Tichys Einblick
Identitätspolitik

Die guten Rassisten des grünen Milieus

Von dem Fall Sarah-Lee Heinrich können nur Leute überrascht sein, die nicht wahrnehmen, wie erfolgreich Identitätspolitiker durch die Institutionen marschieren. Die neue Chefin der Grünen Jugend drückte nur etwas ungeschickt aus, was andere Kader der Bewegung seit Jahren über Rasse, Geschlecht und Schuld verkünden.

IMAGO / Jan Eifert

Bis zum vergangenen Wochenende konnte nur ein größerer, aber eben doch nicht sehr großer Kreis in Politik und Medien mit dem Namen Sarah-Lee Heinrich etwas anfangen. Seit die Delegierten der Grünen Jugend die 20-jährige Studentin zu ihrer Co-Vorsitzenden wählten, kennen auch viele außerhalb der grünen Gesellschaft die Jungpolitikerin, mehr, als ihr womöglich recht sein kann. Sie steht auf einmal nicht nur für eine Bewegung, sondern auch stellvertretend für einen in Deutschland inzwischen üblichen politischen Aufstiegskanal und gleichzeitig für ein erfolgreiches Glaubenssystem: die Identitätspolitik. Dass sie ihr Twitterkonto vor ihrem Karriereschritt nicht besenrein machte oder gleich löschte, bringt für sie jetzt einige Turbulenzen mit sich, allerdings auch einen aufmerksamkeitsökonomischen Zugewinn. Bremsen wird es ihren Aufstieg in der grünen Partei aller Voraussicht nach nicht.

Sarah-Lee Heinrich hatte in der Vergangenheit unter anderem ihre Ansicht über Schwule getwittert („und diese Tunte soll auch ihr Maul halten“); sie verbreitete sich über „rockefeller/rothschild conspiracy theories“ („alter das fickt meinen kopf“), entwickelte eine spezielle Rassentheorie („Juden und asiaten sind keine weissen Menschen bei Slawen weiss ichs ehrlich gesagt nicht“), großräumige rassenpolitische Säuberungspläne („ich werde mir irgendwann einen Besen nehmen und alle weißen Menschen aus Afrika raus kehren“), gab Prognosen zu Donald Trump ab („ich glaube fest daran dass trump noch erschossen wird“) , und äußerte ihre Meinung über die „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“ in Deutschland.

Als kurz nach ihrer Wahl, also nach ihrem Karriereschritt, diese Tweets und andere Äußerungen (über die „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“ sprach sie im Gebührenfernsehen) in die Öffentlichkeit kamen, griff sie als erstes ins Rhetorikfach Nummer eins, Abteilung Identitätspolitik: Das seien „Angriffe“ von „Rechten“, denn: „Haben wohl Bammel vor einer schwarzen, linken Frau.“

Als Fach eins nicht mehr ausreichte – denn auch bei den eigenen Parteifreunden sprach sich herum, dass sie auf Twitter ein „Heil“ unter ein Hakenkreuz gesetzt hatte – ging es übergangslos mit Fach Nummer zwei weiter: Sie finde es jetzt „maximal dumm und unangebracht“, was sie „mit 14/15“ getwittert habe. Damit sei der Fall aber auch abgeschlossen: „Ich werde mich jetzt nicht zu allem erklären, was ich mal so mit 14 gedacht und gesagt habe, das verlange ich auch von niemandem.“
Nach dem ersten Schock packten die medialen Unterstützer ihre Medizinköfferchen und hasteten zur Unfallstelle. Ferda Ataman von den staatlich finanzierten „Neuen Deutschen Medienmachern“ erklärte in ihrem Haussender Deutschlandfunk: „Bis 14 ist man ein Kind, deswegen finde ich, eigentlich sollte es da so eine Schutzklausel geben.“

Tagesspiegel-Redakteur Julius Betschka, immer im Dienst für die intellektuelle Redlichkeit, machte diejenigen als Problem aus, die Heinrichs Tweets in die Öffentlichkeit gebracht hatten, wobei er den Hinweis auf die kindlichen 14 nicht vergaß.

