Seit geschlagenen zehn Jahren wird in der deutschen Politik darüber diskutiert, ob und unter welchen Bedingungen die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ausgerüstet werden soll. Nachdem in der Bundespolitik endlich Einigung erzielt schien, machte die SPD-Führung einen Rückzieher. Deren ganze Perfidie kommt im Satz des Vorsitzenden Walter-Borjans zum Ausdruck: Über das Thema sei noch nicht ausreichend debattiert worden. „Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn“. TE hatte darüber berichtet.
In der Motivationspsychologie ist das Karotten-Prinzip bekannt. Dem Esel wird eine Möhre vor die Nase gehalten in der Erwartung, dass er den gewünschten Weg einschlägt. Die Bundeswehrsoldaten sollen sich offensichtlich weiterhin damit begnügen, Kampfdrohnen hinterher zu träumen. Was bedeutet, sich im Afghanistan- oder Mali-Einsatz gegen Angriffe nicht mit dem gebotenen Mittel der Wahl – nämlich bewaffneten Drohnen – wehren zu können. Mit deren Hilfe sind feindliche Kräfte unmittelbar nach Entdeckung bekämpfbar, ohne erst Luftunterstützung anfordern zu müssen. Das kann im Fall des Falles zu lange dauern und Soldatenleben kosten.
Kampfdrohnen entschieden den Krieg um Bergkarabach
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer spricht inzwischen vom ersten Drohnenkrieg der Geschichte, Generalinspekteur Eberhard Zorn forderte wiederholt die Anschaffung von Kampfdrohnen und von Systemen zu deren Abwehr.
Die türkischen Alliierten unterstützten Aserbaidschan nach Kräften. Ihre Bayraktar TB2-Fluggeräte können mit bis zu acht Luft-Boden-Raketen bestückt werden und über 24 Stunden in der Luft bleiben. Mit einer Einsatzhöhe von bis zu 8 km waren sie für die gegnerische Flugabwehr kaum erreichbar. Zudem zogen israelische »Harop«-Drohnen mit 23 kg Sprengstoffmasse an Bord ihre Kreise. 1000 Kilometer Reichweite ermöglichen stundenlanges Ausharren über dem Gefechtsfeld, nach voreingestellten Kriterien stürzt sich das Fluggerät dann in Kamikazemanier auf das Ziel. Diese Mischung aus Drohne und Marschflugkörper vermag selbst Sensorbilder und Radarsignale an Bodenstationen zu liefern. Sogenannte Loitering-Munition funktioniert ähnlich. Unter Loitering (dt.- Bummel)-Waffen werden Lenksysteme verstanden, die im Warteflug ein Zielgebiet überwachen und per Operatorbefehl angreifen. Je nach Sensorik und Programmierung sind Ziele mittels dieser Munition sogar teilautonom auszuschalten.
Kampfdrohnen sind das Mittel der Wahl
Begleitet wurden die unbemannten Kampfflieger von elektromagnetischen Störmaßnahmen und weiteren Aufklärungsmitteln. Armenische Soldaten, die mit unverschlüsselten Mobiltelefonen hantierten, wurden aufgefasst und bekämpft. Die ständige Gefährdung und unvermittelte Attacken „aus heiterem Himmel“ ließen vielerorts Soldaten in Panik geraten. Ob nun bewusst dafür eingesetzt, oder als Kollateraleffekt entstanden, entwickelten sich die zahlreich freigegebenen Drohnenvideos zu Mitteln der Informationskriegsführung. Ihre rasche Verbreitung im Internet beflügelte die Siegeszuversicht auf der azerischen Seite und deprimierte deren Gegner.
Klar ist damit aber auch, dass mit Kampfdrohnen nicht nur eine neue Waffe eingeführt wird und alles andere beim Alten bleiben kann. Drohnen allein sind keine Lösung, sie bedürfen des abgestimmten Einsatzes im Kontext mit anderen Systemen, auch die Einsatzverfahren müssen neu geschrieben und geübt werden. Das Kriegsbild und damit die Einsatzdoktrin auf einem semiautonomen Gefechtsfeld unterscheiden sich fundamental im Vergleich zu früheren Verhältnissen. Militärstrategen und Konzeptionäre bekommen damit neue Randbedingungen für ihre Arbeit.
