An diesem Freitag schob die Bundesregierung wirtschaftlich das Land an den Abgrund, es befindet sich nun an der bröselnden Abbruchkante. Auf den ersten Blick sieht es sogar nach Entschlossenheit und Triumph aus, dass die Bundesregierung auf Initiative des Weltökonomen und Mazzucato-Schülers Robert Habeck die PCK Raffinerie GmbH, das frühere Petrolchemische Kombinat in Schwedt, unter eine Treuhandaufsicht gestellt und vermeintlich gerettet hat. Doch wenn eines gilt, dann dies: Wen diese Regierung rettet, der ist rettungslos verloren. Habecks famose Rettung besitzt eine Vorgeschichte und ein Datum.
Das Datum lautet 1. Januar 2023. An diesem Tag will die Bundesregierung, getrieben von den Grünen und ihrem 17. Landesverband, der FDP, kein Erdöl mehr aus Russland abnehmen, mit anderen Worten die Erdölpipeline Druschba schließen. Andere Länder in Europa wie beispielsweise Ungarn agieren hier klüger und vorsichtiger.
Zum Fakt: Habecks Wirtschaftsministerium teilte mit, dass die Bundesregierung die Rohölimporteure Rosneft Deutschland (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur stellt. Das bedeutet, dass die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch die jeweiligen Anteile an den Raffinerien in Schwedt (PCK), Karlsruhe (MiRo) und Vohburg (Bayernoil ) übernimmt. Die Treuhandverwaltung wird ab Freitag wirksam und zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten haben die betroffenen Unternehmen zu tragen.
Rosneft wirft der Bundesregierung die „Zwangsenteignung” seiner deutschen Tochterfirmen vor und bezeichnet das Vorgehen der Bundesregierung als illegal. In der Stellungnahme von Rosneft heißt es: „Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut.“ Der russische Ölkonzern wird gegen die Entscheidung der Bundesregierung Rechtsmittel einlegen.
Auf dem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Usbekistan sagte währenddessen der russische Energieminister Alexander Nowak dem russischen Fernsehen, dass Russland das Erdgas, das es nach Europa verkauft hat, künftig nach China leiten wird. Die geplante Pipeline Kraft Sibiriens 2 werde die Ostseepipeline Nord Stream 2 ersetzen. Übrigens bauen Russland und China eine dritte Erdölpipeline. China hatte mit Beginn der Verschärfung der Sanktionen klargestellt, dass es stärker mit Russland zusammenarbeiten und stärker russische Waren – so auch Erdöl – importieren will.
Ziel könnte in der Tat auch die Enteignung des PCK sein. Dass die Enteignung möglich ist, dafür hat das Wirtschaftsministerium unter anderem mit der Novellierung des Energiesicherungsgesetzes die Grundlagen geschaffen, mit jener Novelle übrigens, die die Ausplünderung der Strom- und Gaskunden durch die Energiekonzerne ermöglicht und das Vertragsrecht schleift, indem letztlich die Energiekunden keine und die Energieanbieter alle Rechte besitzen. Vereinbarte Garantien gelten nicht mehr, von Robert Habeck mit einem Federstrich aus der Welt geschafft. Es könnte der Tag anbrechen, an dem niemand, weder im In- noch im Ausland, dieser Regierung vertraut, die sich die Dinge zurechtbiegt, wie sie sie braucht. Der Weg in die Habecksche Staatswirtschaft wird zur Rennstrecke.
Die Vorgeschichte: Sowohl Robert Habeck als auch Annalena Baerbock konnten nicht schnell genug aus Erdgasimporten aus Russland aussteigen – nun hat ihnen Putin den Gefallen getan. Durch Nord Stream 1 strömt kein Erdgas mehr nach Deutschland. Die Folgen kann jeder auf seiner Strom- und Gasrechnung, an den Preisen, aber auch an den Lücken in den Regalen der Supermärkte besichtigen; er kann aber auch einen Blick auf die Insolvenzen werfen, die natürlich keine Insolvenzen, sondern nur die Einstellung von Arbeit sind. Nun also Erdöl. Nun wird in Habecks neuer Staatswirtschaft das Erdöl knapp werden – und mit ihm das Kerosin, das Heizöl, das Benzin und viele Produkte, zu deren Grundlagen Erdöl gehört. Kunststoffe beispielsweise.