Krsto Lazarevic, Zuarbeiter unter anderem für arte, MDR und Deutsche Welle, senkte das in Rede stehende Unzurechnungsfähigkeitsalter der neuen Grünjugendvorsitzenden dann auf 13:

Die Tagesschau widmete Heinrich ein einfühlsames Porträt, in dem die auf das Zitieren der meisten ihrer Tweets verzichtete, dafür aber die Grüne Jugend („sie erhält massenhaft Morddrohungen“) und die neue Vorsitzende selbst umfangreich zu Wort kommen ließ: Und zwar ebenfalls mit „da war ich 13/14 Jahre alt“. Auch der Satz mit dem Bammel vor der schwarzen linken Frau kam bei der ARD wieder vor.

Heinrich ist keine unbedarfte Frau, sondern seit Jahren Politik- und Medienprofi

Nun stimmt das alles hinten und vorne nicht, wie überhaupt nie etwas stimmt, wenn Ally-Medienschaffende frische Narrative über hässliche Stellen kleben, indem sie beispielsweise nach Köln dringend über das Oktoberfest reden wollen, nach der aufgeplatzten Lebenslaufschwindelei der grünen Kanzlerkandidatin über russisch-türkische Geheimdienstmachenschaften und nach der bekannt gewordenen Hatespeech-Vergangenheit einer grünen Funktionärin eben über die Schutzwürdigkeit von Kindern und die Tücken von Twitter.

Als Sarah-Lee Heinrich alle Weißen aus Afrika fegen wollte, war sie 15. In dem Jahr, als sie sich Gedanken über eine mögliche Abkürzung des Trump-Lebenswegs machte, wurde sie 16. Und als sie ihre Abneigung gegen die „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“ äußerte, war sie 18, volljährig und nur zwei Jahre jünger als jetzt. Jetzt weiß sie natürlich, dass Botschaften geschickter übermittelt werden müssen, seit frau mehr Verantwortung trägt.

Wie das Plädoyer für die Unzurechnungsfähigen von 14- und 15-Jährigen nun zur politisch-medialen Forderung aus der gleichen Ecke passt, der klugen Greta-Thunberg-Bewegung gut zuzuhören und das Wahlalter am besten auf Null zu senken – das bildet noch einmal einen ganz eigenen Themenstrang. Aber bleiben wir erst einmal bei Sarah-Lee.

Wenn sie in ihren Tweets rückblickend wie eine unbedarfte und etwas isolierte Jugendliche wirkt, liegt dies vor allem am Inhalt ihrer Textbotschaften. Es sieht so aus, als hätte ihr beispielsweise niemand mitgeteilt, dass Asiaten und Slawen auch Juden sein können und umgekehrt. Und dass es Weiße in Afrika gibt, deren Familien dort seit Generationen leben. Aber gut, Letzteres sehen inzwischen viele auch in Afrika nicht als Argument gegen Übergriffe und Vertreibung.

Wer sich Sarah-Lee Heinrich allerdings als eine bisher etwas randständige, debattenungewohnte Person denkt, die erst als Bundessprecherin der Grünen Jugend ins Bühnenlicht stolperte, der könnte gar nicht falscher liegen. Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr treibt die junge Frau ihre politisch-mediale Karriere mit beachtlicher Energie und nicht ohne Geschick vorwärts. Vor sechs Jahren gründete sie eine Gruppe der Grünen Jugend in Unna, als deren Sprecherin sie auftrat; 2017 bekam sie als Schülerin ein Stipendium des Förderprogramms „RuhrTalent“. Ein Tweet von ihr mit dem Satz „Hartz IV ist scheiße“ und der Mitteilung über ihre prekären Familienverhältnisse öffneten ihr die Medien: Im September 2019 diskutierte sie bei „Maischberger“ über Hartz IV und die Schwierigkeiten des sozialen Aufstiegs (dort unter dem Label „Studentin“), im Oktober 2019 porträtierte sie der Jugendableger der ZEIT, ze.tt („Tochter einer alleinerziehenden Mutter“), im November 2019 trat Heinrich beim ARD/ZDF-Jugendkanal funk im Karakaya Talk auf (ein Format, das nach eigenen Angaben Leute einlädt, „die für gewöhnlich in der deutschen Medienlandschaft nicht zu Wort kommen oder nicht gehört werden“).

