Als Ende 2016 aufgedeckt wurde, dass die SPD gegen Bezahlung Politiker wie Bundesjustizminister Heiko Maas, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und Ex-Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig für Gespräche feilgeboten hat (Rent-a-sozi-Affäre), da mag mancher vielleicht gedacht haben, was muss es den Parteien, im speziellen der SPD, doch finanziell schlecht gehen, wenn sie zu solchen parteienrechtlich und steuer(straf)rechtlich fragwürdigen Finanzierungsmethoden greifen [siehe die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema]. Doch die erst kürzlich – so spät wie noch nie seit der erstmaligen Offenlegung 1968 – veröffentlichten Rechenschaftsberichte der im Bundestag vertretenen Parteien für das Jahr 2015 zeichnen ein ganz anderes Bild. Die Bundestagsparteien CDU, SPD, Grüne, Linke und CSU schwimmen geradezu im Geld.
Vermögen der Bundestagsparteien so hoch wie noch nie: von 2014 zu 2015 um 74 Millionen Euro gestiegen
Aus den Rechenschaftsberichten der Bundestagsparteien für 2015 ergibt sich, dass die Parteivermögen von 386 Millionen Euro zum 31.12.2014 auf 460 Millionen zum 31.12.2015, also um 73,8 Millionen Euro, gestiegen sind. Das ist der größte Vermögenszuwachs der Parteien von einem Jahr zum nächsten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland – und ein Allzeit-Hoch bei den Vermögensständen. Dabei handelt es sich um die Reinvermögen, also die Vermögen nach Abzug von Verbindlichkeiten und Rückstellungen. In der folgenden Tabelle sind die Zahlen für die einzelnen Parteien dargestellt:
Zum Vergleich hier die Reinvermögen der nicht im Bundestag vertretenen Parteien AfD und FDP, allerdings nur zum 31.12.2014, da die Rechenschaftsberichte für 2015 noch nicht veröffentlicht sind [die Berichte der nicht im Bundestag vertretenen Parteien werden traditionell erst deutlich später als die Berichte der Bundestagsparteien vom Bundestagspräsidenten offengelegt]:
Das wirkliche Vermögen der Bundestagsparteien ist Hunderte Millionen größer
Der deutliche Zuwachs der Parteivermögen der Bundestagsparteien beruht dabei nicht auf etwaigen Wertsteigerungen von Aktien, Unternehmensbeteiligungen und Grundstücken; denn solche Wertsteigerungen werden in den Parteibilanzen nicht abgebildet. Dort werden diese Vermögensgegenstände nicht mit den tatsächlichen Verkehrswerten, sondern mit den ursprünglichen (historischen) Anschaffungskosten bewertet. Die heutigen Verkehrswerte liegen zumeist weit darüber.
Der Vermögenszuwachs der Parteien von 2014 zu 2015 ist also kein Wertzuwachs nur auf dem Papier, sondern ein Geldvermögenszuwachs. Nur bei der CSU besteht die Ausnahme, dass sie im Jahre 2015 etliche Millionen Euro für den Bau eines Glaspalastes als neuer Parteizentrale in München verwendet hat, so dass sich insoweit weniger das Geldvermögen als mehr das Grundstücksvermögen (um ca. 14,5 Millionen Euro nach Verrechnung mit Verkauf des Alt-Grundstücks) erhöht hat.
Vermögen der Bundestagsparteien seit 2000 um 191 Millionen Euro gestiegen – CDU der größte Profiteur
Dass der Vermögenszuwachs bei den Bundestagsparteien von 2014 zu 2015 kein einmaliges Geschehen ist, zeigt die nachfolgende Tabelle über die Entwicklung der Reinvermögen seit dem Jahre 2000. In der Tabelle sind der Vergleichbarkeit halber jeweils die Jahre der Bundestagswahlen und das zweitletzte Jahr davor angegeben, da das aktuelle Berichtsjahr 2015 auch zwei Jahre vor dem Jahr der Bundestagswahl 2017 liegt.
