„Wenn eine breite Mehrheit der CDU dies will und trägt“, sei Markus Söder dazu bereits, Kanzlerkandidat der Union zu werden, sagte der Ministerpräsident Bayerns gestern. Breite Mehrheit heiße für ihn, „wenn Vorstand, Fraktion und Basis das gemeinschaftlich wollen“. Diese demokratische Vorstellung unterscheidet den CSU-Vorsitzenden Söder von dem CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Obwohl Markus Söder nach vielen Umfragen bei der Bevölkerung mit großen Vorsprung vor Armin Laschet lag und eine Mehrheit der CDU-Mitglieder wohl für Söder als Kanzlerkandidat war: Trotzdem hat Armin Laschet darauf beharrt, für die Union Kanzlerkandidat zu werden.
Basis hinter Söder – Laschet gegen Basis
Es war ein geschickter Schachzug von Armin Laschet, die Beantwortung der Kanzler-Frage auf ein kleines Gremium, den Bundesvorstand, zu beschränken. Seine Aussichten waren dort von Anfang an groß, denn die Partei ist dafür historisch bekannt, in solchen Gremien den Apparat gewinnen zu lassen. Laschet ist ein Politiker der Funktionäre, ohne die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel und ausgewählter Delegierter, die ihre Posten behalten wollten, wäre er niemals Parteivorsitzender geworden. Söder ist ein Politiker der Basis, von der er durchgängig in seiner politischen Laufbahn unterstützt wurde.
Es war ungewöhnlich, ja fast revolutionär, dass gestern in der langen Nacht einige Teilnehmer im Bundesvorstand sich für den Willen der Basis und gegen ihren Vorsitzenden einsetzten. Der Wille der lange vernachlässigten Basis war endlich bis nach oben, bis zu den Parteispitzen vorgedrungen.
Laschets Hinterzimmer-Manöver
Kurzzeitig sah es in der Nacht so aus, als würde Armin Laschet sich tatsächlich der CDU-Basis beugen, da er zunächst zustimmte, dass eine Kreisvorsitzendenkonferenz einberufen werden solle. Doch dann entschied er sich dafür, dass der Bundesvorstand gemäß Geschäftsordnung, ohne die als „Gäste“ anwesenden Landesvorsitzenden, über die Kanzlerfrage abstimmen soll. Vor der Sitzung sagte Laschet jedoch zu, dass die Landesvorsitzenden mitstimmen dürfen. Der CDU-Vorsitzende hörte also sich erst stundenlang an, wer gegen ihn als Kanzlerkandidat ist und was die Basis möchte – um dann diese Personen von der Abstimmung auszuschließen und die eigene Parteibasis als Vorsitzender zu ignorieren. Mit 31 von 46 Stimmen bekam er eine Zweidrittelmehrheit durch ein Hinterzimmer-Manöver.
Basis mobilisiert weiter gegen Laschet: Ist das Ergebnis nichtig?
Markus Söder zog heute Mittag sein Angebot zurück. Nach TE-Informationen überlegen jedoch einige CDU- und CSU-Mitglieder der Bundestagsfraktion, trotzdem die K-Frage in die Fraktionssitzung zu bringen, wenn die Presse die Stimmung für die Basis und Söder aufrecht erhalte. Die Unterstützung für Söder ist noch da. Es wäre ein letzter großer Versuch. Die Angst um die eigenen Posten bei einem schwachen Bundestagswahlergebnis spielt da auch eine Rolle. Laut Bild-Reporterin Karina Moessbauer sehen Mitglieder des Bundesvorstands rechtliche Bedenken bei dieser spontanen Abstimmung. Denn der Bundesvorstand wurde ohne Angabe der Tagesordnung einberufen, was der Ordnung widerspreche. Ebenso könnte die in der Verfahrensordnung festgelegte „Beschlussfähigkeit“ angezweifelt werden, demnach seien die „Organe der Partei beschlussfähig, wenn sie mindestens eine Woche (satzungsgemäß) vorher mit Angabe der Tagesordnung einberufen worden sind.“ Und vor dem Eintritt in die Tagesordnung „ist die Beschlussfähigkeit durch den Vorsitzenden festzustellen“. Dies ist offensichtlich nicht erfolgt. Politisch wird Laschets Kanzlerkandidatur nun fixiert, doch rechtlich könnte sie tatsächlich nichtig sein.