Im Juni 2020 diskutierte sie – dieses Mal unumgänglicherweise als Vorstandsmitglied der „Grünen Jugend“ ausgewiesen – im Bayerischen Rundfunk mit Vertretern von Jugendorganisationen anderer Parteien über die Frage „Ist unsere Politik divers genug?“, im August 2020 widmete ihr die WAZ ein Porträt, im Oktober des gleichen Jahres nahm sie in der ZDF-Talkrunde von Salwa Houmsi Platz, im Dezember 2020 in der Debattenrunde von Plasberg zu einem Sozialthema (hier wieder unter der Bezeichnung „Studentin“ ohne nähere Hinweise). Beim „Arbeitsgespräch“, einem Podcast von Arbeitsminister Hubertus Heil, ging es für Heinrich im Februar 2021 weiter. Im März 2021 schrieb das Bahnmagazin „DB mobil“ über Heinrich unter der Überschrift „30 Frauen, die Deutschland besser machen“ (zu den anderen Frauen, die dort das Land verbessern, gehörten unter anderen Margarete Stokowski, Sophie Passmann, Alice Hasters und Kübra Gümüsay, die in diesem Text noch vorkommen wird). Bei „DB mobil“ firmiert Heinrich wiederum nicht als Grünjugendvorstandsmitglied, sondern als „Studentin“.

Bei aller Auftrittsvielfalt in den Medien variierte Heinrich eigentlich nur ein Thema. Fast immer – außer bei funk, wo sie die „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“ zum Thema machte – ging es um die Hartz-IV-Abhängigkeit ihrer Mutter, finanziell beengte Verhältnisse und schlechte Aufstiegschancen. Ihr Schülerstipendium erwähnte sie, soweit es der Autor dieses Textes feststellen kann, dabei kein einziges Mal. Dafür gleich mehrmals den Umstand, dass sie zum Studienbeginn fast nicht von Zuhause ausziehen konnte, weil sie über zu wenig Geld für eine Wohnung und die Einrichtung verfügte, und nur durch eine Überweisung der Tante einigermaßen zurechtkam.

Ohne Zweifel gibt es viele, die finanzielle Enge erleben. Oft schuldlos. Der Autor dieses Textes kommt aus nicht besonders rosigen familiären Verhältnissen, das nebenbei. Aber gerade deshalb könnten eigentlich auch sehr verschiedene statt immer die gleichen Leute von relativer Armut und ihrer Überwindung in Fernsehsendungen berichten. Heinrich hatte offensichtlich früh verstanden, dass es vorteilhaft ist, eine bestimmte Rolle zu besetzen, und zwar gerade dort, wo sich verschiedene Thermenkreise überlappen. Junge Frau, farbig, zuverlässig links und in sozialen Verhältnissen deutlich unterhalb der Luisa-Neubauer-Klasse angesiedelt: Das gab es vor ihr in der Medienarena noch nicht. Wer es einmal schafft, verschiedene Punkte auf sich zu vereinen, der kann sich sicher sein, immer wieder gebucht zu werden, wenn es in Redaktionen heißt: „Müssen wir nicht mal wieder ein Sozialthema machen?“, und dort gleichzeitig auf einen Frauen- und People-of-Color-Anteil geachtet werden muss. Außerdem mögen es Talk-Redaktionsmitarbeiter, wenn sie nicht lange wegen einer Besetzung herumtelefonieren müssen. Und Talk-Gastgeber, wenn sie am besten Textbaustein für Textbaustein wissen, was sie in ihrer Sendung bekommen.

