US-Wahlnacht – die „Nacht der Nächte“, die „Schicksalsnacht“, die „Nacht der Entscheidung“, die einzig wahre Nacht, oder wie auch immer man sie nennen will – in Amerika wartet man zitternd und gespannt auf Wahlergebnisse, und das ist auch in Deutschland nicht anders. Deshalb nimmt die deutsche Presse ihre Aufgabe zu Informieren sehr ernst und berichtet die ganze Nacht. Sie haben spürbar große Angst vor diesem Wesen, das noch immer an der Spitze der Regierung steht. Sie versuchen sich nichts anmerken zu lassen, rechnen fest mit einem Sieg für die Democrats. Der US-Experte Elmar Theveßen des ZDF geht sogar so weit und sagt schon am frühen Morgen: „Trumps Sieg erscheint fast unmöglich“. Aber ob er das tatsächlich glaubt, oder es sich einfach nur selbst einredet, ist nicht eindeutig.
Nicht eindeutig ist an diesem Tag so einiges. Geht man nach den deutschen Leitmedien, ist alles möglich – selbst der Umsturz der Demokratie weltweit. Denn ein Elefant ist los in Amerika. Er ist, so erzählt man, unberechenbar und unzurechnungsfähig. Ein Haufen verrückter Sterotyp-Patrioten mit Grashalm im Mund, Schrotflinte auf der Schulter und McDonalds im Blut haben ihm die Tür aufgehalten, und jetzt trampelt der Elefant durch‘s Weiße Haus.
Vom ZDF bis zum Spiegel kann sich das niemand erklären. Der Elefant ist anders. Er ist groß und fett und hässlich. Seine Haare drehen sich alle in eine Richtung und sehen aus wie ein Sahnehäubchen auf seinem Kopf. Das gefällt den deutschen Medien überhaupt nicht. Aber was noch viel schlimmer ist: Der Elefant wurde überhaupt nicht dressiert. Er kann nicht auf Bällen balancieren, trampelt durch die Gegend und trötet immer einfach dazwischen. Wenn jemand nicht seiner Meinung ist, bewirft er sie mit Erdnüssen und er hat groooooße Stoßzähne – so schöne Stoßzahne, er ist so stolz auf seine Stoßzähne.
Jetzt ist Wahl, die einmalige Chance, um den Elefanten aus dem Weißen Haus rauszuschmeißen. Was wird passieren? Elefanten-Experten werden zu Rate gezogen um einzuschätzen, wie er mit einer Niederlage umgehen würde.
Das ZDF weiß, was anständige Amerikaner wollen
Was um 4 Uhr morgens noch erst eine Möglichkeit ist, Apokalypse zu spielen, wirkt um 7 Uhr morgens schon fast bestätigt – der Elefant hat wieder Twitter benutzt. „Wir sind GROSS, aber sie versuchen, die Wahl zu stehlen. Wir werden es niemals zulassen.“ Eine klare Kriegserklärung, finden die deutschen Medien. Sie befürchten, dass die Wahl nicht in den Wahllokalen, sondern vor Gericht entschieden wird. Die „Armeen von Anwälten“, die sich vor allem in den Swing States bereithalten, um Ergebnisse anzufechten, haben sie schon vorher geschildert. Und was gibt es schließlich Undemokratischeres als einen Gerichtsprozess?
„Die anständigen Amerikaner“ beobachten die Geschehnisse wahrscheinlich mit Schrecken, sagt ein Experte. Wäre die amerikanische Bevölkerung so vernünftig wie das ZDF und seine Zuschauer, würde natürlich Biden gewinnen. In einer Diskussion, mit unter anderem Beatrix von Storch, hat man sich im ZDF am frühen Morgen zu Trumps bisherigen Taten unterhalten – um dem Zuschauer noch einmal eindringlich klar zu machen, warum man als Trump-Anhänger nur absolut bescheuert sein kann. Frau von Storch wird hinzugezogen, die versucht, Trump zu verteidigen. Das eine oder andere habe er auch richtig gemacht, wagt sie doch tatsächlich zu sagen – mit Argumenten sogar! Das war zu viel des Guten und die Moderatorin Bettina Schausten sieht es als ihre Aufgabe, dem ein Ende zu setzen. „Sie müssen jetzt hier keinen Wahlkampf zu Trump machen“ faucht sie dazwischen. Von Storch versucht sich zu verteidigen, sie hätte doch nur mal eine andere Seite schildern wollen. Bettina Schausten weist sie trotzdem zurecht, sinngemäß fordert sie sie auf, jetzt die Klappe zu halten, denn man hätte ihre Postion jetzt verstanden.