Wird die Basis dagegen vorgehen? CDU-Mitglieder teilen TE mit, dass sie mit dem Kanzlerkandidat Laschet nicht mehr ihre eigene Partei wählen werden.
CDU-Vorsitzender entmachtet eigene Parteibasis
Armin Laschet hat als Vorsitzender der Basis wieder die Rolle zugewiesen, die sie in einer Funktionärspartei haben soll: nämlich die der Machtlosigkeit. Schon bei den Parteivorsitzendenwahlen von Annegret-Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet wurde die Basis übergangen. Beide Male war Friedrich Merz der Kandidat einer Mehrheit der CDU, dies geht aus Umfragen hervor. Die Unzufriedenheit und der Groll sind seitdem kontinuierlich gewachsen, Austritte erfolgen seitdem reihenweise. Nun wurde erneut die Basis hintergangen, von ihrem Vorsitzenden persönlich.
Markus Söder versuchte das Gegenteil: Er hat die Basis wieder zum Leben erweckt. In aller Öffentlichkeit hat er der Basis eine Wichtigkeit in dieser Entscheidung zugesprochen. Er wusste um das Machtpotenzial der Parteibasis, die sich bisher nicht traute, öffentlich laut zu werden, zu kritisieren. Mit dem Prinzip der Geschlossenheit wurde die Basis unterdrückt. Doch um die Kanzlerfrage brach die Geschlossenheit auf, weil Söder der Basis Gelegenheit geben wollte, Bewegung in der Partei auszulösen.
Endgültige Spaltung zwischen Funktionären und Basis
Es entbrannte kein „Streit“, sondern ein Prozess von innerparteilicher Demokratie bahnte sich an, den Laschet gezielt stoppte. So plante er noch Montag Nacht, eine Abstimmung im Bundesvorstand zu erzwingen, damit es keine Diskussion und Entscheidung in der Bundestagsfraktion geben kann, da ein dortiges Ergebnis für Söder ausfallen würde. Es war auch kein „parteischädigender Streit“, wie Laschet-Befürworter es vermitteln wollten. Denn nach aktuellen Umfragen ließ dieser Prozess die Beliebtheit der CDU sogar wachsen. Nicht durch Markus Söder, sondern durch Armin Laschets chaotisches, undemokratisches Manöver im Hinterzimmer, ist die Partei nun nachhaltig beschädigt. Die Unzufriedenheit der Basis ist auf einem historischen Höhepunkt. Aus CDU-Kreisen hört man, „die Partei sei nun am Ende“. Armin Laschet hat sie endgültig zerrissen zwischen wenigen Funktionären und der großen Basis.
War das die „klare Entscheidung“ der CDU, die Söder wollte? Noch viel wichtiger: Macht die enttäuschte Basis das noch mit? Denn entscheidend ist auch, dass mit Armin Laschet als Kanzlerkandidat die CDU laut aktuellen Umfragen hohe Verluste erfahren wird. Wenn Armin Laschet Kanzlerkandidat bleibt, wird die Spaltung die Union bei den Bundestagswahlen noch tiefer in den Abgrund reißen. Denn ganz Deutschland hat zugeschaut, wie Armin Laschet als Parteivorsitzender sich gegen seine eigene Partei gestellt hat, für seine eigene Macht. Zumindest eine Frage ist aber endgültig geklärt: Wer der wahre Opportunist unter den beiden Machtkämpfern ist.