Tichys Einblick
Corona-Update 8. März 2021

Die Corona-Datengrundlage in Deutschland ist ein schlechter Witz

Die Inzidenz steigt leicht – doch die RKI-Testpolitik ist im internationalen Vergleich fragwürdig. Ob diese Daten die Realität widerspiegeln, ist fraglich. Es ist zu erwarten, dass eine mögliche dritte Welle weitaus weniger Todesopfer fordern würde.

Die Inzidenzwerte steigen. Erneut wird damit eine Verlängerung des Lockdowns begründet. Doch wie zuverlässig sind diese Daten eigentlich, mit denen tiefgreifende Einschränkungen in das Leben der Menschen in Deutschland gerechtfertigt werden?

Die Daten, die das RKI und die Gesundheitsämter lieferten, zeugten immer von mangelndem politischen Willen, aussagekräftige Zahlen zur Verfügung zu stellen: Das fängt bei nie durchgeführten Obduktionen an und hört bei Meldeverzögerungen auf, die bis heute die Zahl der täglichen Fälle zu einer aussagelosen Statistikgröße machen. Vor allem ist allerdings die Testpolitik, gerade im internationalen Vergleich, in höchstem Maße fragwürdig. 

Österreich testet in absoluten Zahlen mehr als Deutschland und gemessen an der Bevölkerung über 13 mal so häufig. Während in Österreich und Dänemark aktuell nicht mal 1 Prozent der durchgeführten Tests positiv sind, sollen es in Deutschland über 6 Prozent sein. Auch Länder wie Frankreich oder Italien testen mehr als doppelt so häufig wie Deutschland.

Das hat zur Folge, dass Deutschland insgesamt eine höhere Corona-Fallsterblichkeit aufweist als der EU-Durchschnitt. Ein skurriler Effekt, der –  bei einem der wohl besten Gesundheitssysteme und einer nicht nennenswert älteren Bevölkerung als der EU-Durchschnitt – nur durch ein falsches Verhältnis zwischen Corona-Toten und -Infizierten zu erklären ist. Dabei ist davon auszugehen, dass wohl mindestens 1/3 der Corona-Toten nicht ursächlich an Corona gestorben sind, diesen Effekt gibt es im Ausland aber in ähnlicher Weise. 

Vor allem zeigt das: Deutschland testet im internationalen Vergleich extrem wenig, daraus folgt eine sehr hohe Dunkelziffer. Diese Dunkelziffer muss nicht unbedingt aus wirklich Erkrankten bestehen – symptomlos Infizierte zu finden ist medizinisch vielleicht gar nicht so interessant. Wenn man aber die ganze Politik an der Inzidenz ausrichtet, dann muss die auch irgendeine Konstanz haben und wenigstens im Verhältnis aussagekräftig sein. Aber da wir eben eine so hohe Dunkelziffer haben, kann man durch eine Erhöhung des Testzahlen immer eine Erhöhung der Fallzahlen produzieren. Während andere Länder konstant seit Beginn wöchentlich ihre Testzahlen erhöhen oder jedenfalls stagnieren lassen, folgt die Zahl in Deutschland den Infiziertenzahlen – oder eben andersherum. Über Weihnachten zeigte sich das ganz dramatisch: Durch einen drastischen Abfall der Testzahlen bekam unsere Inzidenzkurve eine Delle. Allgemein verläuft Corona in allen europäischen Ländern in einer jedenfalls halbwegs perfekten Glockenkurve, allein in Deutschland gehen die Inzidenzwerte sehr sonderbare Wege. 

Diese Unzuverlässigkeit der Werte zeigt sich auch jetzt wieder. Während die Zahl der positiven Tests seit der Kalenderwoche 6 um knapp 3 Prozent angestiegen ist, stieg die Zahl der durchgeführten Tests um knapp 8 Prozent. Inwiefern jetzt die Zahl der Corona-Fälle die Testzahlen nach oben treibt oder zu welchem Anteil der gegenteilige Effekt eintritt, ist nicht zu erkennen. Ob es also eine dritte Welle gibt oder sie herbeigetestet wird – die Daten des RKI sind da wenig eindeutig.