Die Medienpräsenz von Heinrich führt allerdings zu der entscheidenden Frage: Kann es tatsächlich sein, dass sich große Redaktionsteams über Jahre hinweg nie dafür interessierten, was eine Person auf ihrer Gästeliste bei Twitter oder einem anderen Kanal absondert? Kann es wirklich stimmen, dass selbst die großen Mitarbeiterstäbe von Maischberger und Plasberg nicht auf die Heil-Juden-Tunte-Rothschild-Tweets und weitere rassentheoretischen Erwägungen der grünen Jugendfunktionärin gestoßen waren, die damals ja noch eine deutlich kürzere Zeit zurücklagen? Überprüfen sie die Social-Media-Spur nur dann vorbeugend, wenn der mögliche Talkgast aus dem nichtlinken Bereich und aus Sachsen stammt? Oder war es so, dass Mitarbeiter auf Heinrichs Hasszeug stießen, sich aber dafür entschieden, den Mund zu halten? Und im Bundesvorstand der Grünen Jugend, der Heinrich schon ein paar Jahre vor ihrer Wahl angehörte, sollten die Äußerungen auch keinem einzigen aufgefallen sein?

Die Debatte um Heinrich hangelt sich von einer falschen Entlastungsbehauptung zur nächsten. Sie war kein Kind mehr, als sie viele ihrer Hassparolen ausgestoßen hatte. Sie war kein medial unbedarftes Mädchen, als sie zur Chefin der Jugendorganisation einer angehenden Regierungspartei gewählt wurde. Und sie steht mit ihren Tweets zu Juden, Hautfarbe und Rasse weder bei den Grünen noch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Funks so exotisch und singulär da, wie es jetzt Funktionäre in beiden Bereichen mit ihrer gespielten Überraschung nahelegen. Im Englischen gibt es dafür den Begriff pearl clutching, eine Chiffre für geheuchelte Überraschung, abgeleitet von dem dramatischen Griff ans Perlencollier und dem Ausruf: ‚Das hätte ich nieee für möglich gehalten‘.

Wer sich nicht ausschließlich durch die Grünen in der Partei selbst und ihre Alliierten in den Medien über die Grünen informieren lässt, staunt nur mäßig über den Aufstieg der Sarah-Lee Heinrich, die es vermutlich flott zur Bundestagsabgeordneten und weiter bringen wird. Innerhalb der Grünen, der SPD und dem größten Teil der Medien bildet Identitätspolitik mittlerweile den zentralen Erzählungsstrang, von dem sich die meisten anderen Themen ableiten. Und Identitätspolitik bedeutet nun einmal, alles in der Gesellschaft mit den Begriffen Rasse, Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Religion zu deuten.

Andere im grünen Milieu sagen seit Jahren im Prinzip nichts anderes als Heinrich. Sie formulieren es nur geschickter. Beispielsweise die Publizistin Kübra Gümüsay, Stammgast bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung, wo sie als progressive Feministin und selbstverständlich als Antirassistin gilt.

In ihrem 2020 erschienen Buch Buch „Sprache und Sein“ empfahl Gümüşay, die Werke des türkischen Autors Necip Fāzıl Kısakürek in den Literaturkanon deutscher Schulen aufzunehmen. Bei Kısakürek handelt es sich um einen Autor, der aus seinem Antisemitismus, seinem Hass gegen Jesiden und Aleviten keinen Hehl machte (die er an einer Stelle mit Unkraut vergleicht). Übrigens auch nicht aus seiner Vorstellung über Geschlechterrollen:

„Eine unverschleierte Frau gleicht einem Haus ohne Vorhang. Ein Haus ohne Vorhang ist entweder zum Verkauf oder zur Miete ausgeschrieben“, heißt es beispielsweise bei ihm (“Örtüsüz kadın perdesiz eve benzer. Perdesiz ev ya satılıktır ya da kiralık.”)

