Der Außenminister hat sichtlich große Freude an diesem Termin im Berliner Salon. Veranstalter ist das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es moderiert ein dem Außenminister sichtlich wohlgesonnener und zugewandter Gordon Repinkski, der früher auch mal für den SPIEGEL in der Hauptstadt tätig war und nun stellvertretender Chefredakteur und Büroleiter für das RND in Berlin ist.
Es herrscht eine „Kuscheleckatmosphäre“, obwohl Repinski und Maas an einem Tisch sitzen. Umgeben sind beide von einem ausgewählten Leserpublikum. Man ist gespannt, was der Außenminister an Tagen wie diesen zu sagen hat, wo ihm die Kritik von allen Seiten nur so um die Ohren fliegt, wie wohl selten einem seiner Vorgänger in diesem Amt zuvor.
Der SPD-Genosse und Außenminister Heiko Joseph Maas kann einfach nicht aus seiner Haut: immer einen Tick zu besserwisserisch, ironisch und arrogant. Maas schmunzelt oft und gern über seine eigene Originalität. Dabei hat er doch gar keinen Grund, ironisch zu sein, sein Gegenüber vorzuführen und zu belehren. Beim RND zu Gast zu sein, bedeutet auch, in Watte gepackt und nicht gerügt, dafür aber mehr gelobt zu werden.
Dass nun aber die FDP, ausgerechnet nach Maas‘ Türkei-Auftritt und dessen Bloßstellung von Annegret Kramp-Karrenbauer für ihren Vorschlag der Sicherheitszone im Grenzgebiet, eine offizielle Rüge des Bundestags für Außenminister Maas fordert, ist zwar richtig, aber wird nicht vollzogen werden – des Weiterbestands der Groko wegen.
Ach, man könnte Heiko Maas eigentlich ständig rüffeln. Man hätte es schon zu Zeiten tun können, als der „aufstrebende“ Maas im Justizministerium als Verantwortlicher firmierte. Der ewige Wahlverlierer Maas nämlich, im Saarland waren viele froh, als er nach Berlin weggelobt wurde, hat schon viel Politisches verrichtet, was viele Experten verzweifelt mit dem Kopf schütteln ließ.
Nicht nur bei der Großbaustelle seines Netzwerkdurchsetzungs-Gesetzes (NetzDG), von dem anerkannte Juristen meinen, die Studie, die Maas einst zur Bekämpfung von Hass, Hetze und Beleidigungen heranzog, müsse von Rechtslaien erstellt worden sein. Journalisten aller Bereiche und Medien mahnten die beschnittene Meinungsfreiheit an.
Heute glaubt man fast, das NetzDG müsse in allererster Linie dafür herhalten, die GroKo und das politische Überleben des Heiko Maas selbst zu schützen. Nichts hält Maas für gefährlicher als bitterböse Kritik, die ins Lächerliche reicht. Denn genauso, nur hinter dem Sichtschutz seines Apparats, teilt Maas auch gern aus.
Annegret Kramp-Karrenbauer in der Türkei so genüsslich abzukanzeln (er konnte die klammheimliche Freude darüber offensichtlich schwer verbergen, wie seine Mimik verriet), war nichts anderes als das Begleichen alter Rechnungen, wo doch Maas AKK immer unterlegen war im Saarland.
Oder genauso im Justizministerium zu Beginn, als Maas Generalbundesanwalt Harald Range einfach fallen ließ, um sich selbst zu halten, indem er den Geheimnisverrat von Staatsangelegenheiten an Journalisten damals als nicht gegeben wertete. Range beklagte danach öffentlich einen „unerträglichen Eingriff“ der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz. Er hatte viele Fürsprecher, seinen Job war er dennoch los.
Noch ein kleiner Ausflug muss sein, bevor wir wieder in den kuscheligen Berliner Salon wechseln, weil sich Maas damals als Justizminister auch der Neubewertung von Morden und deren Strafmaß annahm. Anno 2016 legte Maas‘ Ministerium einen Entwurf für die geplante Reform des Mordparagraphen vor. Unter anderem hieß es darin, dass das Strafmaß bei Mord auf bis zu fünf Jahre herab gesenkt werden müsse, wenn dem Mord eine „schwere Beleidigung“ (§ 213) oder eine „Misshandlung (…) zum Zorn gereizt“, vorausgegangen wäre. Ja, wenn der Täter, so im Text, von „vergleichbar heftigen Gemütsbewegung“ betroffen war. Weiterhin, so schreibt es Wikipedia, sieht der Entwurf vor, dass „das Mordmerkmal der Heimtücke neu zu definieren und das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in ‚besonders verwerfliche Beweggründe‘ umzubenennen und zu präzisieren“ sei. Heiko Maas ist tief in die Psyche möglicher Mörder vorgedrungen.
