„Cancel Culture“ kommt mehr und mehr in Mode. Wörtlich übersetzt heißt das: Kultur des Löschens, Annullierens, Tilgens, Ungültigmachens, Ausradierens, Ausstreichens. „Kultur“? „Un-Kultur“ wäre die passendere Bezeichnung. „Cancel Culture“ wurde jedenfalls zum Erziehungsmittel von Politik und Medien. Ein herbeigezauberter oder auch nur vager Verdacht eines Verstoßes gegen die Ge- und Verbote politischer Korrektheit genügt, und schon ist ein Buch, eine Organisation, ein Autor, ein Wissenschaftler, ein Publizist, ein Mensch also, „draußen“, weg vom Fenster. Er bzw. es findet nicht mehr statt. Im Orwell‘schen Big-Brother-Sinn wird der oder das Betreffende „vaporisiert (verdampft). Unter Umkehrung der Beweislast wird den Betroffenen, denen es in der Folge nicht selten an die berufliche Existenz geht, vorgehalten, sie hätten sich beleidigend oder diskriminierend über irgendwelche qua „diversity“ heiliggesprochenen und in ihrer Zahl inflationär anwachsenden „Opfergruppen“ geäußert.
Exkommunikation – darum geht es. Wörtlich: um Herausnahme aus der Communis, aus der Gemeinschaft. Wir möchten hier auf TE Beispiele sammeln. Aktuelle Beispiele, Beispiele aus der Vergangenheit, Beispiele aus einer Zeit, als es den Begriff „cancel culture“ noch nicht gab. Es muss daraus ein „Index“ von Verstößen gegen die Prinzipien einer freiheitlichen, diskursiven Demokratie entstehen. Liebe Leser, machen Sie mit! Ich beginne mal ganz unsystematisch mit einem guten Dutzend „Aufschlägen“:
1. Im Jahr 2000 fand der renommierte Demographieforscher Volkmar Weiss in Deutschland keinen Verleger für sein Buch „Die IQ-Falle“. Eine der wissenschaftlich belegten Kernaussagen dieses Buches war: Weil intelligente Frauen kaum noch Kinder auf die Welt bringen, sinkt der IQ. Das Buch von Weiss musste in Österreich beim Leopold Stocker Verlag gedruckt werden.
3. Der weltweit anerkannte israelische Militärhistoriker Martin van Creveld sollte 2011 Gastdozent an der Universität Trier bzw. deren Historisch-Kulturwissenschaftlichem Forschungszentrum (HKFZ) sein. Weil es dem AStA nicht passte, musste van Creveld bereits nach einem ersten Vortrag das Feld räumen.
4. 2012 wollte der Migrationsexperte PD Dr. Stefan Luft an der Universität Bremen eine Ringvorlesung zu „20 Jahre Asylkompromiss“ durchführen – unter anderem mit dem damaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU). Zur entsprechenden Abendveranstaltung am 5. Dezember platzierte sich eine Gruppe gewaltbereiter Linksextremisten. Die Veranstaltung musste – bevor sie überhaupt begonnen hatte – beendet werden.
5. Im April 2013 wollte der damalige Verteidigungsminister de Maizière an der Humboldtuniversität Berlin einen Vortrag halten. Randalierende Studenten verhinderten dies. Es waren Rufe wie „Nie wieder Krieg“, „Nie wieder Deutschland“ und „Deutschland ist Scheiße“ zu hören. Mehrere blutrotbefleckte Studenten warfen sich vor ihm auf den Boden. Der Minister zog unverrichteter Dinge von dannen. De Maizière wurde als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet.
6. 2017 erschien postum aus der Feder des Universalgelehrten Rolf Peter Sieferle der Titel „Finis Germania“. Der Titel erklomm rasch die Bestsellerliste des Spiegels bis auf Platz 6. Weil das verantwortlichen Leuten des Relotius-Blattes nicht gefiel, verschwand der Titel aus der Bestsellerliste.
7. Im Frühjahr 2019 vermochten es linke Aktivistengruppen an der Humboldt-Universität in Berlin, einen Forschungsantrag des renommierten Stalin-Experten Professor Jörg Baberowski abzublocken.
