Eigentlich hat mich die Rede von Angela Merkel (rote Jacke vor blauem Hintergrund) auf dem Parteitag Anfang Dezember schon gar nicht mehr interessiert: Eineinhalb Stunden unterkühlter, nichts Neues bietender Merkel-Sprech inklusive Beifall-Klatschen der Lämmer. Ich verzichte daher auf Einzelheiten, die wir alle schon hundertmal gehört haben und weiter hören werden – Forderungen und Selbstverständlichkeiten, die längst hätten realisiert werden müssen – und komme zu den halbherzig vorgebrachten, von ihrem bisherigen Kurs abweichenden (?) Tönen. Beruhigungspillen wie:
„Eine Situation wie die des Spätsommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen.“ Und: „Hier bei uns in Deutschland gelten die Gesetze unseres Landes, und zwar für jeden und jede in gleicher Art und Weise – ausnahmslos! … Unser Recht hat Vorrang vor Ehrenkodex, Stammes- und Familienregeln und vor der Scharia. Das muss ganz deutlich ausgesprochen werden. Und das heißt auch, dass wir Gesicht zeigen. Deshalb ist die Vollverschleierung bei uns nicht angebracht. Sie sollte verboten sein, wo immer das rechtlich möglich ist.“
Ja, was denn nun? Noch im September hatte sie sich gegen ein Verbot von Vollverschleierung ausgesprochen. Nun titelt die Bild-Zeitung „Burkaverbot für Deutschland!“ Na, was darf’s denn nun sein? Was werden Sie beim nächsten Mal aus Ihrer Sammlung herausgreifen, Frau Bundeskanzlerin?
Ohne Belehrungen geht es natürlich bei Merkel nicht: „Einige, die schon immer in Deutschland leben“ (bekanntlich Neusprech für Deutsche), hätten dringend einen Integrationskurs nötig. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum. Und dann:
„Wer das Volk ist, das bestimmt bei uns noch immer das ganze Volk! Das bestimmen wir alle! Nicht ein paar wenige, und mögen sie auch noch so laut sein.“
Lang anhaltendes brüllendes Geklatsche. Gegen Ende noch ein wenig emotionale Tünche: „Wenn ich an unser Land denke, an unser Deutschland (Denk ich an Deutschland in der Nacht…/Heine fällt mir dazu ein), dann ist das Ansporn für meine Arbeit, „Wenn ich an seine Menschen denke, an unsere Landschaften, an unsere Kultur …Wenn ich an all das denke, dann weiß ich, welches Glück es ist, in diesem Land leben zu dürfen.“
Ein Abweichler
Bei der nun folgenden „Aussprache zur Rede der Vorsitzenden“ ist kaum noch ein Stuhl besetzt. Der Saal leert sich. Man steht in Gruppen herum und schwätzt. Eugen Abler vom Landesverband Baden-Württemberg geht ans Rednerpult. Er lässt sich von dem Geräuschpegel nicht beirren. Er spricht mit klarer Stimme und zitiert zu Beginn Albert Einstein: „Ein Abend, an dem alle der gleichen Meinung sind, ist ein verlorener Abend.“ – „Politik beginnt beim Betrachten der Wirklichkeit“ ist sein Motto.
