalismus und seine Akteure, die linke Strömungen wehrlos macht – und so um eines der wichtigsten Zukunftsthemen bringt.

Derzeit hofft die linke Strömung stattdessen auf eine Mobilisierung durch und mit der Klimaszene. Das greift, ist aber eine auf kurzfristigen Erfolg ausgelegte Strategie. Der Klimaschutz ist auf Dauer kein Mobilisierungsthema. Wer seinen Anhängern permanent mit dem Weltuntergang droht, muss ihn auch irgendwann liefern. Das zeigt sich schon an der Feinheit, dass die „Aktivisten“ 2019 von dem letzten Jahr gesprochen haben, in dem sich die Welt retten lasse – und drei Jahre später diesen Zeitraum auf weitere vier bis acht Jahre erweitert haben. Sie konservieren den Weltuntergang als Zugpferd.

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Zudem erlebt die Klimaszene den Anfang einer Spaltung: in die Extremisten, die bereit sind, für ihre Überzeugung vor Gericht und gegebenenfalls ins Gefängnis zu gehen. Und in die Aktivisten, die ihr Engagement am liebsten in der Währung Gratismut bezahlen. Die Anfänge dieser Spaltung sind jetzt schon zu beobachten, wenn sich sogar Grüne in Talkshows verbal von der Letzten Generation absetzen: Deren Ziele seien zwar richtig, aber …

Eine zweite Spaltung der Linken kommt – schöne Pointe des wirklichen Lebens – durchs Geld. Derzeit ist es in Deutschland so lukrativ wie nie, links zu sein: Die Ampel stellt ihre Freunde entweder gleich in den Staatsdienst ein oder erweitert die Budgets für NGOs. Das bringt Vorteile mit sich. Die linke Bewegung hat Geld und die Möglichkeiten des Staates hinter sich, um ihre Ziele umzusetzen. Es spaltet aber auch. Denn wer nichts oder zu wenig von diesem materiellen Segen abbekommt, der seine Miete oder seine Lebensmittel nicht bezahlen kann, wird sich politisch engagieren wollen – aber sich eben nicht einem breiten Bündnis anschließen, das von Menschen geschmiedet wird, die durch diesen materiellen Segen wohlhabend geworden sind. Es entsteht ein führungsloses Fußvolk auf der Suche nach Führung. Ob sich das in linken oder rechten Gruppen sammeln wird, lässt sich heute nur mutmaßen.

Sicher sagen lässt sich heute indes, wo die Linken stehen, die von dem materiellen Segen des Ampelstaates profitieren. Sie haben wie der DJV ein Interesse daran, Kritik an dieser Regierung zu delegitimieren und als Extremismus zu framen. Solange das Geld fließt. Im Falle des DJV und der linken Medien kommt dieses Geld etwa über den Weg staatlicher Werbekampagnen an, mit denen die Ampel großzügig umgeht. Durch das materielle Interesse an dem Erhalt der Ampelregierung ist Konformismus in Deutschland zum wichtigsten Ausdruck linker Lebensart geworden. Zumindest der Linken, die gut vom Linkssein leben können. Besonders deutlich zeigt sich das an einer Partei, die ihren Anspruch, links zu sein, scheinbar aufgegeben hat: den Grünen. In der Pandemie gehörten ihre Vertreter und :innen zu denen, die am entschlossensten gegen Abweichler den Knüppel aus dem Sack holen wollten. Im Krieg freuen sie sich, den „Leopard frei (zu) lassen“. Waffenpoesie einer ehemaligen Pazifismuspartei.

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