In Deutschland ist eigentlich alles irgendwie geregelt und reglementiert (auch wenn das Recht in Teilbereichen wie der illegalen Zuwanderung nicht mehr durchgesetzt wird) – mit einer Ausnahme: den Parteistiftungen. Anders als für die Parteien selbst gibt es für die Tätigkeit und Finanzierung der Parteistiftungen keine gesetzliche Grundlage. Das ist nur auf den ersten Blick überraschend, erklärt sich aber aus der Geschichte der Parteienfinanzierung. Seit 1959 gibt es in Deutschland die direkte staatliche Finanzierung von Parteien, damals deklariert als Mittel für die staatsbürgerliche Bildungsarbeit. 1966 setzte das Bundesverfassungsgericht der staatlichen Parteienfinanzierung eine Grenze (siehe hier): Die Parteien durften staatliche Gelder nicht mehr für die allgemeine Parteiarbeit, insbesondere die politische Bildung, sondern nur für die Wahlkampfkosten erhalten (sogenannte Wahlkampfkostenerstattung). Jetzt schlug die Stunde der Parteistiftungen. Statt an die Parteien selbst wurden die unzulässigen Zahlungen für die politische Bildung nunmehr an die Parteistiftungen umgeleitet. Da zum damaligen Zeitpunkt nur CDU, SPD und FDP über Stiftungen verfügten, gründete die CSU zu diesem Zweck extra die Hanns-Seidel-Stiftung. In späteren Jahrzehnten wollten naturgemäß auch die Grünen und Linken nicht auf die staatlichen Wohltaten verzichten und gründeten ihrerseits Parteistiftungen. Dass nun auch die AfD als neue Partei eine Parteistiftung aufbauen möchte, die etwas aus den prall gefüllten staatlichen Geldtöpfen herausbekommt, ist insoweit verständlich.
Die großen Sechs der etablierten Parteien: 4,8 Milliarden € in zehn Jahren vom Steuerzahler
Noch aber sind die großen Sechs – Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke), Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) und Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) – unter sich, was die Vergabe von Steuergeldern angeht. 529 Millionen in 2015, 569 Millionen Euro in 2016 und 600 Millionen Euro in 2017 aus den öffentlichen Haushalten Deutschlands (Bund, Länder, Kommunen) und (in geringem Umfang) der EU haben die sechs großen Parteistiftungen erhalten. Das ist ein Mehrfaches der direkten Parteienfinanzierung, die sich für die sechs genannten Parteien auf circa 150 Millionen Euro jährlich beläuft.
Die konkreten Zahlen seit 2008 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Zuwendungen sonstiger Zuwendungsgeber sind darin nicht enthalten, da die Stiftungen (insbesondere von CDU, SPD und CSU) nicht aufschlüsseln, ob und in welcher Höhe diese auch aus öffentlichen Kassen stammen.
Nicht ganz so relevant wie die regelmäßigen, jährlichen Zuwendungen an die Parteistiftungen, mit denen diese mehr als 2.000 verdiente Parteisoldaten und sonstige Mitarbeiter finanzieren, sind die Vermögensstände der Parteistiftungen. Aber auch auf sie lohnt ein kurzer Blick. Die Stiftungsvermögen (Eigenkapital, Rücklagen und Sonderposten aus Zuwendungen) belaufen sich laut den Jahresberichten zum 31.12.2015 auf beachtliche knapp 233 Millionen Euro. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Nur zur Klarstellung: Das Vermögen der Stiftungen stammt nicht von den Namensgebern, sondern aus dem Staatshaushalt.
Die Finanzierung der Parteistiftungen: Ergebnis der Klüngelei der Parteien
Gesetzliche Regelungen zur Finanzierung der Parteistiftungen existieren nicht. Nicht einmal Obergrenzen wie bei den Direkt-Zuwendungen an die Parteien gibt es. Die Mittel werden einfach im Bundeshaushalt oder den Haushalten von Ländern und Kommunen bereitgestellt, der jeweilige parlamentarische Haushaltsausschuß entscheidet über die Zuwendungen an die Stiftungen. Es klüngeln also Politiker unter sich aus, was „ihre“ Parteistiftungen erhalten. Das alles geschieht auch noch verteilt über unterschiedliche Haushaltstitel verschiedener Ministerien, so dass ein Überblick kaum möglich ist. Es gibt Globalzuschüsse vom Bundesinnenministerium und weitere Zuwendungen aus diversen Fördertöpfen mehrerer anderer Ministerien, dazu Mittel von Ländern, Kommunen und EU. Die Aufteilung der Bundesmittel orientiert sich vor allem an den Durchschnittsergebnissen der letzten vier Bundestagswahlen, die die Parteien, die den Stiftungen nahestehen, erzielt haben. Damit sollen angeblich die relevanten politischen Strömungen abgebildet werden. In den Bundesländern gibt es ähnliche Absprachen auf Grundlage der Landtagswahlergebnisse.
Die ganze Klüngelei geschieht bisweilen in vertrauten Runden außerhalb des Parlaments. So wurden beispielsweise die Haushaltspolitiker der Bundestagsfraktionen am 18.03.2014 zu einem Gesprächstermin ins Haus der Konrad-Adenauer-Stiftung eingeladen, um mit den Stiftungsvorsitzenden über die finanzielle Ausstattung der Parteistiftungen zu sprechen. Ergebnis dieses Gesprächs war – wie sollte es anders sein – eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Stiftungen.
Teil 2 des Beitrags beschreibt die Verflechtungen von Partei und Parteistiftungen, die fehlende Kontrolle und den Mißbrauch von Geldern und nimmt eine Bewertung des Partei-Stiftungswesens vor.