Man reibt sich die Augen: Jeden Tag wird das Versagen der EU bei der Impfstoffbeschaffung deutlicher. Und dennoch halten die Politiker an der absurden These fest, die „europäische Lösung“ bei der Impfstoffbeschaffung sei richtig gewesen. Mich erinnert das an die Leute, die immer sagen, der Sozialismus sei eine gute Idee, die leider nur schlecht durchgeführt worden sei. So wird jetzt zwar eingeräumt, dass vieles (eigentlich: alles) schief gelaufen ist, aber eilfertig wird hinzugefügt, der „europäische Ansatz“ sei an sich richtig gewesen, nur eben falsch ausgeführt. Sogar die FDP, die das Versagen bei der Impfstoffbeschaffung kritisiert, fügt eilig hinzu, der „europäische Ansatz“ sei grundsätzlich richtig gewesen.
Das Absurde: Der beste Impfstoff, den es im Moment gibt, wurde in Deutschland erfunden und mit Hunderten Millionen deutschen Steuergeldern gefördert – und jetzt sind wir eines der Länder mit der niedrigsten Impfquote.
Die „europäische Lösung“ war falsch
Warum wurde die Impfstoffbeschaffung überhaupt an die EU delegiert? Weil die Deutschen – mal wieder – die allergrößte Angst davor hatten, von anderen Ländern als „Impfstoffnationalisten“ gescholten zu werden. Jede Wahrnehmung der Interessen des eigenen Landes wird ja schnell als „Nationalismus“ diffamiert. Und damit werden dann vernünftige, pragmatische Lösungen verhindert – so wie bereits in der Flüchtlingskrise 2015.
Der Gedanke, dass der Impfstoff, der hierzulande erfunden und gefördert wurde, gleich im ersten Schritt gleichmäßig an die ganze EU verteilt werden müsse, war vom Ansatz her falsch. Mit der gleichen Argumentation hätte man auch erklären können, der Impfstoff müsse sofort und im ersten Schritt gleichmäßig an alle 195 Länder dieser Welt verteilt werden. Das wäre dann die logische Konsequenz des „Hauptsache kein Impfstoffnationalismus“-Ansatzes gewesen.
Es kommt noch etwas hinzu: Wer sich jetzt überrascht zeigt, dass Ursula von der Leyens Laientruppe die Sache vermurkst hat, den muss man als naiv bezeichnen. In ihrer Zeit als Verteidigungsministerin hatte sie bekanntlich so ziemlich alles vermurkst, was man nur vermurksen kann.
Sie ist dem Untersuchungsausschuss nur entkommen, weil sie von Angela Merkel als Lohn für ihre bedingungslose Loyalität nach Brüssel hochgelobt wurde. Warum soll jemand, der bisher stets versagt hat, auf einmal eine gute Leistung abliefern?
SPD und Söder: „Haltet den Dieb!“
Jetzt, wo das Versagen offensichtlich wird, reagieren die Politiker wie immer:
- Besonders frech sind Markus Söder (CSU) und Lars Klingbeil und Olaf Scholz (SPD), die jetzt das Versagen bei der Impfstoffbeschaffung beklagen, obwohl sie erstens selbst zur Regierung gehören und zweitens vehement für die „europäische Lösung“ eingetreten waren.
- So wie der Dieb, der laut ruft „Haltet den Dieb!“ wird jetzt die Schuld bei den Pharmakonzernen gesucht. Damit sollen antikapitalistische Emotionen gegen „Big Pharma“ mobilisiert werden.
Versagen, wo man hinschaut
Dabei sind die Pharmafirmen die Einzigen, die eine tolle Leistung in der Krise gebracht haben. Zieht man ein Resümee der Corona-Politik der Bundesregierung, so muss man ein Totalversagen feststellen. Es geht nicht nur um die vermurkste Impfstoffbeschaffung. Deutschland steht im internationalen Ranking bei der Corona-Bekämpfung derzeit auf Platz 55.
