Tichys Einblick
Rechenschaftsberichte der Parteien für 2016

Die Gier der Parteien ist unersättlich

Die unverfrorene Selbstbedienung der Parteien, vor allem der Union und der SPD, wie sie mit der geplanten 15 %-igen Erhöhung der Staatszuschüsse ohne substanzielle Begründung zum Ausdruck kommt, zeigt: Die Parteien haben sämtliche Hemmungen gegenüber dem Steuerzahler verloren.

© Sean Gallup/Getty Images

Vor wenigen Tagen brachten CDU/CSU und SPD einen gemeinsamen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, durch den sie die direkte staatliche Parteienfinanzierung ab dem aktuellen Anspruchsjahr 2018 von 165 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro jährlich erhöhen wollen. Ein Zuwachs von stolzen 15,2 % ( = 25 Millionen Euro).

Dabei werden die Mittel ohnehin jedes Jahr um die Preissteigerungsrate erhöht. Nicht um die relativ geringe, offiziell ausgewiesene, sondern um eine etwas höhere Rate, die das angeblich besondere Ausgabeverhalten von Parteien berücksichtigen soll. Doch auch das genügt nicht mehr; denn die Gier der Parteien nach immer mehr Staatsgeld ist unersättlich.

Begründet wird die geplante Erhöhung vor allem mit gestiegenen Anforderungen durch die Digitalisierung. Eine „interessante“ Begründung – denn gegenüber dem Bürger wird bei Digitalisierungs-Verlangen (zum Beispiel bei der verpflichtenden, elektronischen Abgabe von Steuererklärungen) stets argumentiert, dass er dadurch angeblich Geld spare. Aber irgendeine Schein-Begründung benötigt man eben für jedes Gesetzesvorhaben. Denn mehr als eine Schein-Begründung ist es nicht. CDU/CSU und SPD unternehmen nicht einmal im Ansatz den Versuch, diesen angeblichen Mehraufwand konkret darzulegen und zu beziffern.

Schäbige Selbstbedienungsmentalität der GroKo-Parteien

Während etwa bei Hartz IV jeder erst sein Vermögen (mit Ausnahme eines geringen Schonvermögens) einsetzen muss, während bei Förderanträgen jedes Vorhaben genau dargestellt und abgerechnet werden muss (zumindest nach den Richtlinien, die Praxis ist zuweilen vor allem bei ideologisch geprägten Projekten eine andere), genügen CDU/CSU und SPD ein paar nichtssagende Floskeln, um sich in schäbiger Selbstbedienungsmentalität pauschale Erhöhungen ihrer Mittel selbst zu bewilligen.

Vor allem die SPD dränge auf eine Erhöhung der Staatszuschüsse, berichtet die FAZ. Nach verlorenen Wahlen und einer Reihe von außergewöhnlichen Aufwendungen etwa für Sonderparteitage und die Mitgliederbefragung habe sich die Kassenlage so verschlechtert, dass zusätzliche Steuergelder dies ausgleichen sollen. Eine geradezu obszöne Sichtweise: Die Steuerzahler sollen dafür zahlen, dass immer weniger von ihnen der SPD ihre Stimme geben.

Doch wie sieht es mit den Finanzen der SPD und der anderen Parteien tatsächlich aus? Sieht man sich die kürzlich veröffentlichten Rechenschaftsberichte für 2016 an, so kann von Geldknappheit keine Rede sein. Die Parteivermögen sind zum Jahresende 2016 von 476,9 Millionen Euro um weitere 46,1 Millionen Euro (= 9,7 %) auf 523 Millionen Euro gestiegen –  ein neues Allzeit-Hoch seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. In nur zwei Jahren von 2014 bis 2016 haben sich damit die Parteivermögen um 129 Millionen Euro erhöht (= 27 %).

Allein die Geldbestände der Parteien summieren sich zum Jahresende 2016 auf 362,3 Millionen Euro. Nachdem der Bericht über die Rechenschaftsberichte 2015 den Titel trug „Die Kriegskassen der Bundestagsparteien sind zum Bersten gefüllt“, läßt sich nunmehr konstatieren: Die Parteikassen quellen geradezu über. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Erhöhungs-Parteien CDU/CSU und SPD auf die Erhöhung der Mittel angewiesen, also gewissermaßen „bedürftig“ sind. Und erforderlichenfalls müssen eben einmal ein paar dümmliche Wahlwerbeplakate weniger aufgestellt werden.

Parteivermögen auf neuen Rekordniveau: mehr als 1 Milliarde Euro 

In der nachfolgende Tabelle sind die Vermögen der Parteien im einzelnen aufgelistet. Es handelt um die Reinvermögen laut Rechenschaftsberichten, also die Vermögen nach Abzug von Verbindlichkeiten und Rückstellungen.

Mehr als 80 % der Vermögen entfallen auf die Parteien der sogenannten Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Allerdings ist das wirkliche Vermögen der Parteien deutlich höher als das in den Rechenschaftsberichten ausgewiesene Vermögen von 523 Millionen Euro.