Hier wird der Täter zum Opfer gemacht – und ein Mord nach schwerer Beleidigung (Hass und Beleidigung, sowie Reaktionen darauf, beschäftigen Maas, wie wir merken), sei also irgendwie nachvollziehbar und mit weniger Strafe zu belegen. Was geht in Heiko Maas, allgemein gefragt, eigentlich vor?
Von wem im Auswärtigen Amt wird Maas eigentlich betreut, lautet eine berechtigte Frage bei internationalen Diplomaten. Sind es die berühmten Fettnäpfchen eines Parvenüs oder hat Maas‘ Politik System und Kalkül? Beides wäre schlimm, wie der Position unwürdig.
Die Eröffnungsfrage des Moderators lautet dann, Maas käme gerade von einer Reise, wie es sich für einen Außenminister ja gehöre, in dem Fall aus Ungarn, einem eher „angenehmen Termin, im Vergleich zu den anderen…?“, leitet Repinski über zu Maas. Der reibt sich die Hände, schmunzelt verschmitzt vielsagend (nichtssagend?) und meint, es komme darauf an, welche Termine der Moderator denn meine und ein „Treffen in Budapest“ sei auch nicht so einfach. Der Moderator möchte korrigieren, nun es sei ja ein eher positiver Termin gewesen, es ging ja um die Grenzöffnung vor 30 Jahren.
Heiko Maas gefällt sich in seiner Rolle, dem Fragenden Kontra zu geben. Nun, wenn eine Reise nach Ungarn schon als „positiv“ gewertet würde, unter all den vielen Reisen, die er so absolviere, gebe ihm das zu denken, lacht er. Die vordere Reihe mit ihm.
Der Moderator konfrontiert Maas immerhin mit Norbert Röttgers Aussage, wonach die deutsche Außenpolitik ein „Totalausfall“ wäre. Fühle er sich nun angesprochen oder verstehe Röttgen die Kanzlerin etwa nicht? Die Frage gefällt Maas nicht, er fängt sich aber schnell. Es sei doch normal, dass dann einer aus der CDU die Außenpolitik des Partners kritisiere. Und damit auch die Kanzlerin. Röttgen, das wisse man doch, habe mit Merkel noch eine Rechnung offen.
Auch die skurrile PK in der Türkei gegen AKK spricht der Moderator an, und die Debatte danach, man hört Maas laut und genervt aufatmen und auf die Frage, ob es ein Fehler gewesen sei, ihr öffentlich zu widersprechen, sagt Maas mit einem Auflachen und dem Anflug einer verdorbenen Arroganz: „Also, wenn das ein Fehler sein soll, öffentlich zu kritisieren und Stellung zu beziehen …“ , wo doch alle sagen, man solle mehr miteinander reden, dann wisse er auch nicht mehr weiter. Hier zeigt sich wohl das ganze Dilemma, ein ahnungsloser Politiker hat sich ins Auswärtige Amt verirrt, nein er wurde hinein geschoben, ohne die hohe Kunst der Diplomatie auch nur annähernd zu kennen.
Über seine Zukunft und Pläne nach der Politik wollte er dem Publikum nichts sagen. Es schien, als habe er gar keine, was bitteschön, wäre denn so schlimm oder abwegig, sie zu benennen.
Immerhin spricht Maas den USA gemeinsame Werte nicht ab, warum dann dennoch so viele kommunikative Probleme herrschen, kann man sich nur damit erklären, weil Maas eben den Standpunkt vertritt, allein für sich könne keiner bestehen. Er beschwört mit Macron die „Allianz der Multilateralisten“.
Seine schwierigste Aufgabe als Außenminister bisher, möchte der Moderator wissen? Maas überlegt, setzt an, schmunzelt in sich hinein, es muss ja originell sein – nein, nicht die Verhandlungen und Gespräche mit Trump, Putin, oder mit Erdogan (bei denen er ja immer alles anspricht) – Maas verblüfft das Publikum und Repinski, mit der Antwort, schwierig sei es mit dem „Präsidenten von Äquatorialguinea“ gewesen. Einem Präsidenten (Mbasogo), der seit 40 Jahren regiere und wo ganz andere Regeln und Menschenrechte herrschen – mit ihm müsse er sich im Sicherheitsrat schließlich auch auseinandersetzen. Ob Ungarn oder Äquatorialguinea – die echten Herausforderungen des Heiko Maas.