Eugen Abler spricht in etwa das an, was seine Chefin 2002 im Bundestag als „Alternative“ vorgestellt hatte:
„Wir haben immer noch keine ausreichende Kontrolle in der Zuwanderung. Viele Flüchtlinge sind immer noch nicht registriert – oder mehrfach registriert – oder einfach abgetaucht. 550.000 abgelehnte Asylbewerber plus 70.000 geduldete Ausländer leben in unserem Land. Die Illegalität blüht. Es ist unsere Pflicht zu wissen, wer in unser Land kommt. Ihr humanitärer Beweggrund zur Grenzöffnung ist ehrenwert. Aber Sie haben einen Ausnahmefall zur Regel gemacht. Dadurch werden Gesetze ständig gebrochen. Das ist Ihre Verantwortung. Seit 2014 sind ca. 1,5 Millionen Menschen zu uns gekommen. Selbst optimistische Experten gehen davon aus, dass höchstens 30 Prozent in ein Arbeitsverhältnis gelangen. Das heißt rund eine Million erhalten Sozialleistungen. Bei rund 25.000 Euro für einen Hartz 4-Empfänger sind das 25 Milliarden pro Jahr. Tendenz durch Familiennachwuchs und weiteren Zustrom von Flüchtlingen stark steigend. Wir brauchen eine Abschiebungspolitik, die auch in der Praxis den Namen verdient. Eine Leitkultur-Diskussion. Die FAZ hat berichtet, dass drei Viertel aller Deutschen eine solche Diskussion wünschen. Schnellere Verfahren, mehr Hilfen für Griechenland und Italien zur Sicherung der Außengrenzen. Einrichtung von Transitzentren an den europäischen Außengrenzen. Die Aufhebung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Burka-Verbot. Wir haben die Bedeutung von Religion unterschätzt, sagte vor wenigen Wochen unser Bundesinnenminister. Eigentlich müsste es heißen: Wir haben den Islam unterschätzt. 80 Prozent der Asylbewerber sind Muslime. Sie haben meist keine realistische Vorstellung von Menschenrechten, Demokratie und freiheitlicher Ordnung. Frauen sind nicht gleichberechtigt. Der Islam kennt aus seiner Heimat keine Toleranz gegen andere Religionen. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Doch wenn es so weiter geht, gehört Deutschland in einigen Jahrzehnten zum Islam. Erdogan will die Islamisierung auch in Deutschland vorantreiben. Dabei spielen auch in Deutschland die von der Türkei unterstützten Moscheen für die Radikalisierung von Islamisten weiterhin eine zentrale Rolle. Dieser Islam ist totalitär, da er das gesamte Leben der Menschen beherrschen will. Das private wie das öffentliche und das politische. Der Islam möchte unsere Staatsform zerstören. Für ihn gibt es nur zwei Sorten von Menschen: gläubige Moslems und Ungläubige. Christen sind Ungläubige, die man laut Koran belügen, betrügen und töten darf. Ich warne ausdrücklich von einer Verharmlosung der Islamisierung.“
Da sitzt jeder Satz. Eine perfekte Vorlage für eine gute Debatte. Was passiert? NICHTS! Veranstaltungs-Pausen-Geplauder, hoher Geräuschpegel während der gesamten Rede. Kein Mensch hört zu. Die Kanzlerin unterhält sich mit Thomas de Maizière. Herr Abler tritt ab – und es ist, als hätte die Rede nie stattgefunden.
Ein Harmoniebedürftiger
Frank Oesterhelweg, Vorsitzender Landesverband Braunschweig, ist der nächste Redner. Er gesteht, dass er sich nach fast 40 Jahren CDU-Mitgliedschaft schon oft gefragt habe, ob er bei der Partei noch richtig sei. „Ich bin mit einem ziemlichen Groll nach Essen gekommen und … hatte mir schon vorgenommen, ziemlich auf den Putz zu hauen. Aber ich muss sagen … : Ich bin begeistert von der Rede der Kanzlerin. Und ich bin dankbar für die Rede der Kanzlerin. Weil sie auch mal mit Emotionen auf die Menschen zugegangen ist.“
Das scheint die Frau irgendwie immer wieder schaffen zu können: sich als „ein Mensch wie du und ich“ darzustellen, dem man vertrauen kann.
Hintergründe – Interessen – Denkfabriken
Doch denjenigen, die nicht so dankbar und gläubig sind wie Frank Oesterhelwig, drängt sich wieder mal die Frage auf, was eigentlich dahinter steckt, dass andere Meinungen in der Öffentlichkeit entweder gar nicht erst dargestellt werden. Oder (bei „Talks“ jeder Art) abgewürgt werden. Oder wie bei dem Rede-Beispiel oben einfach sang- und klanglos unter den Tisch fallen.