Seit dem Jahr 2000 sind die Vermögen der Bundestagsparteien um 191,4 Millionen Euro = 71,2 % gewachsen. Die Steigerung vollzieht sich nicht gradlinig, sondern in Wellenbewegungen, wobei der Scheitelpunkt der Welle von Mal zu Mal höher liegt. Vor den Bundestagswahlen (BTW) erhöhen sich die Vermögen, während sie in den Jahren der Bundestagswahlen zumeist zurückgehen, vor allem wenn man die nicht in der Tabelle aufgeführten Jahre direkt vor dem Jahr einer Bundestagswahl zugrunde legt; die Parteien sparen also für die Bundestagswahlen an. Dennoch haben alle Parteien ihre schon im Jahre 2000 hohen Vermögen auf Kosten der steuerzahlenden Bürger im Laufe der Jahre außerordentlich vergrößern können. Ihre Einnahmen sind also auf Dauer höher als ihre Ausgaben.
Vor allem die CDU hat profitiert. Ihr Vermögen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Um 110,7 % beziehungsweise fast 80 Millionen Euro ist es seitdem gestiegen. Und das trotz Mitgliederschwunds. Die Mitgliederzahl der CDU sank von 616.000 im Jahre 2000 auf 444.000 im Jahre 2015, also um fast 30 %.
Von 2003 bis 2013: Steigerung Privatvermögen 0 %, Steigerung Parteivermögen 50,9 %
Um die Steigerung der Parteivermögen besser einzuschätzen zu können, sei zum Vergleich die Steigerung der Vermögen der privaten Haushalte herangezogen. Laut statistischem Bundesamt betrug das durchschnittliche Vermögen (nach Abzug der Schulden) privater Haushalte in Deutschland 123.000 Euro im Jahre 2003 und 123.300 Euro im Jahre 2013 [die Werte werden nur alle 5 Jahre erhoben]. Die Privatvermögen der Deutschen stagnierten also von 2003 zu 2013 beziehungsweise schrumpften unter Berücksichtigung der Preissteigerung sogar, während die Vermögen der Bundestagsparteien im selben Zeitraum um 50,9 % stiegen.
Ähnlich der Vergleich zu den Hartz IV-Regelsätzen und den Tarifverdiensten im öffentlichen Dienst. Zwischen 2005 (dem Jahr der Einführung von Hartz IV) und 2015 ist der Regelsatz von 345 Euro monatlich auf 399 Euro, also um 15,7 % gestiegen (entsprechend der Preissteigerung von 15,6 %), die Tarifverdienste um 15,8 % in Berlin und um 21,7 % im Bund. Die Vermögen der Bundestagsparteien sind im selben Zeitraum allerdings um 71,2 % gestiegen. Es gilt hier, was nicht nur SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der als EU-Parlamentspräsident auch fürs Nichtstun Geld nahm, sondern alle Parteien des Bundestags verinnerlicht haben: Sozial ist, wenn man zuallererst an sich selbst denkt; aber mache das Volk glauben, du habest sein Wohl im Sinn.
Geldbestände der Bundestagsparteien zum 31.12.2015: 315 Millionen Euro
Setzt man den Vermögenszuwachs zwischen 2014 und 2015 ins Verhältnis zu den Mitteln, die die Bundestagsparteien vom Steuerzahler im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten haben, so stellt man fest, dass die Parteien mehr als 50 % der staatlichen Mittel (von 138,9 Millionen Euro) 2015 gar nicht benötigt haben. Stattdessen haben sie ihre „Kriegs“kassen üppig aufgefüllt. 112 Mio. Euro hat die SPD auf der hohen Kante, 153 Mio. CDU/CSU, 33 Mio. die Grünen und 17 Mio. die Linke. Zusammen stolze 315 Millionen Euro per 31.12.2015 (Vorjahr: 259 Millionen Euro). Zum Vergleich: die AfD verfügte zum 31.12.2014 über Geldbestände von 2,2 Millionen Euro und die FDP über (gutteils durch Darlehen finanzierte) 10,3 Millionen Euro.
315 Millionen Euro: ein Wert, der sich 2016 vermutlich noch erhöht hat (die Zahlen für 2016 werden erst 2018 veröffentlicht) und zu dem auch noch die staatlichen Mittel des Jahres 2017 hinzukommen. Denn natürlich flossen/fließen den Bundestagsparteien auch 2016 und 2017 nicht nur die Einnahmen aus Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträgen, Spenden, Sponsoring usw. zu, sondern auch erhebliche staatliche Mittel. Ca.140 Millionen Euro haben sie 2016 vom Steuerzahler erhalten; 2017 wird es wohl sehr ähnlich sein. Wobei letztlich auch die Mandatsträgerbeiträge vom Steuerzahler stammen; denn dabei handelt es sich um Abgaben der Abgeordneten und Amtsträger (Minister, Bürgermeister usw.) an ihre Parteien, die aus den Abgeordneten-/Amtsträgerbezügen zu entrichten sind.