Zweimal fuhr Robert Habeck nach Schwedt, weil er vermeinte, seine hübschen Geschichtchen werden die Arbeitnehmer in Schwedt überzeugen. Doch in Schwedt hatte er nicht die primaklimabewegten Kinder der Bionade-Bourgeoisie vor sich, sondern realistisch denkende Ostdeutsche, die seinen Groschenromänchen nicht folgen wollten und die das Habecksche Prinzip leerer Hoffnung nicht betört, denn sie wissen, dass das Benzin nicht in den Zapfhähnen der Tanksäulen entsteht, Lebensmittel nicht im Supermarkt wachsen und der Strom nicht von Fernsehern erzeugt wird.
Da sich aber die Bundesregierung leichtfertig und ohne Not auf das Erdöl-Embargo festgelegt hatte, musste für Schwedt im doppelten Sinne eine Lösung gefunden werden, erstens in der Frage, wie der Bedarf an Benzin, Heizöl und Kerosin für Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, für die Autos und Flugzeuge und Hubschrauber – auch Rettungshubschrauber, auch Notarztwagen – für das mitteldeutsche Chemiedreieck gedeckt werden kann, und zweitens, was aus den Beschäftigten des PCK und seiner Zulieferbetriebe wird. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nannte die Raffinerie in Schwedt „Herz und Rückgrat“ in der brandenburgischen Uckermark. Wenn das stimmt, siecht die Region womöglich bald dahin, so ohne „Herz“, so ohne „Rückgrat“.
Während Habecks Staatsekretär Patrick Graichen, der Hohepriester der Windkrafträder, Deutschlands Energiesicherheit durch die Energiewende und die Weigerung, die AKWs am Netz zu halten, zerstört, legt nun dessen Schwager, Habecks zweiter Staatsekretär Michael Kellner, ein studierter Politikwissenschaftler und Grünenfunktionär, die Axt an die Versorgung der deutschen Wirtschaft und Haushalte mit Produkten, für deren Herstellung Erdöl wichtig ist. Kellner, der beauftragt wurde, ein Konzept für Schwedt zu erstellen, arbeitete dem Vernehmen nach so schnell und so effizient, dass der brandenburgischen Landesregierung am Anfang September der Geduldsfaden riss und sie drohte, aus der gemeinsamen Taskforce zur Zukunft der Raffinerie auszusteigen. Bis dahin sollen erst zwei Sitzungen der Taskforce stattgefunden haben.
Brandenburgs Ministerpräsident wollte endlich Ergebnisse sehen. Doch Habecks Spezialität sind eben nicht Lösungen, sondern Ankündigungen, zumal er tatsächlich zu glauben scheint, dass jedes Problem sich allein dadurch erledigt, dass er es anspricht, und dass sich die Wirklichkeit nach seinen Worten richtet. Deshalb pampte der sich unverstanden Fühlende in einem Brief an die Finanzministerin Brandenburgs, Katrin Lange, und den brandenburgischen Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, aus dem ntv zitiert: „Offensichtlich sind Sie nicht umfänglich über den neuesten Stand informiert. Es liegt Ihrer Landesregierung ein Vorschlag über ein umfängliches Transformationsprogramm vor, mit dem wir den Standort in der schwierigen Lage unterstützen und Arbeitsplätze sichern wollen … Der Ball liegt also in Ihrem Feld, und wir würden uns sehr über eine konstruktive Zusammenarbeit freuen.“ Wenn Grünen-Politiker, die ohnehin die besten Menschen der Welt sind, weshalb jeder Kritiker sich durch seine Kritik sofort als böser Rechter outet, eine Kunst wie nichts sonst auf der Welt beherrschen, dann die, den Schwarzen Peter für eigene Fehlleistungen anderen zuzuschieben.