TE-RECHERCHE
Die Nemi El-Hassan-Allianz: Solidarität von Islamisten und Islamisten-Unterstützern
Die gebürtige Hamburgerin Gümüşay unterhielt auch Kontakte zum IZH (Islamisches Zentrum Hamburg), das unter der Leitung von Ayatollah Reza Ramezani steht, der wiederum als verlängerter Arm des iranischen Regimes agiert. Gümüşay saß beispielsweise am 30. Januar 2016 auf dem Podium der „6. Einheitskonferenz im IZH“. Thema damals: die „mediale Deutungshoheit der Muslime über ihre eigenen Inhalte“. Zum gleichen Thema trug Gümüsay 2016 bei Millî Görüş (IGMG) in München vor, einer Organisation, die wegen ihrer ideologischen Nähe zu den ägyptischen Muslimbrüdern vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Die Ansichten von Kısakürek, dem iranischen Regime und von Millî Görüş zu Schwulen, Juden und überhaupt zum Westen passen zwar nicht ganz bruchlos zum grünen Parteiprogramm. Aber sie sind wunderbar anschlussfähig an das, was Heinrich gepostet hatte. Und beide, Gümüsay wie Heinrich, immunisieren sich durch Religion beziehungsweise Hautfarbe, also durch das identitäre Schutzschild gegen jede Art von Kritik.Zur grünen wie auch zur Welt der Gebührenmedien – die Überschneidung ist groß – gehört auch Malcolm Ohanwe, Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, Mitmischer bei den „Neuen Deutschen Medienmachern“ und Referent bei den Grünen. Ohanwe, 1993 in München geboren, arbeitet sich ähnlich obsessiv wie Heinrich an Rassen- und Hautfarbenfragen ab. Vor einem Jahr beispielsweise erfand er die Kategorie der SOJARME-Menschen.

Eine gewisse Bekanntheit außerhalb seiner Kreise erreichte Ohanwe, als er im Dezember 2020 Fotos von knieenden Weißen unter der Herrschaft von Idi Amin postete, auch ein Bild, in dem Weiße den Diktator auf einer Sänfte tragen. Über sein kleines Album stellte Ohanwe den Satz: „Mein feuchter Traum“.

Zu diesem Zeitpunkt war Ohanwe, wie gesagt, geboren 1993, eindeutig volljährig. Er gilt bei seinem Arbeitsgeber BR nach wie vor als voll zurechnungsfähig und bei den Grünen als kompetenter Referent zum Thema Antirassismus. Als bei Gümüsay und Ohanwe leichte Kritik aufkam, erledigten beide sie nach einem Muster wie bei Heinrich. Gümüsay erklärte, sie habe den von ihr als Schulbuchlektüre empfohlenen rassistischen und antisemitischen Autor eigentlich gar nicht so genau gelesen. Ihre von EMMA genannten Verbindungen zum IZH und Millî Görüş versuchte sie dadurch zu erledigen, dass sie das Magazin verklagte (allerdings in diesen Punkten erfolglos). Ohanwe verwies darauf, den Hintergrund der von ihm geposteten Idi-Amin-Bilder nicht genau gekannt. Dass es sich bei Idi Amin um einen glühenden Hitlerverehrer handelte, war ihm auch nicht so richtig bewusst.

Flankierend finden Gümüsay, Ohanwe und andere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bei den Grünen genügend Unterstützer, die sich über die Angriffe beklagen und mit Verweis auf die Identität der Kritisierten jede Kritik sofort als rassistisch und rechte Hetze einsortieren. Nach dem gleichen Muster versuchte der WDR kürzlich, die Journalistin Nemi El-Hassan als Moderatorin der Sendung quarks durchzusetzen. Als sich herausstellte, dass sie 2014 an dem vom Iran organisierten „Al Kuds-Marsch“ in Berlin teilgenommen hatte, einer Kundgebung, auf der die Auslöschung Israels als Ziel ausgegeben wird, hieß es von ihren Verteidigern: Aber damals war sie doch so jung. Dann kamen verschiedene Belege für eine Anti-Israel-Stimmungsmache der Journalistin in Netz zum Vorschein, die noch nicht weit zurücklagen. Da lautete die Reaktion: Man solle doch bitte aufhören, sich an der jungen muslimischen Frau abzuarbeiten. Laut WDR soll El-Hassan zwar keine Moderatorin bei quarks werden, aber als Autorin mitarbeiten. Zu den heftigsten Verteidigern der Journalistin gehörte wiederum Malcolm Ohanwe.