Wichtiges soll anscheinend ungesagt bleiben. Stattdessen wird uns die Mainstream-Meinung ständig um die Ohren gehauen, als ob wir die immer noch nicht verstanden hätten. Entgegen der Erkenntnisse der Psychologie, dass Druck nur Gegendruck erzeugt, haben die Einschränkungen der freien Meinungsäußerung nur noch zugenommen. Psychologie-Kenntnisse werden anscheinend nur noch beim „Nudging“ benötigt.
Was für Interessen stecken dahinter? Warum, so frage ich mich, taucht Joschka Fischer gerade jetzt wieder mit seinen Kassandrarufen aus der Versenkung auf und warnt mit Hinweis auf die Trump-Wahl vor dem Untergang des Westens, so wie er ihn versteht.
Der inzwischen in den höchsten Finanzkreisen verkehrende Grüne ist laut Spiegel gut bekannt und verbandelt mit US-Milliardär und Großinvestor George Soros, Unterstützer von diversen weltweit arbeitenden ThinkTanks. Die meist im Verborgenen agierenden Denkfabriken produzieren Studien, die Politiker für ihre Entscheidungen nutzen, was von den Mainstream-Medien kaum berichtet oder schön geredet wird. So erklärt der Spiegel bei seinem Bericht über die Diskussion Fischer-Soros über die Ukraine-Krise in der Heinrich-Böll-Stiftung 2014 den Mega-Spekulanten zu einem der „rührigsten Philanthropen weltweit“, der sich für „Demokratieprozesse in einst autoritären Staaten“ einsetzt.
So wurde z. B. auch der sogenannte „Merkel-Plan“, das EU-Türkei-Abkommen, nicht von der deutschen Regierung entworfen, sondern von der Denkfabrik ESI (Europäische Stabilitätsinitiative), die von zahlreichen Institutionen wie beispielsweise von Georges Soros‘ „Open Society Institutes“, dem „Rockefeller Brothers Fund“ und dem „German Marshall Fund of the United States“ finanziert wird. Der Leiter der Stiftung ESI, Gerald Knaus, Absolvent der Elite-Universität Oxford, ist auch Gründungsmitglied der von Soros mit finanzierten Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ (ECFR). Er erzählte der Welt im März 2016, dass die Einigung mit der Türkei, offiziell als spontaner Deal verkauft, bereits im Spätsommer 2015 entwickelt wurde und man zu viel Zeit verloren habe. Zitat: „Deutschland hat vieles früh erkannt. Man hat aber den Fehler gemacht, sich bei der Umsetzung zu sehr auf die Kommission zu verlassen. Deutschland hätte es früher in die eigene Hand nehmen müssen.“ – Ein Beispiel für die vielen Verflechtungen, von denen man sich nur schwer eine Vorstellung machen kann.
Drängende Fragen
Die über all dies berichtenden „NachDenkSeiten“ (von Alt-SPDler Albrecht Müller aus dem Team Willy Brandt gegen die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gegründet) werfen die Frage auf, „warum eine gewählte Regierung sich von einem ganz offensichtlich Partikularinteressen unterworfenen ThinkTank derart weitreichende Konzepte schreiben“ ließe und fragen weiter:
- Wer hat den Plan beauftragt?
- Wer hat das ESI für diese Arbeit bezahlt? Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, dass eine Interessenkollision vorliegt, wenn sie sich Konzepte von einem ThinkTank erarbeiten lässt, der auch von amerikanischen Interessengruppen finanziert wird?
- Meint die Bundesregierung, dass es der demokratischen Praxis entspricht, bei derartig weitreichenden Weichenstellungen nicht nur den Bundestag, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen?
Frank Plasberg hat in seiner Talkshow „hart aber fair“ vom 12.12. die Mächtigen dieser Welt in „Helden“ und „Schurken“ eingeteilt. Andersdenkende „Populisten“ gehören in seiner Welt eindeutig zu den Schurken. Da konnten sich die fast 2.000 Zuschauer im „Gästebuch“ noch so sehr die Finger wund schreiben und sich um Differenzierungen bemühen. Allerdings konnte Plasbergs Assistentin Brigitte Büscher diesmal – wie sonst immer zum Schluss ihres Auftritts – keine positiven Stimmen vorlesen. Die Politik der Alternativlosigkeit wird immer sichtbarer.