Wahrscheinlich tat sie das für das Wohl der Zuschauer – so viele Fakten ist man im ZDF-Publikum nicht gewohnt, das überfordert sie und verletzt sie in ihren Gefühlen. Cem Özdemir ist übrigens auch am Start und auch er sieht es als seine ehrenwerte Aufgabe, dazwischenzufunken. Donald Trump habe – ähnlich wie die AfD – ein falsches und gefährliches Demokratieverständnis. Die Argumente werden auf magische Weise hinfällig. Frau von Storch versucht ein weiteres mal etwas Dissens in den Kaffetratsch zu bringen: Merkel und überhaupt Deutschland haben den Präsidenten nicht ernst genug genommen, ihn gemaßregelt und ihre eigene Position überschätzt. Empörung macht sich breit. Warum sollte man einen Elefanten nicht als das ungehaltene, gefährliche, bösartige Trampeltier bezeichnen, dass es doch offensichtlich ist? Auch hier schaltet sich Özdemir wieder ein. Er verteidigt die Bundeskanzlerin. Man könne ja schon alleine an dem Trump-Zitat „Grab them by the pussy“ erkennen, dass er der Bundeskanzlerin genauso wenig mit Respekt begegnet und sie von Anfang an schon keine Chance hatte. Dass dieses Zitat vielleicht eher nicht auf Merkel, sondern auf etwas attraktivere, jüngere Frauen abzielt, ist ihm wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen. Es bleibt dabei – der Elefant muss weg, daran kann auch Beatrix von Storch in einer Drei-Gegen-Einen-Debatte nichts ändern.
Missionare für den mittleren Westen
Parallel sah Christian Lindner sich wohl gezwungen sich in das Elefanten-Bashing einzuklinken. Er schlägt vor: „Warum machen wir uns nicht auf den Weg, überall dort neue diplomatische Einrichtungen bzw. Dialogeinrichtungen wie Goethe-Institute zu gründen, wo auch die Wähler von Herrn Trump sind. … da müssen wir hin“. Also auf Deutsch – die verrückten Cowboys aus dem Wilden Westen hätte niemals ein wildgewordenes Trampeltier an die Regierungsspitze gelassen, wenn sie Goethe gelesen hätten. In der ARD-Redaktion rutscht das Bedauern immer wieder raus, dass man einen Erdrutsch-Sieg Bidens lieber gesehen hätte. Ein Kopf-an-Kopf Rennen ist wohl zu unsicher und da fühlt man sich so gar nicht wohl. Sigmar Gabriel sagte dagegen im ZDF: „Es wird so knapp, wie viele vorhergesagt haben“. Er zum Beispiel habe das auch immer gesagt.
Viel Spekulation, aber es bleibt spannend. Während man noch früh am Morgen vorhersagte, eine Niederlage Bidens wäre fast unmöglich, ist man sich jetzt nicht mehr sicher. Es ist ein „Krimi“ wie man im ZDF sagt, der Focus sagt eine „Schlammschlacht“ voraus. Niemand weiß, was passieren wird, klar ist aber schon jetzt: Die demokratische Grundordnung steht kurz vor dem Abgrund. Nichts ist gefährlicher für die Demokratie als demokratische Wahlen mit Kandidaten und unterschiedlichen Meinungen. Alle machen sich noch immer Sorgen über Trumps Tweet, die Demokraten würden versuchen, die Wahl zu stehlen. Noch schlimmer wird es dann nach seiner Rede. Die Welt upgradet den ZDF-Begriff „Wahl-Krimi“ zu „Wahl-Thriller“ und dann „Wahl-Drama“, so als wäre jemand gestorben. Es ist ja auch höchst problematisch, sich zuversichtlich und sicher als Gewinner zu sehen. Nicht mehr lange und der Queen-Hit „We are the Champions“ wird verboten, weil zu unsensibel. Folgt man jetzt einer der vielen Elefanten-Expertinnen, deren Namen ich vergessen habe, könnte Trumps „Selbstkrönung“ nun zu weltweiten Problemen führen. Sie hatte am frühen Morgen das Szenario ausgewertet – was ist, wenn Trump sich als Sieger erklärt, egal was die Wahlergebnisse sagen. Völlig absurderweise kommt wohl niemand darauf, solche Aussagen nicht absolut wörtlich zu nehmen. Wenn Karl Lauterbach twittert: Biden wird gewinnen, befürchtet niemand er würde mit einem Kampf-U-Boot gen Westen in See stechen. Wenn Trump sagt, dass er die Wahl gewinnt, veröffentlichen die öffentlich-rechtlichen animierte Videos mit Panzern vor dem Weißen Haus.
Biden, der in einer Rede an seine Anhänger in Delaware ebenfalls verkündet hat, zuversichtlich zu sein – nur etwas mehr drum rum geredet hat als Trump – , scheint dagegen wie Beruhigungsmittel für die Mainstream-Journalisten zu sein. Immer wieder spielen sie das Video ab. Die deutschen Medien haben ihr Urteil gefällt, der Elefant muss weg.