Beherrschbare Technik
Bemannte Flugzeuge verursachen einen extrem hohen Beschaffungs-, Betriebs- und Übungsaufwand. Drohnen sind vergleichsweise hocheffektiv mit extremen Flugzeiten für große Entfernungen; sie können mit Datenlink aktuelle Lagebilder liefern; sie sind ein Schutz für die eigenen Soldaten, indem mögliche Angriffe unmittelbar abgewehrt werden können. Allein schon weil ein Operator am Bildschirm mehr Zeit ohne eigene Bedrohung für einen Bekämpfungsvorgang hat als ein Pilot in der Flugzeugkanzel, kann ein Drohneneinsatz dazu beitragen, zivile Opfer zu vermeiden. Nicht zuletzt stehen die handelsüblichen Steuerungsmöglichkeiten von Baumarktdrohnen auch Terroristen zur Verfügung. Auch jeder zivile Flughafen sollte sich tunlichst damit auseinandersetzen. Bewaffnete Drohnen entwickeln sich zum angezeigten Mittel asymmetrischer Kriegsführung.
Alle diese Gründe überzeugen immer mehr Länder, sich der Drohnentechnik zuzuwenden. Rund 40 Staaten haben ihre Streitkräfte mit Kampfdrohnen ausgestattet oder bereiten dies vor. Italien hat US-Predator-Drohnen im Inventar, die letzte wurde von General Dynamics 2015 geliefert. Die Niederlande planen die Einführung von Loitering-Munition. Selbst eine polnische Firma hat derartige Gerätschaften inzwischen sogar im Angebot.
Nicht zuletzt beweist die Türkei, dass inzwischen bereits Schwellenländer die Herstellung derartiger Systeme beherrschen. Auf Erdogan wurde in diesem Zusammenhang hier schon hingewiesen. Er hat nach seiner Ansicht aus der Weigerung diverser US-Präsidenten, ihm Drohnensysteme zu liefern, eine Tugend gemacht: „Wir stellen nun selbst sowohl bewaffnete als auch unbewaffnete Drohnen her.“ Ergebnis siehe oben.
Offenbarungseid des Bundestages
Zurück zur deutschen Innenpolitik. Was muss eigentlich noch passieren, dass die linken Parteien ihre Blockadehaltung aufgeben und der überfälligen Entscheidung zur Einführung von Kampfdrohnen zustimmen? Es ist beileibe nicht nur die Regierungspartei SPD allein, die sich hier verweigert. Grüne und Linke unterscheiden sich diesbezüglich nur deshalb, weil sie bei ihrem Nein geblieben sind. Dabei wäre nach einer Zusage des BMVg die Nutzung von Kampfdrohnen nur „unter Hinzuziehung eines Rechtsberaters“ zu genehmigen – außer in Fällen von Selbstverteidigung! Ein sachgerechter Einsatz in einer kriegerischen Umgebung wäre damit nur noch schwer möglich. Ist es auch gar kein Argument, dass mit bewaffneten Drohnen in Teilen höchst aufwendige Kampfflugzeuge und Hubschrauber wie der UH Tiger entbehrlich werden?
Seit geraumer Zeit sind nun ohnehin die relevanten Argumente ausgetauscht, die Bedrohung auf den Gefechtsfeldern ist real. Sollen also unsere Soldaten politisch gewollt schlicht am kürzeren Hebel sitzen? Was ist eigentlich mit dem wohlfeilen Schlagwort von der Parlamentsarmee? Ist es nicht vordringliche Aufgabe gerade der Parlamentarier, alles in ihrer Macht stehende zum Schutz unserer Soldaten im Einsatz zu tun? Im Übrigen sind die Befürworter bewaffneter Drohnen im Bundestag sogar in der Mehrheit …
Mit Resolutionen in den Krieg ziehen
Es können nun jede Menge Resolutionen gegen den automatischen Krieg verfasst und internationale Konferenzen abgehalten werden. Sie werden an der Entwicklung wenig ändern. Aus ethischer Sicht ist dies je nach Standpunkt bedauerlich, der militärischen Wirklichkeit ist aber nicht zu entkommen. Die Situation ist vergleichbar mit der Einführung des Maschinengewehrs vor dem Ersten Weltkrieg: Wer die Zeichen der Zeit nicht erkannte, dessen Soldaten fielen der neuen Waffe reihenweise zum Opfer.
Vielleicht steckt aber auch wieder mal ein wohl bekanntes Kalkül dahinter: Wer seine Armee nicht modern und bedrohungsgerecht rüstet, der kann sich eher hinter anderen verstecken. Was man nicht beherrscht, sollen besser Partner übernehmen! Das Wort von der Bündnissolidarität erhält so einen zunehmend hohlen Klang. Und unseren Soldaten wird die Karotte vor der Nase schon noch eine Zeit lang reichen, sie halten ja seit 10 Jahren still.