8. Im Herbst 2019 hinderten „Aktivisten“ an der Universität Hamburg Professor Bernd Lucke (vormals AfD) daran, seine Vorlesungen zu halten. Wissenschaftsministerin und Universitätsleitung tauchten ab.
9. 2019 sollte der renommierte Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden eine Seniorprofessur genehmigt bekommen. Weil Patzelt als „Pegida- und AfD-Versteher“ verschrien war, kam es nicht dazu. Am 28. März 2017 war Patzelts Auto in Dresden abgefackelt worden.
10. Der Siegener Philosophieprofessor Dieter Schönecker hatte im Herbst 2018 neben Norbert Bolz und Egon Flaig auch Thilo Sarrazin und den AfD-Bundestagsabgeordneten Marc Jongen zu einem Seminar eingeladen. Schöneckers Kollegen fluteten ihn mit Protestschreiben, die Universität bewilligte keine Mittel, es gab einen Flashmob von rund 75 Studenten – das Ganze flankiert von entsprechender Pressebegleitung etwa mit folgenden Aussagen: Dort würden „extrem rechte Standpunkte des umstrittenen Buchautors Thilo Sarrazin“ verbreitet. Jongen konnte nur in Begleitung von Beamten des Bundeskriminalamtes durch den Hintereingang eintreten.
12. In ihrer Neujahrsansprache vom 22. Januar 2020 nannte die Düsseldorfer Universitätspräsidentin Anja Steinbeck zum Thema „Nicht mitspielen ist keine Lösung – Politik gehört auf den Campus“ drei Grenzen, die gezogen werden müssten, wenn es um die Offenheit der Hochschulen für Politik geht. Der 3. Punkt lautet wie folgt: „Was ist zu tun, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Redner oder die Rednerin im Rahmen der Veranstaltung verfassungsfeindliche Thesen vertreten wird? Diese Gefahr war wohl nicht von der Hand zu weisen, als der Publizist und ehemalige Politiker Thilo Sarrazin an die Universität Siegen eingeladen wurde …. Oder als der Präsident der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt an der Universität Frankfurt angekündigte wurde …..“ Diese Rede wurde im Verbandsorgan „Forschung und Lehre“ des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) veröffentlicht. Seltsam! Der DHV hatte sich im Frühjahr 2019 vehement gegen „Denk- und Sprechverbote“ an Universitäten ausgesprochen und gefordert: „Die freie Debattenkultur muss verteidigt werden.“
13. Der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera (Universität Kassel) musste mit seinem Buch „Klimawandel im Notstandsland – Biologische Realitäten widerlegen politische Utopien“ 2020 zu einer Druckerei nach Luxemburg auswandern, weil er als „umstritten“ gilt und in Deutschland keinen Verlag fand. Sie können es hier erwerben – wie ein verbotenes Untergrundwerk.
14. Der nach allen politischen Richtungen politisch inkorrekt austeilende Kabarettist Dieter Nuhr bekam sein Testimonial zum 100. Geburtstag der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gelöscht. Warum? Weil man ihn als Zeugen für die Bedeutung von Wissenschaft nicht dulden wollte. Schließlich hatte er ja zuvor gegen so manche Klimaforscher, gegen Greta und gegen den Unfug der Genderforschung polemisiert.
15. Fügen wir noch allgemein an: Legion sind die einseitigen und manipulativen Besetzungen von Talkshows. Auch hier „cancel culture“, wohin man schaut: Hochkaräter wie die oben genannten Baberowskis oder Patzelts findet man dort nicht bzw. nicht mehr, einen Medienwissenschaftler Norbert Bolz, der sich regelmäßig kritisch über den Verfall der Medienlandschaft in Deutschland äußert, auch nicht. Professor Falter schon lange nicht mehr; er hatte sich nach 50 Gastauftritten sehr kritisch über Talkshows geäußert. Roland Tichy kommt dort nicht mehr vor, Hans-Georg Maaßen auch nicht.
Also, liebe Leser: Liefern Sie TE Ihre Beispiele. Wir freuen uns darauf.