Tichys Einblick
Ende der Sommerpause

Die Ampel geht in ihre letzte Staffel

Die Geschichten werden immer absurder, die Darsteller immer unbeliebter. Die Ampel startet mit Folgen über Haushalt und unkontrollierte Einwanderung in ihre letzte Staffel – der Nachfolger steht schon bereit.

picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Die Berliner Bühne ist um einen neuen, bezaubernden Vorschlag reicher. Um die VW-Krise abzuwenden, möchte die SPD-Bundestagsfraktion solchen Konzernen den Strom subventionieren. Weil VW also keine E-Autos verkaufen kann, soll der Steuerzahler dem Konzern den Strom bezahlen, weil der zu teuer ist – um Autos zu produzieren, die der Verbraucher mit Strom betreiben muss … Sieht sich jemand in der Lage, es der SPD zu erklären? Glaubt jemand, dass es die Abgeordneten verstehen würden? Oder ist wenigstens jemand bereit, Popcorn zu organisieren, damit es spaßiger wird, der SPD zuzusehen, wie sie Pech beim Denken hat?

Die parlamentarische Sommerpause ist zu Ende und wie es TE zu deren Beginn prophezeit hat, war sie keine. Die Ampel wurde immer wieder von ihren Problemen eingeholt: offene Debatten über die Einigung zum Haushalt, die eigentlich keine ist. Der dramatische Vertrauenslust, der angesichts tatsächlicher und noch zu erwartender Wahlniederlagen für Unruhe hinter den Kulissen sorgt – und auch immer öfters vor den Kulissen. Sowie die Folgen der unkontrollierten Einwanderung, zu denen gehört, dass niemand weiß, wo das nächste Solingen sein wird – aber jeder sicher sein kann, dass es eines geben wird. Messerangriffe sind in Deutschland zwar schon alltäglich geworden. Aber ab drei Toten geben sogar ARD, ZDF und staatsnahe Zeitungen ihren Widerstand auf, darüber zu berichten.

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Die Sommerpause ist vorbei. Das Theater bleibt das alte. Einige Pointen sind neu. Wie die vom unbezahlbaren Strom, dessen Kosten der Steuerzahler einem Unternehmen abnehmen soll, damit das wiederum Strom betriebene Autos für die breite Masse bauen kann. Doch die Mechanik bleibt die alte: Unhaltbare Versprechen konkurrieren mit unsinnigen Vorschlägen. Am Ende stehen Entwürfe, mit denen zwar SPD, Grüne und FDP jeweils irgendwie ihr Gesicht wahren können – die aber in sich unlogisch und letztlich dysfunktional sind.

Wobei sich die Erzählmuster gleichen, die Handlung aber nach der Sommerpause an Fahrt aufnimmt. Einfach, weil sie dem Ende entgegeneilt. Dem Ende der Ampel. Die geht in ihre letzte Staffel und ist mittlerweile so zerrüttet, dass die Darsteller nicht einmal mehr miteinander reden wollen. Den Koalitionsausschuss für diesen Mittwoch haben die drei Parteien abgesagt. In der vergangenen Woche hatte das Kabinett schon seine gemeinsame Klausursitzung gecancelt.

Allerdings würden Beratungen innerhalb der Ampel derzeit auch wenig bringen. Denn eigentlich hat mit dem Terror von Solingen schon eine Art „große Koalition“ begonnen. Ohne CDU geht nix mehr. Ihr Parteichef Friedrich Merz hat direkt nach Solingen Kanzler Olaf Scholz eine Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und SPD angeboten, um die unkontrollierte Einwanderung in den Griff zu bekommen. Scholz hat eine Lösung gefunden, in der die Union mit der gesamten Ampel zu dem Thema beraten muss. Das erste Gespräch vergangenen Dienstag endete ergebnislos. An diesem Dienstag findet das nächste statt. Scheitert dieses Gespräch, muss die Ampel ihr inneres Gleichgewicht völlig neu austarieren. Ist es erfolgreich, muss sie das erst recht.

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Genau das kann die Ampel aber nicht. Sie ist handlungsunfähig. Ihre Widersprüche sind zu groß, ihr gemeinsames Fundament zu schwach. Offensichtlich wegen des offen ausgetragenen Streits. Aber auch wegen innerer, schwerer zu beschreibenden Probleme. Etwa dem Verwaltungsapparat, der in den Ministerien und im Beraterstab hinter den politischen Entscheidern steckt. Die Entscheider versprechen zwar permanent, die Verwaltung entschlacken und die Bürokratie weniger unsinnig machen zu wollen. Das ist aber das Gegenteil von dem, was der Apparat kann, will und macht. Zum Beispiel ein Gesetz, das Anreize schaffen soll, im Rentenalter weiter zu arbeiten. Doch es ist so unsinnig kompliziert geworden, dass es frühestens in drei Jahren in Kraft tritt.

Die erste Woche nach der Sommerpause ist traditionell die Haushaltswoche. Das macht Sinn. Denn ohne den Haushalt ist alle Politik nur Geschwätz. Und der Entwurf für den Haushalt, den Finanzminister Christian Lindner (FDP) diese Woche einbringt, ist fast genauso windig wie der, den die Koalitionsspitzen vor der Sommerpause vorgestellt haben. Die Ampel rechnet mit Ausgaben, die nicht wirklich gedeckt sind, und Einnahmen wie Einsparungen, die bestenfalls fragwürdig sind.

