Tichys Einblick
Vorleistungen der Frau von der Leyen

Die Frankophile

Nun verfügt Macron über einen Brückenkopf mit deutschem Pass in der EU-Kommission.

imago images / ITAR-TASS

Viel ist über die letzte Volte der deutschen Kanzlerin geschrieben worden. Erst hatte sie das in den Verträgen mitnichten vorgesehene Spitzenkandidat-Modell hochgehalten und einen Schwächling wie den Fraktionsvorsitzenden der EVP Weber zum Präsidenten der Kommission der EU küren wollen. Dann auf einmal, als sich Frankreich gegen ihren proxy quer stellte, lenkte die Kanzlerin ein, warf das eherne Prinzip über den Haufen und ließ sich von Monsieur Macron nicht ohne Wohlwollen ihrerseits beknien, ihre langjährige Gefährtin Ursula von der Leyen für das Spitzenamt der Kommission der EU zu unterstützen, um ihr zu ermöglichen, der Rechenschaft für ihre Misswirtschaft im Verteidigungsministerium zu entkommen

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Der französische Doppelsieg mit einer Französin wie der imperialen Dame vom IWF, Christine Lagarde, und der frankophilen Frau von der Leyen als Präsidentin der Kommission der EU war von langer Hand vorbereitet worden. Dazu hatte die Kommunikationsstrategie der beiden Damen beigetragen, die ihre Ambitionen im Verborgenen hegten, aber nie öffentlich verkündeten oder wie im Falle von Lagarde sogar ausdrücklich bestritt.

Doch geht jene Begeisterung von Macron für von der Leyen, die in jüngster Vergangenheit der Öffentlichkeit bei der gemeinsamen Unterzeichnung von Rüstungsabkommen, auf der Waffenmesse in Le Bourget, deutlich wurde, auf eine langjährige, zielbewusste Annäherung von Frau von der Leyen an die Positionen französischer Politik zurück.

Obwohl Frau von der Leyen als absoluter Neuling mit dem Ressort des Verteidigungsministeriums und den Sachzwängen militärischer Einsätze stets fremdelte, war sie nicht verlegen, das zu machen, was sie auch in anderen Ressorts stets zu kommunizieren verstand: Große Ankündigungen, deren Umsetzung man im Einzelnen nicht überprüfen konnte.

In Deutschland mittlerweile als gescheitert angesehen, wurde sie in Frankreich insbesondere von ihrer Amtskollegin Parly, aber auch schon vorher von ihrem Amtskollegen Le Drian mit französischer Etikette bei jeder sich bietenden Gelegenheit hofiert. Als sich Frankreich daran machte, seinen maroden staatlichen Heeres-Rüstungskonzern Nexter in eine europäische Ehe einzubringen, erdreisteten sich die Franzosen, dem Produzenten so renommierter Produkte wie Leopard, Boxer und Puma, dem Münchner Unternehmen Krauss-Maffei-Wegmann, Nexter als einen „Partner unter Gleichen“ vorzuschlagen.

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Dass der Geschäftsführer von Krauss-Maffei-Wegmann, Frank Haun, sich von den Franzosen wohl willentlich täuschen ließ, steht auf einem anderen Blatt geschrieben und verdient besonderer Erörterung. Denn er hätte es besser wissen müssen und angesichts der Faktenlage auch wissen können.

Indessen profitierten die Franzosen vom Tiefschlaf der beiden entscheidenden deutschen Ministerien, dem Verteidigungsministerium, das ein natürliches Interesse daran haben dürfte, dass Deutschland im Bereich der Produktion von gepanzerten Fahrzeugen systemfähig bleibt und diese Systemfähigkeit nicht etwa mit Unternehmen wie Nexter teilen müsste, die bisher keinerlei Exporterfolge mit ihren Produkten erzielt hatten. Auch das Bundeswirtschaftsministerium – formal mit einer Befugnis, sein Veto gegen derartige Beteiligungen ausländischer Unternehmen an der Rüstungsindustrie ausgestattet – machte vor der Trikolore den üblichen Kotau.
So gelang den Franzosen das, was die Pariser Strategen nie für möglich gehalten hatten: sich des weltweit erfolgreichsten Panzerbauers zumindest paritätisch zu bemächtigen. Während all der Zeit der Verhandlungen glänzte Frau von der Leyen durch wohlwollendes Übersehen der Problematik und diskrete Förderung der Pariser Anliegen.

Ihr Ministerium, ausgestattet mit Sachverstand in einem souveränitätssensitiven Bereich wie der Rüstungsindustrie, wollte nicht sehen, was Realität war: Die schleichende Übernahme von KMW durch einen staatlichen Heeresrüstungskonzern aus Frankreich.