- Die App, die von Kanzleramtsminister Helge Braun als beste der Welt gepriesen wurde, war ein Schlag ins Wasser und hat nichts gebracht. Grund: In Deutschland hat der Datenschutz höhere Priorität als der Schutz von Menschenleben und die Aufrechterhaltung der Wirtschaft. Es werden lieber Zehntausende Tote und Zehntausende Insolvenzen in Kauf genommen, als die heilige Kuh Datenschutz in Frage zu stellen.
- Die „Maskenpolitik“ war ebenfalls absurd. Zuerst haben Merkel und Söder bestritten, dass Masken überhaupt etwas nützen. Dann wurden Altruisten-Masken empfohlen, die den Maskenträger nicht schützen. Nach fast einem Jahr entdeckt man FFP2-Masken, verschickt jedoch aufwendig gedruckte, fälschungssichere Gutscheine statt der Masken (die es derzeit beim Discounter für 99 Cent gibt).
- Alten- und Pfegeheime wurden nicht wirksam geschützt, die Gesundheitsämter funktionieren immer noch nicht und die Schnelltests muss man sich unter der Hand besorgen, weil man sie offiziell noch nicht in der Apotheke kaufen kann. Lange Zeit hieß es, man brauche eine dreijährige Ausbildung, um sich ein Wattestäbchen in die Nase zu stecken.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Linke Politiker reden gerne vom Marktversagen. Ich rede vom kompletten Staatsversagen. Das Einzige, was funktioniert hat, sind die vielgescholtenen kapitalistischen Firmen: Sie haben günstige Tests (10 Euro), günstige FFP-2-Masken (99 Cent) und moderne Impfstoffe bereitgestellt.
Merkel kann froh sein über diese „Opposition“
Angela Merkel kann froh sein, dass es keine schlagkräftige Opposition gibt:
- Die Grünen machen sowieso alles mit. Sie gehören ja faktisch zur Merkel-Regierung, nur eben ohne Ministerposten. Der Gipfel war der Auftritt von Daniel Cohn-Bendit bei Maybritt Illner, der erklärte, jetzt müsse die Politik den Pharmaunternehmen einfach befehlen, was sie zu tun hätten. So stellt sich ein französischer grüner Etatist die Wirtschaft vor.
- Die AfD hat sich in der Corona-Krise lächerlich gemacht: Klagen gegen Masken, Corona-Verharmlosung im Bunde mit „Querdenkern“ und Geraune gegen „genmanipulierten Impfstoff“. Im Bundestag konnte man den AfD-Politiker Hansjörg Müller vernehmen, der krude Verschwörungsspinnereien rund um Bill Gates verkündete.
- Die FDP ist – wie immer – viel zu zaghaft. Würde sie die Kritik in der Tonart vortragen, wie das vorbildlich in den letzten Wochen die BILD-Zeitung getan hat, stünde sie in Umfragen jetzt im deutlich zweistelligen Bereich. Seit Wochen steht im Mittelpunkt die Forderung der FDP nach einem „Impfgipfel“, so als ob die Pharmafirmen den „klugen“ Rat von 16 Ministerpräsidenten und Bundespolitikern bräuchten, um dort zusammenzuarbeiten, wo es sinnvoll ist.
- Die Linke wiederholt monoman ihre Hetzparolen gegen „Reiche“, die jetzt zur Kasse gebeten werden müssten. Wer nur einen roten Hammer hat, für den sieht jedes Problem aus wie ein kapitalistischer Nagel. Ich glaube, wenn nächstes Jahr ein Meteorit auf die Erde stürzen würde, dann wäre reflexartig die erste Forderung der Linken auch eine Vermögensabgabe für Reiche.
Merkel hat – mal wieder – in einer Krise total versagt. Sie kann froh sein, dass es keine Opposition gibt, die ihr das Leben schwer macht.
Soeben in einer Neuauflage erschienen: Zitelmanns „Klassiker“ von 1994: „Wohin treibt unsere Republik? Wie Deutschland links und grün wurde.“