Das Wirtschaftsministerium lieferte zwar nicht, schuld war aber nicht das Wirtschaftsministerium, sondern diejenigen, die Resultate verlangten. Die sich wiederholende Verwendung des Wortes „umfänglich“ signalisiert deutlich die Ausrede und erinnert an einen Knaben, der vertuschen will, dass er seine Hausaufgaben nicht erledigt hat. Habecks Brief widersprach laut ntv die brandenburgische Finanzministerin Katrin Lange: „In Berlin ist der Groschen offenbar immer noch nicht gefallen. Ich werde mir dieses Trauerspiel auf Kosten von Land und Leuten nicht mehr sehr viel länger mit ansehen.“ Der Arbeitsgruppe liege kein umfängliches Transformationsprogramm vor. „Und der Bund hat nach wie vor nicht verstanden, dass es jetzt nicht vorrangig um die Transformation, die Jahre oder Jahrzehnte dauert wie in der Lausitz, sondern um die Sicherung von Produktion und Beschäftigung in Schwedt geht, die ab Dezember auf dem Spiel stehen.“
Ntv berichtet, dass „Brandenburg … zuvor in einem Brief an Habeck bereits moniert“ hatte, dass „verlässliche und schriftliche Aussagen des Bundes, wie der Standort gesichert und die Folgen des Embargos abgefangen werden könnten“, fehlten. Sie müssen auch fehlen, denn es gibt sie nicht, bis heute nicht. Es werden rosige Zukunftsbildchen gepinselt, weil konkrete Lösungen fehlen. Habeck lenkte wolkig ein, dass die Lage in Schwedt schwierig sei und sie deshalb „unentwegt daran“ arbeiten würden, „Lösungen zu finden“. Unterm Strich wieder keine Lösungen, sondern wie immer nur Ankündigungen, wie immer nur Schall und Rauch.
Aus dem Landtag hört man, dass angeblich der Gesprächsfaden zwischen Lange und Habeck gerissen sei, weil sich Lange nicht länger hinhalten lassen wolle. Bestätigt wurde das allerdings nicht. Katrin Lange hatte bereits am 11. August dem Tagesspiegel gegenüber gesagt: „Ich habe mich nie grundsätzlich gegen Sanktionen ausgesprochen. Aber ich stelle mir zwei Fragen: Wirken die Sanktionen? Und welche Folgen haben sie für uns? Das sind sehr legitime Fragen. Ja, mit dem einseitigen Boykott russischen Pipeline-Öls hadere ich. Denn davon hängt die Zukunft der PCK-Raffinerie in Schwedt und die Versorgung in Ostdeutschland ab.“ Lange hatte vollkommen zu Recht angemerkt – und war dafür in die Kritik geraten: „Deswegen wird man schon einmal innehalten und fragen müssen, ob ein ‚Weiter so‘ hier wirklich der richtige Weg ist, zumal die Kosten und Schäden für uns selbst, für Gesellschaft, Wirtschaft und die Bürger immer höher werden.“
Und nun? Das Bundeswirtschaftsministerium gab am Freitagmorgen bekannt, dass die Rohölimporteure Rosneft Deutschland (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt werden. Zur Stunde ist weder klar, woher das Erdöl kommen soll, wenn die Russen die Lieferungen einstellen oder ihnen ab 1. Januar 2023 kein Erdöl mehr abgenommen wird. Noch gibt es keine belastbare Antwort auf die Frage, wie von Tankern angeliefertes Erdöl nach Schwedt oder nach Sachsen und Sachsen-Anhalt, nach Hartmannsdorf, nach Böhlen, nach Leuna kommt. Zwar existiert eine Pipeline vom Rostocker Hafen, doch laut Bundeswirtschaftsministeriums deckt das nur 48 bis 60 Prozent der PCK-Raffinerieauslastung ab. Ob „damit die Raffinerie wenigstens auf Minimallast“ gefahren werden könnte, steht in Frage, denn die Annahmen des Ministeriums könnten sich als zu optimistisch herausstellen, weil die absolute Untergrenze für den Betrieb der Raffinerie eine Ölmenge von wenigstens 60 Prozent verlangt. Ob diese konstant oder überhaupt erreicht werden kann, steht in den Habeckschen Sternen.