Aber damit nicht genug. Frau von der Leyen kaufte bei den Franzosen ohne Not mehrere optische Satelliten, die die bestehenden deutschen Radarsatelliten ergänzen sollten. Die Gemeinschaft der Aufklärungsoffiziere war über so viel Gefälligkeitspolitik entsetzt. Information muss aus autonom beherrschten Strukturen kommen und auch das DLR, insbesondere das Optische Institut in Adlershof, protestierte, als die deutsche optische Satellitentechnologie durch Frau von der Leyen übergangen wurde.

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Doch auch mit diesem franzosenfreundlichen Deal war die Frankophilie von Frau von der Leyen noch nicht hinreichend unter Beweis gestellt. Als Macron und Merkel auf französische Initiative hin öffentlich erklärten, einen gemeinsamen Panzer bauen und ein neues Kampfflugzeug entwickeln zu wollen, akzeptierte Frau von der Leyen die französische Führung im Bereich des Kampfflugzeugprojekts (FCAS) und die faktische Führung der Franzosen beim neuen Panzersystem, das die Leopard Panzer ablösen sollte (Main Ground Combat System MGCS).

Die ausführenden Behörden und Abteilungen des Bundesamts für Wehrtechnik in Koblenz und des Bundesverteidigungsministeriums einschließlich des Planungsamtes stöhnen unter den Machtansprüchen der Franzosen. Noch bevor der französische Endsieg auch offiziell beurkundet sein wird, macht sich Frau von der Leyen nun von dannen. Von ihr und ihrer Abdankungspolitik, die die Öffentlichkeit trotz kritischer Berichterstattung durch einzelne Journalisten nie richtig wahrnahm, wusste Madame Parly, ihre Freundin im Ressort der Verteidigung in Frankreich, dem französischen Staatspräsidenten in höchsten Tönen zu berichten. Sie habe genau das Profil, was sich Macron für den Chefsessel in Brüssel wünschte:

Einen deutschen Pass und die grenzenlose Bereitschaft, vitalste deutsche Interessen französischen Machtansprüchen unterzuordnen.

Während in Deutschland einige weibliche Politikerinnen den Spitzenposten für Frau von der Leyen als Triumph Deutschlands feiern, lassen sich nüchterne Beobachter diesen Sand nicht in die Augen streuen. Frau von der Leyen hat sich ihr Amt in Brüssel durch eine kurtisanenhafte Unterwürfigkeit gegenüber der französischen Politik erschlichen. Und das Urteil der Geschichte über jene Kanzlerin, die ihr zu diesem Erfolg verholfen hat, wird auch hier wenig anerkennend ausfallen. Nach dem knappen Votum des Parlaments der EU verfügt Monsieur Macron in Brüssel in der Person von Frau von der Leyen über einen französischen Brückenkopf.

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Bleibt zu erwähnen, dass die deutschen Sozialdemokraten im Parlament der EU dieses Spiel nicht mitgemacht haben. Ihre Kandidatin, Dr. Katarina Barley, hatte mit großem Einsatz für das Spitzenkandidatenmodell geworben. Über dessen vertragsrechtliche Legitimität mag man streiten. Jedenfalls wurde der Demokratie in EU-Europa ein Bärendienst erwiesen, als Macron und Merkel eine Kommissionpräsidentin nominierten, die zuvor den Wählern nie als Kandidatin präsentiert worden war und vor der Wahl ob ihrer Probleme im Verteidigungsministerium auch nicht als präsentabel galt. Es spricht für ihre Haltung, wenn Frau Barley – ungeachtet der Person – sich sofort nach der Nominierung von Frau von der Leyen gegen Sie aussprach. Die Rede von Ferdinand de Lasalle zum Verfassungswesen klingt nach …

Von der Leyen schuldet ihren Triumph der Unterstützung durch Paris und den polnischen Abgeordneten der PIS. Macron – das zeigen die Bilder des 14.Juli – setzt währenddessen den französischen Chauvinismus im EU-europäischen Kostüm fort. Hierbei hat er mit von Ursula von der Leyen eine Kollaborateurin besonderer Art gewonnen. Man einnere sich nur an von der Leyens Elogen auf Macrons Forderung nach einer „europäischen” Armee.

Im übrigen gilt: Von der Leyen wird Deutschland viel Geld kosten. Schon ihre Versprechungen auf der Kirmes des EUP lassen Schlimmes ahnen: europäischer Mindestlohn und europäische Arbeitslosenversicherung sowie ein von CO2 freies Europa bis 2050! Die Öko-Linke kann diese Versprechungen noch nicht fassen.
Es ist die Tragik des Merkel-Regiments, Repräsentanten der deutschen Politik auf internationaler Bühne befördert zu haben, die in Deutschland über keinerlei Legitimität verfügen. Mehr noch: Für deren absehbare Fehler ganz Deutschland haftbar gemacht werden wird.

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