Tichys Einblick
Willige Exekutive und willige Untertanen

Deutschlands Gesundheitsfürsorge im historischen Vergleich

Ein Vergleich der staatlichen Gesundheitsfürsorge im NS-Regime, der DDR und der heutigen Bundesrepublik offenbart zumindest in einer Hinsicht eine erstaunliche Kontinuität. Von Johannes Eisleben.

Reihenuntersuchung im Kindersanatorium Bad Muskau, DDR, 1987

imago images / Werner Schulze

Das Thema der staatlichen Gesundheitsfürsorge in modernen deutschen Staaten wird eher selten betrachtet. Wie der Umgang mit der SARS-Cov2-Pandemie zeigt, gibt es in Deutschland seit der Zeit der NS-Usurpationsherrschaft erstaunliche Kontinuitäten in diesem Bereich: NS-Eugenik, DDR-Primärprävention und moderne COVID-19-Gesundheitspolitik weisen interessante Parallelen auf. Worin bestehen diese? Schauen wir uns beispielhaft diese drei wichtigen Programme der Nazis, der DDR und der Berliner Republik an.

Ein furchtbarer Aspekt der NS-Usurpationsherrschaft war die “Vernichtung lebensunwerten Lebens” in den Eugenik- und Euthanasieprogrammen der Nazis wie dem Zwangssterilisierungsgesetz, dem Programm T4 oder der “Aktion Brandt”. Es wurden in Deutschland bis 1945 zwischen 300.000 und 400.000 Menschen zwangssterilisiert, bei den Vernichtungsaktionen töteten die Nazis von 1940 bis zum Kriegsende mindesten 100.000 Behinderte, Geisteskranke und Alte. Die Maßnahmen wurden seitens der Exekutive mit großer Konsequenz geplant und von den beteiligten Berufsgruppen wie Ärzten, Krankenschwestern und -pflegern und Sanitätern gehorsam ausgeführt. Bürger (hier eigentlich Untertanen) denunzierten auch geisteskranke oder oligophrene (minderintelligente, geistig behinderte) Menschen, um sie den Programmen zuzuführen. Zahlreiche Wissenschaftler sprachen sich für die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Maßnahmen aus.

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Dabei berücksichtigten sie weder die absolute moralische Verwerflichkeit der Ziele der Programme noch deren vollständige biologische Unwirksamkeit. Denn aus dem damaligen Stand der Forschung ging klar hervor, dass Vernichtungsaktionen zwar die Prävalenz (bestehende Fälle), aber weder diese noch Zwangssterilisierungen die Inzidenz (Neufälle) von Oligophrenie oder Geisteskrankheit senken können: Die Genetik vieler monogenetischer Erbkrankheiten war nicht bekannt, so dass gesunde Überträger gar nicht identifiziert werden konnten, und bei polygenetischen Erbkrankheiten oder Geburtsdefekten ist das Auftreten von Behinderungen und Geisteskrankheiten ein Zufallsereignis, das nicht gesteuert werden kann. Dies war allen Genetikern und Biologen der Zeit bekannt, doch hat die Wissenschaft das Programm im Wesentlichen unterstützt. Nur privat wurden Zweifel ausgetauscht. Die Programme waren moralisch ein Desaster und haben ihre Ziele selbstverständlich verfehlt, wie biologisch zu erwarten war.

Die Hauptcharakteristika dieser Programme waren: Moralische Verwerflichkeit (sie waren ein Ausdrucken des absoluten Bösen), klarer exekutiver Wille, perfekte Ausführung durch das System, willige Mitarbeit der Untertanen und totale Sinnlosigkeit zur Erreichung der amoralischen Ziele.

Zwangsprävention in der DDR

Die zwei wichtigsten Maßnahmen zur primären Prävention in der Medizin sind Impfung und diagnostisches Screening. Beides war in der DDR Pflicht, es bestand Impfzwang gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Masern und Tuberkulose. Da die Impfungen in Kinderbetreuuungseinrichtungen durchgeführt wurden und fast alle Kinder in diese geschickt wurden, waren die Impfquoten sehr hoch, die genannten Infektionskrankheiten waren so gut wie ausgerottet. Auch das Krebsscreening war verpflichtend, beispielsweise PAP-Abstriche zur Früherkennung des Zervixkarzinoms (Gebärmutterhalskrebs), das bei Früherkennung fast immer geheilt werden kann. Diese Präventionsprogramme waren von der Exekutive detailliert geplant und wurden von Ärzten und Pflegeberufen mit großer Sorgfalt ausgeführt, die Bevölkerung beteiligte sich bereitwillig. Daher gab es in der DDR kaum Todesfälle durch das Zervixkarzinom. Die Zwangsprävention in der DDR war totalitär, aber medizinisch-epidemiologisch sehr sinnvoll und wirksam – viel wirksamer als in der Bundesrepublik, wo nur Empfehlungen ausgesprochen werden. Die Hauptcharakteristika der Programme waren: Moralische Wünschbarkeit, klarer exekutiver Wille, perfekte Ausführung durch das System, willige Mitarbeit der Untertanen und große Zweckmäßigkeit zur Erreichung der moralisch positiven Ziele.