Zu Recht fordert daher Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach: „Die Ertüchtigung der Pipeline ist der wichtigste Schritt, um so schnell wie möglich eine Auslastung der PCK Raffinerie zu erreichen, die sich dem Niveau des Betriebes vor Kriegsbeginn nähert.“ Das sieht man sogar auch im Bundeswirtschaftsministerium. Für das Bundeswirtschaftsministerium ist es „essentiell“, dass die Raffinerie schnell zu 75 Prozent ausgelastet wird. Die Rostocker Pipeline sei nur im Notfall, niemals jedoch im Dauerbetrieb genutzt worden.
Das Desaster, aus dem sich Habeck träumt: Die notwendige Erneuerung der Pipeline wird mindestens zwei, wenn nicht drei Jahre dauern, auch muss der Rostocker Hafen für die großen Tanker ausgebaggert werden. Was geschieht in den mindestens zwei Jahren, die der Bau in Anspruch nimmt? Und das ist mit Blick auf den Berliner Flughafen, der Elbphilharmonie oder dem Stuttgarter Bahnhof eine optimistische und wohlwollende Schätzung. Hört Ostdeutschland in den zwei Jahren auf zu fahren, zu produzieren, zu leben, denn insolvent würden die Unternehmen, die mangels Treibstoff nicht mehr produzieren könnten, nicht, sie würden nur nicht mehr arbeiten, sie wären aus „ethischen Gründen“ nur heruntergefahren worden. Und was ist mit dem Heizöl?
Der Bund und das Land wollen die Investitionen für den Bau schultern, weil Investoren aus der Ölbranche abgewunken haben. Wie gesagt, dass einzige, was Robert Habeck beschleunigt, ist die Transformation der Sozialen Marktwirtschaft in die unsoziale Staatswirtschaft, klimaneutrale Gesellschaft genannt. Doch die klimaneutrale Gesellschaft ist in Wahrheit eine industrieneutrale Gesellschaft.
Die Lösungen, die das Bundeswirtschaftsministerium vorschlägt, klingen nach dem berühmten Pfeifen im Wald, denn, dass die erforderliche Mengen, wenn sie denn in Rostock angeliefert werden sollten, durch Fließverbesserer durch die Pipeline gepresst werden können, darf bezweifelt werden. Bleibt also nur, das fehlende Erdöl über eine Pipeline, die vom Danziger Hafen nach Schwedt führt, zu ersetzen. Habeck hatte bereits im Sommer in Schwedt verkündet, dass Erdöl auch über den Hafen in Danzig geliefert werden könnte; das habe er mit seiner polnischen Kollegin Anna Moskwa besprochen. In der Art besprochen, wie in Katar seinerzeit die Erdgaslieferungen besprochen worden sind? Denn aus Polen hört man nichts über Habecks Plan, nichts über eine Zusammenarbeit in Sachen Erdöl, nichts außer einer hohen Forderung an Reparationen. Weshalb bringt Polen ausgerechnet im September 2022 die Forderung nach Reparationen in der Größenordnung von 1,3 Billionen Euro ins Spiel?
