Dass die Bundeswehr nicht einmal mehr bedingt abwehrbereit ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Nun hat auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eingeräumt, was für Fachleute schon lange auf der Hand lag: Es bestehe „eine akute Fähigkeitslücke“ bei der Flugabwehr. Anstoß für diese Erkenntnis ist der wenige Wochen dauernde Krieg im letzten Herbst zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Enklave Bergkarabach. Aserbaidschanische Drohnen israelischer und türkischer Herkunft gaben den Ausschlag: Damit wurden reihenweise Flugabwehrsysteme, Kommandostände, gepanzerte Kampffahrzeuge und Artilleriestellungen zerstört. Aufklärung rund um die Uhr bei nahezu jedem Wetter, unmittelbar gefolgt von punktgenauer Zielbekämpfung. Damit sicherten sich die Azeris eine ungefährdete Luftüberlegenheit, die Armenier hatte kaum eine Chance. Und das auch ohne aufwendige und sündhaft teure Kampfflugzeuge am Himmel. Die armenischen Truppen wurden demoralisiert, sie hatten den Angriffen wenig entgegen zu setzen.
Begleitet wurden die unbemannten Kampfflieger von elektromagnetischen Störmaßnahmen und flächendeckenden Aufklärungsmitteln. Armenische Soldaten, die mit unverschlüsselten Mobiltelefonen hantierten, wurden aufgefasst und bekämpft. Die ständige Gefährdung und unvermittelte Attacken „aus heiterem Himmel“ ließen vielerorts armenische Soldaten in Panik geraten. Ob nun bewusst dafür eingesetzt, oder als Kollateraleffekt entstanden, entwickelten sich die zahlreich freigegebenen Drohnenvideos überdies zu Mitteln der Informationskriegsführung. Ihre rasche Verbreitung im Internet beflügelte die Siegeszuversicht auf der azerischen Seite und deprimierte deren Gegner. TE berichtete.
Bevor nun ausschließlich auf die Politik geschimpft wird, sei festgehalten, dass sich kein General und auch kein Generalinspekteur der Bundeswehr je gegen derart unverantwortliche Entscheidungen gewehrt hat. Keine wahrnehmbaren Diskussionen, keine öffentlichen Einlassungen und schon gar kein Rücktritt. Manche sagen: Stromlinienförmigkeit im Interesse der Karriere. Zugute zu halten ist den Herren immerhin, dass deutsche Generale loyal den Primat der Politik beinahe bedingungslos akzeptieren. Das sollten endlich auch die kapieren wollen, die heute noch meinen, die Armee könne zur Gefahr für den Rechtsstaat werden. Gar nichts wird sie, nicht einmal wenn deren Haus abgefackelt wird, steht einer auf und protestiert. Auf Arbeitsebene wurde durchaus Fraktur geredet und auf die Tatsache hingewiesen, dass eine Reanimierung der Verteidigung Jahre dauern wird. Das hat aber keinen Entscheidungsbefugten vom Hocker gerissen.
Höchste Priorität
Untersucht werden nun mehrere Möglichkeiten. Die Ministerin verfolgt zurecht die Linie, lieber am Markt verfügbares Gerät zu beschaffen, statt auf maßgeschneiderte Goldrandlösungen zu setzen. Die würden Jahre um Jahre dauern, Milliardenbeträge kosten und wären mit großen Risiken behaftet. Neben der Modernisierung des Patriot-Systems soll eine verbesserte Flugabwehr im Nah- und Nächstbereich für rund 1,3 Milliarden Euro auf die Beine gestellt werden. „Dieses Vorhaben ist von höchster Priorität“, heißt es in einem Schreiben von Staatssekretär Peter Tauber (CDU) am 23. März an das Parlament. „Das Vorhaben ist aktuell nicht finanziert“ steht allerdings auch dabei.
Und so ist die Bundeswehr im Fall des Falles einmal mehr auf die Unterstützung von Partnern angewiesen. Bei Auslandseinsätzen ist das immer wieder mal die Lösung, nur darf halt nichts größeres dazwischen kommen. Sonst wären wir im Krisentfall nicht einmal bedingt abwehrbereit. Aber mögliche Gegner würden sich dann doch wohl am deutschen Friedenswillen ausrichten. Wir sind ja schließlich die Guten!