Kurt Tucholsky hat in seinem Essay „Ratschläge für einen schlechten Redner“ in meisterhafter Ironie dargelegt, welche Regeln man beachten muss, um eine miserable Rede zu halten. Irgendjemand hat das wohl bei Gründung des Euro auf die Frage übertragen, wie man eine Währung konstruieren muss, damit sie nicht funktioniert. Der Abgrund an fehlgeschlagener Governance der EZB befördert dabei Personen als Ergebnis politischen Kuhhandels in leitende Positionen, die das zu nutzen wissen.
Wie wir wissen, hatte man bei der Gründung dieser Währung eine „unabhängige“ Zentralbank vor Augen. Die Deutschen freuten sich, dass auch die Südländer das so sahen und konnten in Ihrer Vertrauensseligkeit dem neuen bürokratischen Leuchtfeuer für die Völker der Welt der neuen Institution gar nicht genug Machtfülle einräumen. Leider wurden dabei zwei Dinge vergessen:
Die Südländer verstehen unter Unabhängigkeit etwas ganz anderes als wir. Das Mittelmeerkonzept von Unabhängigkeit ist nicht, dass sich eine geldpolitische Elite weiser Männer als Diener der Institution nur einem Ziel verschreibt: Die Stabilität der Währung zum Schutz der Bürger. Unabhängigkeit ist vielmehr für sie Unkontrollierbarkeit, das Ausschalten der „Checks and Balances“, das Abkoppeln der Entscheidungen einer kleinen elitären Gruppe von demokratischer Kontrolle.
Unabhängigkeit in diesem Sinne steht letztlich im Dienst von Partikularinteressen und verkommt zur Korruption.
Erstens: Die jeder demokratischen Tradition Hohn sprechende Verteilung der Stimmrechte im EZB-Rat. Dort gilt: Ein Land – eine Stimme, nicht: Ein Wähler – eine Stimme. Malta, Zypern und Luxemburg haben gemeinsam dreimal so viel Stimmrecht, wie Deutschland, solange Deutschland überhaupt mitstimmen darf.
Alleine der Umstand, dass jedes Land einen Vertreter in den Rat schickt, steht in unauflöslichem Widerspruch zum Anspruch der Unabhängigkeit. Diese Personen sind Vertreter ihrer Länder. Sie vertreten also auch deren Interessen und eben nicht die einer vermeintlich übergeordneten Währungsstabilität. Erstaunlich, dass das bisher keinem aufgefallen ist.
Zweitens: Die Sanktionsmechanismen des Maastricht-Vertrages werden von den gleichen Politikern „überwacht“, die ein Interesse an ihrer Nicht-Durchsetzbarkeit haben. Man hat den Bock zum Gärtner gemacht. Ergebnis: Nach 136 Vertragsverstößen wurde nicht eine Sanktion verhängt.
Wie schnell wäre wohl es mit der Politik organisierter monetärer Verantwortungslosigkeit in der EZB vorbei, würde der Verstoß gegen den Vertrag von Maastricht zu einem automatischen Verlust des Stimmrechts im EZB-Rat, in der EU-Kommission und bei der Verteilung von Transfers der EU an die Subventionshungrigen führen?
So funktioniert die Governance der EZB. Das Ergebnis ist eine gigantische Umverteilung zulasten der Sparer im Volumen von 1.000 Milliarden Euro und eine Aushöhlung der Banken. Der über alle Laufzeiten bei null liegende Manipulationszins nimmt den Banken die Einnahmequellen Sparmarge und Transformationsmarge, was die Banken zwingt, im Kreditgeschäft aggressiv zu agieren. Das Ergebnis sind auch dort verfallende, nicht mehr risikoadäquate Margen. Gleichzeitig werden hunderttausende von Unternehmenspleiten durch den Nullzins in die Zukunft verschoben und bilden eine sich bald brechende Welle fallierender Zombieunternehmen, die ihre Kapitalkosten schon lange nicht mehr verdienen. Wenn sich dieses Ungleichgewicht entlädt, wird der Euro scheitern und in diesem Kataklysmus wird auch die EU das Zeitliche segnen.
Wir brauchen eine Auflösung der an ihren Aufgaben spektakulär gescheiterten europäischen Bankenaufsicht und Bankenunion und die Rückübertragung ihrer Aufgaben an nationale Behörden, eine Abschaffung der EU-Kommission und ihren Ersatz durch eine neue Institution, die strikt auf die Funktion als Hüterin der Verträge beschränkt wird und die kein eigenes politisches Mandat hat, schon gar kein Mandat der rechtlichen Gestaltung ohne demokratische Kontrolle.
Es wird kein Spaziergang, dies auf den Trümmern der gescheiterten Eurokraten-Utopie aufzubauen. Aber die Krise, aus der das Neue geboren wird, ist das kleinere Übel im Vergleich zum Weiter-so: Minima de malis.
MEGA – Make Europe Great Again.