Zusätzlich: indirekte Parteienfinanzierung von Parteistiftungen und Fraktionen
Zusätzlich zu diesen direkten staatlichen Mitteln „darf“ der Steuerzahler die Parteien auch noch indirekt finanzieren. Da gibt es zunächst die Parteistiftungen, die sich um die „richtige“ politische Bildung der Bevölkerung kümmern. „Parteinah“ werden sie häufig genannt, da sie angeblich von den Parteien finanziell und organisatorisch unabhängig seien, wie etwa die Bundeszentrale für politische Bildung hier schreibt. Doch es hat schon etwas von Irreführung, insoweit von Unabhängigkeit zu sprechen, wenn beispielsweise im Vorstand der CDU-“nahen“ Konrad-Adenauer-Stiftung unter anderem die CDU-Parteivorsitzende, der CDU-Generalsekretär und der Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion sind.
Die fünf bundesweiten Stiftungen der Bundestagsparteien haben im Jahre 2015 ausweislich der veröffentlichten Jahresberichte aus öffentlichen Kassen 468 Millionen Euro erhalten. Zählt man noch die FDP-“nahe“ Friedrich-Naumann-Stiftung hinzu, waren es 2015 mehr als 520 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von 27 Millionen Euro gegenüber 2014. Dazu kommen noch ca. 20 parteinahe Stiftungen auf Bundesländerebene, die staatliche Gelder in unbekannter Höhe erhalten.
Zur indirekten Parteienfinanzierung zählen außerdem die staatlichen Zuwendungen an die Parlamentsfraktionen in Bundestag und Landtagen. Im Jahre 2015 haben die Bundestagsfraktionen CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke 83,8 Millionen Euro vom Steuerzahler erhalten, wie dieser Aufstellung des Bundestages zu entnehmen ist.
Darin enthalten sind nur die Geldleistungen an die Fraktionen, nicht die Diäten der einzelnen Abgeordneten. Gegenüber dem Jahr 2005 ist das eine Steigerung von 23,6 Millionen Euro = 36,9 %. Und 2005 gab es mit der FDP noch eine Fraktion mehr im Bundestag als 2015 (mit einer Fraktion mehr im aktuellen Bundestag betrüge die Steigerung der Fraktionsgeldleistungen geschätzt 45 %). Zur Erinnerung: im selben Zeitraum stiegen Hartz IV um 15,7 % und die Tarifverdienste im öffentlichen Dienst um 15,8 % in Berlin und 21,7 % im Bund.
Weitere ca. 100 Millionen Euro jährlich gibt es für die Fraktionen in den Landtagen der Bundesländer (siehe hier). Diese Gelder an die Fraktionen des Bundestages und der Landtage fließen naturgemäß auch in die Öffentlichkeitsarbeit, und Überschneidungen zwischen Fraktions- und Parteiarbeit bleiben nicht aus, sondern sind systemimmanent.
Parteienfinanzierung ist überdimensioniert: auf Steuerzahlerkosten „gut in Deutschland leben“
Der große Zuwachs der Parteivermögen über die Jahre zeigt: Die staatliche Parteienfinanzierung ist zumindest für die Bundestagsparteien überdimensioniert. Alle Bundestagsparteien haben ihre Vermögen (auch unter Berücksichtigung der Preissteigerung) in der Vergangenheit deutlich erhöht. Sie benötigen zur Deckung ihrer Ausgaben weniger staatliche Mittel, als sie sich selbst als Gesetzgeber in eigener Sache zugeteilt haben. Wobei an dieser Stelle die Berechtigung der hohen Parteiausgaben noch nicht einmal hinterfragt sein soll, was durchaus angebracht wäre, betrachtet man die dümmliche Wahlpropaganda à la „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ (SPD) oder „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben #fedidwgugl“ (CDU).
Und so kann dann auch ein CDU-Funktionär, der hier besonders gut leben kann, der Generalsekretär Peter Tauber, in seiner steueralimentierten Arroganz einem Bürger twittern: „Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, brauchen Sie keine drei Minijobs.“
„Der Staat als Beute“ – so hat der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim schon 1993 ein Buch über die deutschen Parteien betitelt. Der Titel ist aktueller denn je.