Die Kirche war schon immer ein Hort der Gutmeinenden. Interessanterweise hat sich das Gute in den letzten Jahrhunderten ziemlich geändert. Immer gleich war allerdings, dass das „Gute“ nie als Vorläufiges, als Relatives, sondern immer als das absolut und für immer geltende Gute galt.
Vor 500 Jahren war das Gute, Hexen zu verbrennen, das Gute war, den König als Stellvertreter Gottes als absolutistischen Herrscher zu verehren. Heute gilt es in den Kirchen als gut, sich der Ideologie des herrschenden woken Zeitgeistes zu unterwerfen. Heute bestimmen nicht mehr absolutistische Fürstbischöfe, sondern die neoautoritären Kinder der antiautoritären 68er. Täter und Sünder gibt es nach wie vor. Heute wie damals sind sie Teil der Gemeinde. Aus ihnen ragen die Erwachten, die woken Ankläger heraus.
Die heutige kirchliche Ideologie folgt den gleichen psychologischen Prinzipien wie im Mittelalter. Sie tauscht also nicht die Denkstruktur, sondern nur die Autoritären aus:
- Angst
Fegefeuer, Hölle <=> Klimakatastrophe, Weltuntergang, Apokalypse - Schuldgefühle und schlechtes Gewissen
Sünden in der Bibel <=> Energieverbrauch, Rassismus, Kolonialismus - Erlösung von den Sünden, um sich gut zu fühlen
Ablasshandel <=> CO2-Zertifikate, Kampf gegen Rechts und Rassismus,
Kampf für Feminismus und Ökologismus
Heute ist die woke, grüne Bewegung die Ersatzreligion einer Kirche, der Gott und Spiritualität fremd geworden sind. Und die neue Ersatzreligion bietet das alte Gepräge: Heilserwartung und Apokalypse, Sünde, Schuld und Sühne, Essens- und Verhaltensvorschriften, Riten und vor allem das Gut-und-Böse-Denken, von dem man dachte, die Zeit hätte dazugelernt. Auf alten Kirchenbildern bekämpft der heilige Georg auf einem Pferd sitzend mit einer Lanze den Drachen, das Symbol für das Böse.
Die woke Kirche bekämpft von den Kirchensteuern getragen von der Kanzel herab die politisch Unkorrekten, die Unwoken. Im Kampf gegen rechts ist der Kontakt mit den Bösen Sünde und Kontakt-Schuld, ein Buhlen mit dem Teufel. Das Verbot der Gotteslästerung wird mit Cancel Culture durchgesetzt. Das neue Kainsmal ist die weiße Hautfarbe, der Höllenengel ist der alte weiße Mann.
Ikonographisch werden in Deutschland alle biblischen Gestalten nicht als Araber (Semiten), sondern als Weiße dargestellt. So erscheint der Hass der schriftgelehrten weißen Männer auf alte weiße Männer nicht nur als Hass auf ihre Väter, sondern projiziert sich auf alle biblischen Gestalten von Adam bis Jesus, ja auf Gottvater selbst.
„Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint“
Karl Marx sagte: „Er (Martin Luther) hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äussern Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emancipirt, weil er das Herz in Ketten gelegt.“ Luther hat also den Christ zum Aufpasser und Schuldigen seiner selbst gemacht.
Aber die Kanzeln der Prediger des Guten stehen längst nicht mehr nur in der Kirche, ihre Kanzeln stehen in den Universitäten, ihre Gesangbücher werden jeden Tag in den Medien gesungen. Der neue Kult ist der Opferkult. Nur ist Jesus nicht mehr das Opfer, das Lamm Gottes, das die Schuld von uns nimmt, sondern die neo-säkulare Religion bestimmt neue Opfer- und vor allem Tätergruppen.
Der Kultus um die Opfergruppen erzeugt erst Schuldgefühle, und führt dann zur Erlösung, wenn man die eigene Schuld, die übergroße Schuld, mea culpa, und laut und deutlich anerkennt, dass die alten weißen Männer eine Ansammlung von Schuldigen ist. Die biblische Zirkel-Struktur: Sünde, Schuld, Schuldgefühl, Erlösung – erneute Sünde, Schuld, Schuldgefühl, Erlösung usw. usf., bleibt also erhalten.
Das sogenannte Böse
Die Gutmeinenden in und außerhalb der Kirche brauchen das Böse, wie könnten sie sonst die Guten sein? Sie brauchen eine Projektionsfläche, auf die sie das Böse projizieren können, um sich selbst gut zu fühlen. Diese Projektion wird heute „Haltung“ genannt. Religiöse und säkulare gute Menschen brauchen den guten alten Sündenbock, der in die Wüste gejagt wird, damit die Gläubigen ungestört ums Goldene Kalb des Gutseins tanzen können.