Die Daten zu den „alles entscheidenden“ Virus-Varianten

Ein ähnlich diffuses Bild zeigt sich bei der Frage, wieviele Fälle der britischen Virus-Variante B117 es in Deutschland gibt. Während etwa im Vereinigten Königreich bereits hunderttausende Sequenzierungen im Labor stattfinden, setzt Deutschland größtenteils nur auf Ergebnisse, die mittels PCR-Test auf die Variante hindeuten. Und selbst mittels einer solchen Punktmutationsanalyse werden nicht mal die Hälfte aller Fälle in Deutschland überhaupt untersucht.

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland ganze 10.522 Corona-Fälle mit einer wirklich aussagekräftigen Gesamtgenomsequenzierung untersucht, wobei die Zahl der so ermittelten wöchentlichen Fälle der britischen Variante von 460 in der sechsten Kalenderwoche auf 259 in der siebten gesunken ist – das ist aber auch bedingt durch einen Rückgang der durchgeführten Sequenzierungen. Der Anteil der Varianten-Fälle an den Sequenzierungen liegt hier bei 22,5%, medial ausgespielt wird aber nur der Anteil der mittels PCR-Test untersuchten Fälle, hier liegt der Anteil bei 46% der untersuchten neuen Corona-Fälle, wobei auch hier die Zahl der Untersuchungen großen Schwankungen unterliegt. Auch diese Daten werden nur wöchentlich bzw. zwei-wöchentlich ausgewiesen. Dabei wird mit Berufung auf diese angeblich von der Variante erzeugte dritten Welle das Land für einen weiteren Monat abgeriegelt. Aber herausfinden, ob wir es tatsächlich mit einer solchen Welle zu tun haben, will wohl niemand. 

Wenn man Corona so in den Fokus rückt, muss man verlässliche Daten erzeugen; dass das möglich ist, zeigen medizinisch schlechter ausgestattete andere Länder in Europa. Zumindest in Relation aussagekräftigere Daten bieten uns die Zahl der Corona-Toten und Intensivpatienten. Obwohl die Corona-Zahlen nun seit 4 Wochen wieder leicht steigen, sinkt die Zahl der Toten und Intensivpatienten weiter kontinuierlich – obwohl zwischen Diagnose und Tod/Einweisung in der Regel weniger als zwei Wochen liegen.

Die sinkenden Todeszahlen (trotz steigender Infektionsmeldungen) sind vor allem zu erklären, wenn man sich die als Infektionszahlen gewerteten Positiv-Getesteten nach Altersklassen anschaut. Die zeigt nämlich: Dieser Anstieg der Infiziertenzahlen geht allein auf Infektionen bei unter 70-Jährigen zurück. Bei den im Winter weitaus überproportional häufig Infizierten Alten und sehr Alten sinkt die Inzidenz weiter.

Egal ob das nun tatsächlich durch die anlaufende Impfung (über 90% der Pflegeheimbewohner sind erstgeimpft, 70% zweitgeimpft) oder durch die tatsächlich langsam ins Rollen kommende Schnellteststrategie kommt: Das Ergebnis ist eindeutig. Die Infektionsketten in Pflegeheimen sind größtenteils gebrochen – da hier bis zu 80 Prozent der Corona-Toten sind, ist das der entscheidende Punkt. Selbst wenn eine dritte Welle kommt, wird sie bei weitem nicht mehr die Folgen haben können, die etwas die zweite Welle noch hatte. Und selbst die hat im Rückblick nie einen Lockdown gerechtfertigt und der Lockdown, der trotzdem verhängt wurde, zeigte kaum Wirkung, wie der Vergleich mit Schweden zeigt.

Die Regierung schließt ihre Bürger ein auf Grundlage von lächerlich kleinen Datensätzen, die dafür in Computerprogrammen in 10 verschiedene Zahlen von R-Wert bis 7-Tages-inzidenz umgerechnet werden – eine weniger aussagekräftig als die andere. Auf Basis dieser Daten ist ein Lockdown von vornherein schon lange nicht mehr zu rechtfertigen. Ob die Bevölkerung bewusst im unklaren gelassen werden soll oder ob die Regierung aufs Neue ihre Inkompetenz beweist, lässt sich nur spekulieren, läuft aber im Ergebnis auf dasselbe raus: Der Lockdown ist nicht gerechtfertigt. 

Anzeige
Die mobile Version verlassen