Corona-Politik in der Berliner Republik

In der Bundesrepublik hat noch kein Ereignis Gesundheitspolitik so ins Rampenlicht gerückt wie derzeit die sogenannten Corona-Krise – nicht einmal die AIDS-Epidemie in den 1980er Jahren. Was beobachten wir? Wir haben es mit der neuen Mutation eines Mitglieds der Familie der Betacoronaviridae zu tun. Die Letalität des Virus bewegt sich im Rahmen bisheriger Grippe-Pandemien der letzten 60 Jahre (0,1-0,2% Letalität). Wir wissen, dass sich per Tröpfcheninfektion übertragene Viren nur durch Durchseuchung der Bevölkerung aufhalten lassen, was bedeutet, dass sich 60-80% der Bevölkerung anstecken müssen, damit die Epidemie endet, sofern kein wirksamer und sicherer Impfstoff verfügbar ist (was, wenn es überhaupt einen geben wird, bei SARS-Cov2 noch Jahre dauern wird).

Doch anstatt die von der Virusbiologie vorgegebenen sinnvollen Maßnahmen zu vollziehen, wie die Schweden es vormachen, setzt unsere Regierung wesentliche Teile der Grundrechte außer Kraft und schaltet etwa die Hälfte der Wirtschaftsleistung ab. Die Vorgaben wurden (zumindest auf Landesebene des jeweiligen Bundeslandes, aber nicht länderübergreifend) genau geplant und perfekt umgesetzt. Die Bürger beteiligen sich bereitwillig und denunzieren auch Nachbarn und Mitbürger, sie wurden über Nacht wieder von Bürgern zu Untertanen. Und wie damals stimmen führende Wissenschaftsverbände den Maßnahmen zu – mit unwissenschaftlichen Begründungen: Es sei nicht sicher, ob sich gegen das Virus eine Immunität bilde (was Unsinn ist, man kann die IgG Antikörper gegen das Virus nachweisen – gäbe es keine Immunität, stürben alle Infizierten am Virus wie bei Tollwut) und das Virus verursache vielleicht unbekannte Folgeschäden (was ebenfalls falsch ist und der klinischen Erfahrung vollkommen widerspricht).

Autokraten brauchen Staatsfeinde
Studie aus dem BMI Teil 6: Vom „Klima-Leugner“ zum „Corona-Leugner“
Mit anderen Worten: Die Wissenschaftsverbände erstellen politisch motivierte Gefälligkeitsgutachten. Keiner der beteiligten Politiker, Exekutivbeamten, Untertanen oder Wissenschaftler wägt die objektive Wirksamkeit der Maßnahmen gegen die Folgeschäden ab. Doch durch die Maßnahmen wird kein Leben gerettet, da beim Versagen des Immunsystems (hohes Alter, Vorschädigung) keine Therapie hilft, eine Verbreitung des Virus auf Dauer nicht verhindert werden kann (oder früher oder später 60-80% der Bevölkerung infiziert werden) und es für die ganz wenigen jungen COVID-19-Patienten, die eine Chance haben, die Intensivtherapie zu überleben, genug Betten gibt: Die Habenseite ist also gleich Null. Auf der Sollseite stehen mehr häusliche Gewalt, Suizide, Folgeschäden und Tote durch verschleppte Diagnostik und Therapie sowie im Winter Tod durch Erfrieren bei Obdachlosen, deren Anzahl durch die bereits einsetzende Wirtschaftskrise stark steigen wird. 10- bis 20.000 „Passivtote“ könnten schon zusammenkommen. 

Die Hauptcharakteristika des Programms sind: Moralische Wünschbarkeit, klarer exekutiver Wille, perfekte Ausführung durch das System, willige Mitarbeit der Untertanen und totale Sinnlosigkeit zur Erreichung der moralisch positiven Ziele.

Kontinuität in Deutschland

Was haben alle drei Programme gemeinsam? Einen klaren exekutiven Willen, perfekte Ausführung und willige Mitarbeit der Untertanen. Die Unterschiede bestehen in der moralischen Wünschbarkeit (DDR/Bundesrepublik: vorhanden, NS-Regime: nicht vorhanden) und der Sinnhaftigkeit zur Zweckerfüllung (DDR: vorhanden, Bundesrepublik/NS-Regime: nicht vorhanden). Was ist daraus zu lernen? Soziale Normen, Sitten und Gebräuche, die die Schnittmenge der Programme ausmachen, haben eine sehr lange Dauer. 50 Jahre westsozialistische Umerziehung nach 1968 haben die Deutschen im Kern anscheinend genauso wenig verändert wie 12 Jahre NS-Propaganda und -Terror oder die 40 Jahre vergleichbarer Totalstaatlichkeit der DDR.

Der einzige Trost ist dieses Mal, dass fast alle Nationen denselben Fehler machen wie wir, nur – abgesehen von den Schweizern, die erstmals seit 1945 wieder ihre Grenze zu Deutschland militärisch absichern – vielleicht nicht ganz so perfekt und mit weniger Denunziation.

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