Und da Argumente out und Gefühle in sind, ist heute die Empörung die autoritäre Rhetorik des Haltungsbürgers, um nicht auf die Argumente des anderen eingehen zu müssen. Empörung ist: Du bist böse und ich zeige ja nur meine berechtigten Gefühle dazu. Und indem ich das sage, zeige ich dir, wie gut ich bin. Schau, meinen (Schein-)Heiligenschein.
Die Sündenböcke der „Guten“
Am Trump-Hass haben sich die Medien nun jahrelang abgearbeitet. Man müsste meinen, nicht ein demokratisch gewählter Präsident regierte die USA, sondern der Teufel (Luzifer – Altes Testament) persönlich. Welcher Hass der AfD entgegenschlägt, kann jeder besichtigen, wenn er eine Gegendemonstration zur AfD besucht. Hochaggressive Schreihälse brüllen sich in Wut.
Die Kirche steht zwar nicht in der ersten Reihe der Hetzer, sie befeuert den Hass aber im Hintergrund und wäscht dann ihre Hände in Unschuld. Die Handlungsweise des römischen Statthalters Pilatus, der Jesus zum Tode verurteilte, hat die Kirche heute geradezu automatisiert übernommen. Sei woke – und wenn du das nicht bist und gemobbt wirst, hat das mit der Liebe der lieben Kirche nix zu tun. Lasset die Kindlein zu mir kommen …
27Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr seid wie die übertünchten Gräber, die von außen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat! 28So auch ihr: von außen scheint ihr vor den Menschen fromm, aber innen seid ihr voller Heuchelei und Unrecht.
Ihr Schlangen, ihr Otternbrut! Wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?
Mea culpa, mea maxima culpa – meine übergroße Schuld
Aber der Glaube hinter der Maske der Menschlichkeit trägt autoritäre Züge: Die Moral wird wie immer in der Geschichte von oben befohlen und dann unten durchgesetzt. Von den Interpreten Gottes, den Schriftgelehrten zu den Gläubigen.
Grundlage der Moral ist heute die Schuld, ein Erbe der monotheistischen Religionen. Der Unterschied zwischen (besonders evangelischem) Christentum und dem Islam ist: Das Christentum sucht die Schuld bei sich selbst, der Islam sucht die Schuld bei den Ungläubigen.
Monotheismus heißt, es gibt nur einen Gott, es gibt nur eine Wahrheit und das ist natürlich meine. Als Gegenbild zum guten Gott wurden im Christentum und dem Islam das Böse, der Teufel und die ewige Hölle geschaffen. Aus dem Bösen resultiert die menschliche Schuld, die im Leben der westlichen Kultur seit der Jahrtausendwende einen größer und größer werdenden Raum einnimmt. Schuld des weißen Mannes, Schuld des Westens, Schuld am Kolonialismus, Schuld am Rassismus, Schuld an einer Klima-Apokalypse usw. usf.
Das Christentum ist inzwischen in eine woke, politisch korrekte, öko-feministische Sozialbewegung übergegangen. Spiritualität spielt praktisch keine Rolle mehr. Das Wirken von oben nach unten, von der Moral-Kanzel herab zu den Gläubigen aber bleibt erhalten.
Und in Asien?
In den asiatischen Religionen des Buddhismus und des Hinduismus gibt es diese Dichotomie von gut und böse nicht. Es gibt natürlich richtig und falsch. Gemäß der Vorstellung von Ursache und Wirkung wirken sich gute und schlechte Taten auf das Karma aus. Aber das religiös bedingte schlechte Gewissen fällt aus, da man ja eine schlechte Tat mit schlechtem Karma bezahlt. Und wenn ich für etwas bezahle, brauche ich schließlich keine göttliche Gnade und auch kein religiös bedingtes schlechtes Gewissen zu haben. Und schlechtes Karma ist durch gute Taten jederzeit zu verbessern, sogar in der Inkarnation hat man noch die Gelegenheit dazu. Man kann sich sozusagen in einer Folge vieler Inkarnationen hocharbeiten.
Das funktioniert in den monotheistischen Religionen nicht. Hier zeigt sich das Missverhältnis einer kurzen Lebensspanne, die über die EWIGE Befindlichkeit im Jenseits entscheidet.