Der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, kündigte am 1. September an: „Heute wird im Warschauer Königsschloss die Entscheidung getroffen und endgültig verkündet, dass Polen Kriegsreparationen beantragen wird, Reparationen für alles, was die Deutschen in Polen in den Jahren 1939 bis 1945 getan haben.“ Wird sich die Bundesregierung, die bis jetzt noch die polnischen Reparationsforderungen ablehnt, den polnischen Wünschen verschließen können, wenn die Belieferung von Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen, wenn Privathaushalte und Unternehmen von Lieferungen aus Schwedt mit Produkten aus Erdöl vom polnischen Wohlwollen abhängig sind? Man beklagt einerseits die Abhängigkeit von Russland? Ist es anderseits klug, sich von Polen abhängig zu machen? Ist es nicht politischer Hasard?
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Olaf Scholz, Robert Habeck und Dietmar Woidke hatte der Bundeskanzler verkündet: „Die Hängepartie ist zu Ende.“ Da Russland kein zuverlässiger Partner mehr sei, hätte die Bundesregierung eine „weitreichende energiepolitische Entscheidung zum Schutz unseres Landes“ getroffen. De facto hatte es bisher noch keine Lieferausfälle von russischem Erdöl gegeben, das mag der Bundeskanzler vielleicht nicht mehr zu erinnern. Im Grunde erweist sich Deutschland in diesem Fall als unzuverlässiger Partner.
Der Bundeskanzler versprach, dass kein Arbeitnehmer in Schwedt Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss. Habeck pflichtete Scholz mit den Worten bei: „Mit diesem Tag heute kann man sagen: Der Standort ist gesichert und die Zukunft für Schwedt wird erarbeitet.“ Wer ist in diesem Zusammenhang „man“? Und wieso ist die Zukunft für Schwedt noch nicht erarbeitet, sondern wird sie erst erarbeitet? Wann? Am Sankt Nimmerleinstag? Dietmar Woidke betonte tapfer: „Keiner muss sich Sorgen machen, dass er seine Hauskredite und Rechnungen nicht bezahlen kann.“ Glaubt er das wirklich? Die Entscheidung der Bundesregierung könnte schon sehr bald zu einem weiteren Inflationsschub, zu einer Verteuerung von Energie, von Heiz- und Kraftstoffen führen und auch dazu, dass sich der Bürger dann sehr wohl „Sorgen machen“ muss, dass „er seine Hauskredite und Rechnungen nicht bezahlen kann“.
Scholz gab die Losung aus: „Wir wollen jetzt die Chancen nutzen, die sich aus diesen Entscheidungen ergeben. Die Hängepartie ist zu Ende.“ Und, könnte man hinzufügen: Der feie Fall hat begonnen.
Das, was die drei Politiker verheißen, klingt wie immer schön, doch können die blumigen Ankündigungen nicht die vielen Fragen verdecken, die sich stellen. Habeck sagte nicht, dass die Zukunft gesichert sei, sondern dass sie erarbeitet werde. Woidke redete nebulös über die klimaneutrale Transformation. Sollen in Schwedt Windkrafträder raffiniert werden?
An dieser Stelle zeigt sich ein fatales, ruinöses Handlungsmuster des Bundeswirtschaftsministers, nämlich eine Entscheidung zu treffen, und erst danach über die Folgen nachzudenken, darüber, wie man die Probleme, die aus der Entscheidung resultieren, lösen könnte. Kluge Politik verfährt andersherum, kluge Politik sichert die Entscheidungen erst ab, bevor sie diese trifft und veröffentlicht. Bevor man sich dem Erdölembargo anschließt, hätte die Regierung, hätte der Bundeswirtschaftsminister ein Konzept zur Lösung der erwartbaren Probleme erarbeiten müssen. Das Konzept, der Plan scheint bis heute nicht zu existieren oder man verwechselt die Sammlung poesiealbumaffiner Lyrismen mit einem konkreten Szenario, was wann konkret wie zu tun ist. Aber im Bundeswirtschaftsministerium lebt man anscheinend von der Hand in den Mund und verfährt nach dem Habeckschen Prinzip leerer Hoffnung.
