Die Führung der AfD ist – wie von dort zu hören – nicht in der Lage, die Trennung von Leuten wie dem baden-württembergischen Abgeordneten Gedeon und anderen Extremen schnell und hart durchzusetzen. Gerade lancierte eine Gruppe von Landtagsabgeordneten und Mitgliedern der AfD aus dem Südwesten (die teils zum Freundeskreis des wirren Antisemiten Gedeon zählen) eine Petition, die „gegen Denk- und Sprechverbote“ protestiert. Die Initiatorin Christina Baum hält das Parteiausschlussverfahren gegen Gedeon für „völlig inakzeptabel.“
Dabei hat Gedeon, der früher linksextrem (Mao-Anhänger) war und dann nach rechtsextrem wechselte, in seinen Schriften gleich mehrere rote Linien überschritten. Er schrieb über „Talmud-Juden“ als „inneren Feind des christlichen Abendlandes“ und polemisierte anlässlich der Gründung der Gruppe „Juden in der AfD“, diese seien „hoch problematisch“ und womöglich eine „zionistische Lobbygruppe“. Aus der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag ist Gedeon zwar nach einigen hin und her 2016 ausgeschlossen worden, doch der Parteiausschluss klappte 2017 im ersten Anlauf nicht. Ob er nun ausgeschlossen wird, ist offen.
Auch andere Extreme wie etwa der niedersächsische Jungfunktionär Steinke, der den Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg als „Verräter“ bezeichnete, sollen ausgeschlossen werden, haben die zuständigen Vorstände beschlossen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch die AfD-Frau Christina Baum spricht mit Blick auf die Fälle Gedeon & Co von einem „Maulkorb“. Die Sorge der engeren AfD-Führung, sich von ihren Extremen nicht ohneweiteres trennen zu können, ist wohl mehr als berechtigt.
Innerhalb der AfD verweisen Führungsmitglieder auf das Beispiel der FPÖ, die unter der Führung von Heinz-Christian Strache nach Skandalen antisemitische Wirrköpfe konsequent ausgeschlossen habe. Nur indem die FPÖ einen Trennungsstrich nach ganz Rechtsaußen gezogen habe, sei sie regierungsfähig geworden.
AfD trotz hoher Umfragewerte nahe am Abgrund
Für große Unruhe sorgt in der AfD ein Gutachten des konservativen Juraprofessors Dietrich Murswiek aus Freiburg. Er zeigt, wie unmittelbar bevorstehend eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist. Am Freitag wurde bekannt, was in dem Gutachten steht, das die AfD selbst in Auftrag gegeben hat. Murswiek mahnt eindringlich, alle extremistischen Anklänge zu vermeiden. Das ganze NPD-Vokabular – Murswiek spricht von „extremistischen Reizwörtern“ – müsse gemieden werden, etwa der angeblich drohende „Volkstod“ oder die „Umvolkung“ (das Wort benutzte noch 2017 die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla). Auch extrem pauschale Aussagen über Migranten (etwa: „sind alle kriminell“) und die pauschale Herabwürdigung der „Altparteien“ lieferten dem Verfassungsschutz Stoff für eine regelmäßige Beobachtung.
Ob genügend AfD-Mitglieder erkennen, wie nah ihre Partei trotz der hohen Umfragewerte am Abgrund stünde, wenn es zu einer flächendeckenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz käme, bezweifeln Führungsmitglieder. Schon in wenigen Wochen dürfte der Bundesverfassungsschutz neu entscheiden. Der AfD-Spitze ist die Gefahr bewusst. Sie will an diesem Montag in einer Pressekonferenz verkünden, wie sie auf die drohende Beobachtung reagieren und wie sie diese noch verhindern will.
Der AfD-Führung fürchtet vor allem die stigmatisierende Wirkung einer VS-Beobachtung. Beamte wie Polizisten und Lehrer oder auch Soldaten, die in der AfD als Mitglieder aktiv sind, würden zum Austritt getrieben, wenn sie nicht Sanktionen bis hin zum Karriereende riskieren wollten. In den Medien würde regelmäßig über „die vom Verfassungsschutz beobachtete“ Partei geschrieben, was erst bürgerlich-konservative Mitglieder und in der Folge potentielle Wähler nachhaltig abschrecken dürfte.
Übrig bliebe eine sich radikalisierende Restpartei, welche die anderen Parteien und Medien viel leichter kleinkriegen könnten als jetzt. Nur durch eine drastische Selbstdisziplinierung hält die engere AfD-Führung eine solche existenzgefährdende Entwicklung noch für verhinderbar: Die Alternativen hießen Mäßigung oder Untergang.
Robert Mühlbauer ist Publizist.