Die Schwindsucht der deutschen Kirchen
Der neue Religionsmonitor 2022 der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass für eine große Mehrheit der Kirchenmitglieder die Kirche nicht mehr wichtig ist. Fast alle bejahen die Frage, ob man auch außerhalb der Kirche Christ sein könne. Das bedeutet, dass die Kirche selbst für Christen immer unwichtiger wird.
Im Jahr 2021 traten rund 280.000 Personen aus der evangelischen Kirche, aus der katholischen Kirche traten im gleichen Jahr insgesamt 359.205 Personen aus. Damit stieg die Anzahl der Austritte aus der katholischen Kirche in Deutschland auf einen neuen Rekordwert.
Besonders beunruhigen muss die Kirchenfunktionäre, dass unter den verbliebenen Mitgliedern die Neigung für einen zukünftigen Austritt sehr hoch ist. Insgesamt 20 Prozent der Kirchenmitglieder halten einen eigenen Austritt für „sehr“ oder „eher wahrscheinlich“. Von den derzeit gut 41 Millionen Mitgliedern beider Konfessionen (19,7 Millionen Protestanten und 21,6 Millionen Katholiken) könnten also acht Millionen bald austreten.
Die neue Kirche: Regenbogenfahne statt Palmzweig
Die Abwendung der Gläubigen vom Christentum in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft ist drastisch. Die Christen haben kein Problem mit ihrem Glauben, wohl aber mit ihren Kirchen. Die Transzendenz ist über die Jahre verlorengegangen und der Palmzweig wurde durch eine Regenbogenfahne ersetzt.
Von Gott und dem Glauben ist nur noch die Rede, wenn die Bibel ideologiekonform interpretiert wird. Mancher Priester kennt nur noch die Bibelstellen, die in die Ideologie passen. Das Thema Evangelium und Glaube tritt völlig zurück. An die Stelle des Betens ist das appellative Moralisieren der woken Ideologie getreten.
Ökonomisch geht natürlich auch was, da sie vom Bürger steuerbezahlt werden müssen und sich über Quoten und „Netzwerke“ immer an den Trögen von Macht und Geld halten.
Die herrschende Meinung ist die Meinung der Herrschenden (Karl Marx)
Was Jesus über den Staat und Politik denkt, geht klar aus seiner Antwort auf die Frage nach dem Bezahlen von Steuern hervor: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Mt 22,15–22 LUT). Das heißt: Religion auf der einen und Staat und Politik auf der anderen Seite haben nichts miteinander zu tun. Jesus hat, ebenso wie später die Apostel, nie politische Forderungen erhoben, sondern von sich gesagt, sein Reich sei nicht von dieser Welt.
Warum aber beschäftigen sich trotzdem so viele Bischöfe beider großer Kirchen öffentlich dermaßen ausgiebig mit politischen Zielen, die sogar im Gegensatz zu den Worten und dem Denken Jesu stehen? Nun, indem die Funktionäre der christlichen Kirchen die herrschenden Ideologien und Ziele übernehmen, möchten sie sich noch als einigermaßen relevant erleben. Die Ziele setzen sich die in der Kirche engagierten Funktionäre vor allem, um eine eigene Wichtigkeit zu imaginieren, ihre wirkliche Wichtigkeit schmilzt dramatisch schnell dahin.
Heute schließt sich der klerikale Klerus dem säkularen Klerus einfach an. Beide Kleriker sichern ihre Herrschaft, der angeschlagene klerikale Klerus tut dies, um nicht in die völlige Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Dabei besteht die Mehrheit der Mitglieder aus älteren Menschen, die für solche Auffassungen kaum Verständnis haben und sich nur schwer umerziehen lassen. So schrumpft sich die Kirche weiter und weiter.
Und zu ihrem Entzücken haben es beide „Bewusstseinsindustrien“ (Enzensberger) mit Menschen zu tun, die anscheinend schwer von Begriff sind. Denn gäbe es diese nicht, hätten die Prediger wider des Bösen keinen Daseins- und vor allem keinen Herrschaftsgrund mehr. Mit dem „Demokratiefördergesetz“ werden Milliarden Steuergelder zu Organisationen gelenkt, die die erwünschte Weltanschauung propagieren und den Bürger in ihre Richtung zu erziehen suchen.
Hans Magnus Enzensberger († 24. November 2022)
Über die Schwierigkeiten der Umerziehung
Einfach vortrefflich
all diese großen Pläne:
das Goldene Zeitalter
das Reich Gottes auf Erden
das Absterben des Staates.
Durchaus einleuchtend.
Wenn nur die Leute nicht wären!
Immer und überall stören die Leute.
Alles bringen sie durcheinander.
…