Schwedts Zukunft ist eben nicht gesichert, sie muss erst „erarbeitet“ werden, sagt selbst Habeck. Scholz versprach, dass im Rahmen eines Zukunftspakets eine Milliarde Euro in Schwedt, in das mitteldeutsche Chemiedreieck und in die Häfen in Mecklenburg-Vorpommern fließen sollen. Die Gelder kämen über mehrere Jahre vom Bund und von Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Schwedt solle Mittel in Höhe von 825 Millionen Euro bekommen. Das klingt viel, doch die Summe wird über 15 Jahre gestreckt, das heißt, es ist zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig, doch vielleicht reicht sie aus für das langsame Sterben einer Region. In Schwedt wissen sie, dass nun die Treuhand das Sagen hat – und in Ostdeutschland wissen sie auch, was das konkret bedeutet.
Zudem wurde die Tätigkeit der Treuhand auf sechs Monate beschränkt. Und dann? Wer löst dann die vollmundigen Versprechen von Scholz, Habeck und Woidke ein? Was nützt es dann, an die jetzt so freigiebig erteilten Beruhigungen zu erinnern? In Schwedt herrscht zu Recht Skepsis. Ein Mitarbeiter dürfte die Stimmung der Beschäftigten des PCK treffen, wenn er dem rbb sagte: „Wir werden schon genug beschissen, von vorne bis hinten abgezogen, jetzt wollen sie das nochmal nutzen, um uns nochmal eine reinzuwürgen.“ Die Landrätin der Uckermark, Karina Dörk (CDU), wandte ein: „Jetzt muss eine der erfolgreichsten europäischen Raffinerien, die jährlich 1,5 Milliarden Euro Energiesteuer und 500 Millionen Umsatzsteuer bezahlt und die seit Jahren Millionenbeträge in Umwelt- und Sicherheitstechnik investiert hat, mit circa einer Milliarde Euro Steuergeld gestützt werden.“
Der Fraktionschef der CDU im Landtag, Jan Redmann, monierte: „Wir wissen, dass dafür die Pipeline nach Rostock erst in ein bis zwei Jahren ausreichend Kapazitäten besitzt. Mit Danzig gibt es aber noch keine verbindlichen Verträge.“ Philip Zeschmann von der Fraktion von BVB/Freie Wähler wies daraufhin, dass eine dauerhafte Garantie nur möglich sei, wenn auch die Arbeitsgrundlagen gewährleistet bleiben: „Hierzu gehört eine Absage an den von der Bundesregierung geplanten Importstopp russischen Öls ab 2023. Dies kann sich das PCK, das kann sich Brandenburg nicht erlauben.“
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke notträumt derweil im ZDF-Interview vom synthetischen Kerosin. Er will so gern die vielen Windkraftanlagen, mit denen die Uckermark verschandelt und zugepflastert wurde, nutzen, um in Schwedt synthetisches, klimaneutrales Kerosin zu produzieren. Außer den ungedeckten Schecks auf eine erträumte und vielleicht halluzinierte Zukunft bestand Woidkes Statement vor allem darin, immer wieder darauf hinzuweisen, dass nicht das Land Brandenburg die Verantwortung für die Entscheidung und für die Folgen trüge, sondern der Bund. Im Interview wurde Dietmar Woidke mit der Einschätzung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretzschmer konfrontiert, der die Treuhand-Entscheidung für einen großen Fehler hält, den die Bürger und Unternehmer noch teuer werden bezahlen müssen.
Deutschland werde in eine weitere Mangellage und in weiter steigende Preise an den Tankstellen hineinlaufen, denn es sei vollkommen klar, dass man das russische Öl kurzfristig nicht ersetzen könne. Er warf der Bundesregierung vor, Ideologie über die Interessen des Landes zu stellen. Woidke hingegen rang sich zu der Antwort durch: „Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung heute die richtige Entscheidung war.“ Er sagte nicht, dass die Entscheidung richtig ist, sondern nur, dass er davon ausgehe.
Der 16. September 2022 ist ein weiterer schwarzer Tag in einem grünregierten Land, in dem die Tage immer schwärzer werden.