Dann darin werden die Vermögenswerte mit Buchwerten und nicht mit den tatsächlichen Verkehrswerten ausgewiesen. Allein das Unternehmensvermögen der SPD, das im Rechenschaftsbericht 2016 mit nur 10 Millionen Euro verzeichnet ist, wurde zuletzt im Rechenschaftsbericht 2013 mit 404 Millionen Euro bewertet. Diese ergänzende Bewertung, die dem Verkehrswert nahekommen soll, muss aber nur alle fünf Jahre vorgenommen werden. Das Vermögen der SPD ist also mindestens 400 Millionen Euro höher als im Rechenschaftsbericht 2016 genannt. Da auch andere Parteien Unternehmensbeteiligungen und Grundstücke nicht mit den wahren Werten ausweisen, lässt sich das wirkliche Gesamtvermögen der Bundestagsparteien auf mehr als eine Milliarde Euro beziffern. Davon entfällt mehr als die Hälfte auf die SPD oder mehr als 90 % auf CDU/CSU und SPD zusammen.

Parteivermögen seit 2000 um 80,5 % gestiegen

Die starke Zunahme der Parteivermögen in den letzten Jahren entspricht einer langjährigen Entwicklung. Von 2000 bis 2016 wuchsen auf Basis der Buchwerte laut Rechenschaftsberichten die Parteivermögen [Angaben ohne AfD, da erst 2013 gegründet] von 281,6 Millionen Euro auf 508,4 Millionen Euro (= 80,5 % Erhöhung).

Die Entwicklung der Parteivermögen seit Jahr 2000 über die einzelnen Jahre hinweg kann hier nachgelesen werden. Am meisten hat die CDU profitiert. Ihr Vermögen hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Und das trotz abnehmender Mitgliederzahl: Diese sank von 616.000 im Jahre 2000 auf 432.000 im Jahre 2016, also um 30 %.

Direkte und indirekte Staatszuschüsse an die Parteien: 220 Millionen Euro in 2016

Eine wesentliche Quelle für die Steigerung der Vermögen sind die direkten staatlichen Zuschüsse und die indirekten Staatszuschüsse. Zu letzteren gehören die Mandatsträgerabgaben. Das sind Zahlungen von Mandatsträgern (Abgeordnete, Bürgermeister und dergl.), die aus ihren Diäten/Bezügen einen Teil an ihre Partei abgeben müssen. Die Diäten/Bezüge sind so hoch bemessen, dass solche Abgaben darin gewissermaßen eingepreist sind. Die Höhe der direkten staatlichen Mittel und der Mandatsträgerbeiträge für 2016 ist in der folgenden Tabelle abgebildet:

Hinweis: Zur indirekten Parteienfinanzierung gehören auch die Staatsgelder an die Fraktionen und die Staatszuschüsse an die Parteistiftungen. Letztere belaufen sich auf mehr als eine halbe Milliarde Euro jährlich. Für nähere Informationen hierzu sei auf den gesonderten Artikel zu den Parteistiftungen verwiesen.

Groß-Profiteure der Parteienfinanzierung: CDU, CSU und SPD

Die großen Profiteure der gegenwärtigen Parteienfinanzierung sind vor allem die GroKo-Parteien CDU, CSU und SPD. Obwohl sie auch zusammen oftmals kaum noch mehr als 50 % der Stimmen erreichen, haben sie 2016 fast 3/4 der staatlichen Mittel erhalten, die auf die im Bundestag vertretenen Parteien entfallen sind. Das liegt maßgeblich daran, dass die Regeln des Parteiengesetzes so gestaltet sind, dass sie CDU/CSU und SPD am meisten zugute kommen. Sie profitieren sogar davon, dass kleinere Parteien häufig den ihnen eigentlich zustehenden Anteil an der Parteienfinanzierung nicht ausschöpfen können. Denn dieser nicht ausgeschöpfte Anteil verfällt nicht etwa, sondern wird den anderen Parteien zugeschlagen.

Der Staat als Beute der Parteien: aktueller denn je

Die unverfrorene Selbstbedienung der Parteien, vor allem der Union und der SPD, wie sie mit der geplanten 15 %-igen Erhöhung der Staatszuschüsse ohne substanzielle Begründung zum Ausdruck kommt, zeigt: Die Parteien haben sämtliche Hemmungen gegenüber dem Steuerzahler verloren. Wenn  auch ein letzter Rest „schlechten Gewissens“ doch noch vorhanden zu sein scheint: CDU/CSU und SPD wollen die neue Gesetzesregeln ohne große Beratung im Eilverfahren noch vor der Fußball-WM durchwinken.

Der deutliche Zuwachs der Parteivermögen über die Jahre zeigt überdies: Die staatliche Parteienfinanzierung ist überdimensioniert, insbesondere für die großen Parteien. Alle Bundestagsparteien haben ihre Vermögen (auch unter Berücksichtigung der Preissteigerung) in der Vergangenheit deutlich erhöht. Sie benötigen zur Deckung ihrer Ausgaben (die zu hinterfragen natürlich auch angebracht wäre) weniger staatliche Mittel, als sie sich selbst als Gesetzgeber in eigener Sache zugeteilt haben.

An dieser Einschätzung ändert auch nichts der Umstand, dass die Parteivermögen 2017 möglicherweise wegen der erhöhten Ausgaben für die Bundestagswahl zurückgegangen sind. Wie die letzten Jahrzehnte gezeigt haben, wird dieser Rückgang in den Jahren nach der Bundestagswahl bald überkompensiert. Deswegen bleibt das Fazit unverändert dasselbe wie schon im Bericht über die Rechenschaftsberichte des Vorjahres: „Der Staat als Beute“ – so hat der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim schon 1993 ein Buch über die deutschen Parteien betitelt. Der Titel ist aktueller denn je.

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