In ihrer Geschichte verstand sich die Linke als Vorkämpferin für die Rechte der Menschen. Linke Politiker kämpften für die Arbeiterschaft, die Emanzipation der Frauen und später auch für die Rechte Homosexueller. Doch aus der Vorreiterschaft für die Schwachen und Hilfsbedürftigen, aus dem Kampf für die Freiheit der Gedanken ist eine Ideologie der politischen Korrektheit geworden mit selbst auferlegten Fesseln. Dazu gehört, abweichende Diskurse im Keim zu ersticken, also jeden, der es wagt zu widersprechen, von der Debatte auszuschließen und als „rechts“ zu brandmarken. Soziale Medien haben dabei vor allem den Zweck, allen anderen mitzuteilen, was noch gesagt werden soll und was nicht.
Kalkulierte Solidarität
Die politische Solidarität der Linken unterliegt hierbei einem Kalkül: Schützenswert erscheint eine Minderheit nur dann, wenn die tatsächlichen Gegner oder vermeintlichen Unterdrücker dieser Minderheit ihre eigenen erklärten politischen Gegner sind. Im Kampf gegen Rechts und den Kapitalismus bleibt daher kein Platz für eine Islamkritik. Kritik am Christentum ist fester Bestandteil linker Debattenkultur, aber es fällt Linken immer noch schwer, den Islam zu kritisieren. Darunter leiden insbesondere Juden, die sich der Diskriminierung durch muslimische Migranten ausgesetzt sehen. Ihnen sowie den säkulären Reformern oder Ex-Muslimen schenkt die Linke kaum Beachtung. Vielmehr wird mantraartig dargelegt, dass Gewalttaten von Muslimen nichts mit dem eigentlichen Islam zu tun haben. Unterschlagen wird dabei jedoch gerne, dass islamistische Gewalttaten in einem ideologischen Bezug zu sehen sind und sich der islamische Staat (IS) auf den Koran und den Hadithe beruft.
Um den inneren Widerspruch im Verhältnis der Linken zum Islam zu erklären, reicht auch ein Blick auf den deutschen Feminismus. Die Kritik am „weißen alten Mann“ mitsamt seiner „toxischen Männlichkeit“ gehört zur geistigen Grundausstattung einer linken Feministin. Im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen, die sich im Rahmen der Frauenrechtsbewegung das Wahlrecht oder das Recht auf Erwerbstätigkeit erkämpfen mussten, braucht es hierfür jedoch keinen Mut. Mutig hingegen wäre es heutzutage, mit Islamisten in Konflikt zu treten, die eine frauenfeindliche Auslegung des Islam befürworten. Ebenso mutig wäre es, die patriarchale Struktur von Parallelgesellschaften zu thematisieren oder sich offensiv mit Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung auseinanderzusetzen. Doch dazu liest und hört man von Margarete Stokowski, Teresa Bücker oder Sibel Schick selten.
Dabei muss der „weiße Mann“ nun auch für einen weiteren inneren Widerspruch der Linken herhalten: Beim Kampf gegen den Rassismus – für Linke zu einer zentralen Beschäftigung geworden – ist auffällig, dass er sich ausschließlich gegen den „weißen Mann“ richtet. Eindeutig diffamierende Bezeichnungen wie „Kartoffel“ oder „Alman“ werden toleriert. Das ist nichts weniger als ein doppelter Standard, denn Rassismus ist nicht auf den „weißen Mann“ beschränkt, sondern kennt bedauerlicherweise viele Ausprägungen.
Nicht nur in Sachen Islamkritik oder Rassismusdefinition widerspricht die aktuelle Linke ihren eigenen Prinzipien, sondern auch in ihrem Verhältnis zu China. Die Linkspartei hat sich zwar kürzlich erst mit China befasst, aber einen Solidaritätsbeschluss, der die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong thematisiert, gibt es immer noch nicht. Ebenso wenig wird die Situation der Uiguren angesprochen, die von der Kommunistischen Volkspartei unterdrückt und in Umerziehungslagern interniert werden. Angesprochen auf diese parteiliche Diskrepanz im Politikmagazin Berlin direkt, entwischte Katja Kipping nur ein müdes Seufzen mit dem Hinweis auf Verbesserungsbedarf. Hans Modrow hingegen, ehemaliger Ministerpräsident der DDR und nun Vorsitzender des Ältestenrates der Linken, forderte „Hochachtung“ für die chinesischen Kommunisten – als jene, die „Hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreit haben“. Für eine klare Haltung zur Politik Chinas scheint es bei der politischen Linke daher auch im Jahre 2020 nicht zu reichen.
Während einst die Befreiung von starren Dogmen das Handeln der Linken bestimmte, scheint aktuell nicht die Befreiung, sondern die Schaffung neuer Dogmen die neue Maxime zu sein.