Eine schwarze Konservative, ein libertärer Migrant – das wäre Vielfalt

Das ZDF engagierte gerade die Aktivistin Feyza-Yasmin Ayhan als Comedy-Autorin. Ayhan, die den Künstlernamen Yasmin Poesy benutzt, trat schon auf einem Poetry Slam mit einer Anti-Israel-Agitation auf, in einem Video sinnierte sie über „zionistisch finanzierte Medien“.

Mit jedem identitätspolitisch beflügelten Kader in Politik und Medien verdichtet sich das Geflecht der Agitation, der Kritikabwehr und der wechselseitigen Stützung ein bisschen weiter. Natürlich hat Identitätspolitik nichts mehr mit der klassischen Linken zu tun. Im Gegenteil, sie steht mit ihrer Einteilung der Gesellschaft in Rassen- und Hautfarbenkollektive entlang der Demarkationslinie von Kollektivschuld und Kollektivtugend, wie es der französische Publizist Alain Finkielkraut feststellt, so ziemlich für das Gegenteil zumindest der alten emanzipatorischen Bewegung. Dass sie trotzdem dabei sind, die Grünen, die SPD und große Teile der Medien zu übernehmen, liegt zum einem im kühlen Kalkül ihrer Unterstützer, die wissen, was gespielt wird.

Aber die schleichende Übernahme wäre auch nicht möglich ohne die Ahnungslosigkeit von vielen Mitmachern, die glauben, mit der Berufung von Dunkelhäutigen, Muslimen und Migranten in alle möglichen Positionen würde die Gesellschaft vielfältiger und gerechter, und Konflikte ließen sich so entschärfen. Identitätspolitiker, jeder kann es übrigens nachlesen wie einen Heinrich- oder Ohanwe-Tweet, stehen in ihrer strategischen Auffassung den Leninisten nahe. Gesellschaftlicher Friede ist für sie ein faules Konstrukt, weil er die wahren Herrschaftsstrukturen verschleiert. Konflikte wollen sie deshalb nicht kalmieren, sondern bis aufs Äußerste zuspitzen. Die neue bessere Ordnung, eine kollektive Ständegesellschaft, kann aus ihrer Sicht nur auf den Trümmern der alten westlichen Bürgergesellschaft entstehen.

Ginge es den Verantwortlichen beispielsweise in den Sendeanstalten tatsächlich um Vielfalt, dann wäre es für sie ein leichtes, liberale und konservative Journalisten mit dunkler Hautfarbe an Bord zu holen. Auf diese Weise würden sie gleich zwei Repräsentationslücken füllen, vor allem die riesengroße im Bereich der politischen Ansichten. Um noch einmal auf Heinrichs Verteidigungsformel von der Angst vor der „schwarzen linken Frau“ zurückzukommen: Wenn es wirklich die spezifische Angst von Gremien und Milieus in Bezug auf Hautfarbe, Geschlecht und Herkunft gibt, dann beispielsweise die Angst vor einer schwarzen liberalen oder konservativen Frau in der Politik (gut, von den Grünen kann das natürlich niemand verlangen). Oder vor einem schwulen libertären Migranten an der Spitze des WDR. Beides wäre natürlich ein Heidenspaß in der woken Frömmelkirche. Allerdings stehen die benevolenten intersektionellen Reihen in dieser Frage sehr, sehr fest und die Chancen deshalb ungefähr bei Null, dass es je zu diesem Zusammenstoß der Kulturen kommt. Diversität ist nämlich nicht für alle da.

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