So sollen die Ausgaben fürs Bürgergeld sinken, weil angeblich mehr Empfänger in Jobs kommen – doch die Arbeitslosigkeit steigt und die Zahl der offenen Stellen ist rückläufig. Zudem sollen Gesetze zur „Wachstumsinitiative“ ein Wachstum generieren, das schon im nächsten Jahr 6 Milliarden Euro Mehreinnahmen bringt. Gesetze wie das zum Anreiz der Arbeit im Rentenalter. Die erst in drei Jahren in Kraft treten. Aber nächstes Jahr schon wirken sollen. Magie lässt sich das nennen. Euphemistisch. Taschenspielertricks trifft es von der Sache her aber genauso.

Um wirklich zu sparen, fehlt der politische Wille. Fehlt in der Ampel die Fähigkeit, sich auf Substanz einigen zu können – statt wie bisher immer nur auf Symbolik. Substanz erfordert eine Stärke des Verstands. Das ist nichts – zum Beispiel für die SPD-Fraktion. Die will an die „Schuldenbremse“ ran. Wenn der Staat nicht mehr auf seine Einnahmen achtet, könnten Sozialdemokraten einen unsinnigen Beschluss mit dem nächsten ausgleichen: Der Strom ist zu teuer, um E-Autos zu produzieren? Dann bezahlt der Steuerzahler den Autobauern den Strom. Der Strom ist zu teuer, um E-Autos zu kaufen? Dann subventioniert der Staat den Kauf.

An die eigentlichen Probleme gehen solche Abgeordnete nicht ran: Eine Energiepolitik, die 60 Milliarden Euro im Jahr kostet, weitere Arbeitslosigkeit und weiteres Schrumpfen der Wirtschaft nach sich zieht? Eine teure aber ineffiziente Gesundheitsversorgung? Der größte Sozialstaat der Welt? Sie gehen nicht an die Probleme ran, weil es zu kompliziert ist. Stattdessen wollen sie bremsenlos Geld ausgeben, weil das ihrem Intellekt entspricht: Abgeordnete von SPD und Grüne verstehen nicht, was eine Schuldenquote von über drei Prozent bedeutet, geschweige denn, wie die sich auswirkt. Also belastet es sie auch nicht, bremsenlos Schulden zu machen.

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Die Schuldenbremse ist aber in der Verfassung verankert. Eine Aufhebung geht nur mit CDU/CSU. Bis jetzt ist Friedrich Merz dagegen. Aber wie sich das ändern könnte, hat er schon beim Thema unkontrollierte Einwanderung gezeigt: Wenn Merz nur für alle offensichtlich in die Entscheidungsfindung eingebunden ist, kann er sich einen Kompromiss vorstellen. Einen Kompromiss, den aber er der Ampel diktiert. Greift die „große Koalition“ dann erst einmal auch offiziell, wäre die Verfassung schnell egal. Die Union hat sich weder dem Selbstbestimmungsgesetz noch der Medienzensur Nancy Faesers (SPD) entgegengestellt. Und wenn sie mitregieren darf, lässt Merz einfach den „Notstand“ ausrufen, um Politik zur Not an der Verfassung vorbei durchsetzen zu können. Wie wenig die CDU auf die Verfassung gibt, hat sie während der Pandemie bewiesen – oder als ihre Kanzlerin Angela Merkel die unkontrollierte Einwanderung überhaupt erst losgetreten hat.

Die Sommerpause ist vorbei. In Berlin ist das offensichtlich. Am Sonntag um 18 Uhr waren die Strände der Badeseen bei 32 Grad Celsius und Sonnenschein noch voll belegt – seit Montag 6 Uhr regnet es in der Hauptstadt und die Temperaturen sind auf unter 20 Grad gesunken. Mit dem Ende der Sommerpause geht die Ampel in ihre vierte Staffel. Es ist die letzte. Null Prozent der Bürger wünschen sich eine Fortsetzung, wie eine Umfrage des ZDF ergeben hat. Selbst „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) hat schon offen gesagt, dass er Lindner als Finanzminister leid ist.

In den letzten Staffeln von Serien treten traditionell neue Figuren auf, mit denen sich die Macher neue Aufmerksamkeit erhoffen. Die Handlungsstränge gleiten ins Absurde ab – Strom staatlich verbilligen, um Strom betriebene Autos zu bauen, zum Beispiel. Und die verbliebenen Zuschauer fragen sich, ob es ein abgerundetes Ende geben wird oder ob die Serie ermattet, während Handlungsstränge noch offen sind. Friedrich Merz war bisher nur ein Statist. Eine lustige Nebenrolle, wenn es hochkommt. In der letzten Staffel der Ampel wächst er in die Hauptrolle hinein: Der CDU-Chef gibt in den wichtigen Fragen wie Haushalt oder unkontrollierte Einwanderung vor, was passiert. Wenn was passiert. Die ersten Tage im verregneten Berlin lassen eher darauf schließen, dass sich die Ampel planlos dem Ende der letzten Staffel entgegenquält.

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