Tichys Einblick
"Deutsche Staatsräson"

Deutschlands Verantwortung gegenüber Israel

Seit dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel hätte die Bundesregierung die Gelegenheit zu zeigen, was genau sie unter der Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson versteht. Nicht nur außenpolitisch: Während Zahlungen an die Palästinenser selbstverständlich auf den Prüfstand müssen, stellt sich die eigentliche Aufgabe im Innern.

Schweigeminute im Deutschen Bundestag zur Lage in Israel, Berlin, 11.10.2023

IMAGO / Political-Moments

»Die Sicherheit Israels ist und bleibt deutsche Staatsräson«, so Annalena Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch in Israel im Februar 2022. Ein Satz, den sie nun wiederholt hat, dessen konkrete Bedeutung jedoch mehr als unklar ist: Seit dem perfiden Angriff der Hamas auf israelische Kibbuzim, Dörfer und ein Rave-Festival im Süden Israels, bei dem nach derzeitigem Stand über 1000 Männer, Frauen, Säuglinge, abgeschlachtet wurden, hätte die Bundesregierung die Gelegenheit zu zeigen, was genau sie darunter versteht. Und das nicht nur außenpolitisch: Denn während Zahlungen und Hilfsleistungen an die Palästinenser selbstverständlich auf den Prüfstand müssen, stellt sich die eigentliche Aufgabe im Innern.

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Durch fast alle Parteien hindurch, über alle gesellschaftspolitischen Akteure hinweg muss sich die deutsche Öffentlichkeit einem unverzeihlichen Versäumnis stellen: Jahrzehntelang hat man sich damit begnügt, die aus dem Holocaust resultierende Verantwortung gegenüber Israel und jüdischem Leben mit Gedenkveranstaltungen und wortgewaltiger Rhetorik einzulösen – mit besten Absichten, keine Frage. Eine Gedenkkultur, die sich auf die Nachfahren von Tätern konzentriert, entfaltet jedoch zwangsläufig schon nach wenigen Generationen kaum noch Wirkung – völlig ungeeignet ist diese Art und Weise der Verantwortungsübernahme, um Menschen mit Migrationshintergrund zu sensibilisieren, und die „Staatsräson“ Israel im Selbstverständnis der Menschen zu verankern.

Was aber bringt eine Staatsräson, die im Bewusstsein des Volkes in seiner gegenwärtigen Gestalt überhaupt keinen Halt findet? Man hat zugelassen, dass in Deutschland eine signifikante Anzahl an Mitbürgern mit Migrationshintergrund tiefsitzende antisemitische Ressentiments pflegt, die in migrantischen Echokammern nicht hinterfragt werden. Konservative zeigten zumeist kein gesteigertes Interesse daran, die sich langsam verfestigenden sozialen Ghettos aufzubrechen, und beließen es mit Hinweis auf die „Bringschuld“ von Migranten dabei, sich über mangelnde Integration lediglich zu beklagen. Linke Kreise indes haben dieses Gedankengut bereitwillig befeuert und legitimiert – konnte man doch das ewige schlechte Gewissen am besten beruhigen, indem man muslimischen Opfererzählungen das Wort redete und dieser Bevölkerungsgruppe jegliche Eigenverantwortung absprach.

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Das Ergebnis dieser desinteressierten und inkompetenten Politik sehen wir nun auf den Straßen deutscher Großstädte: Propalästinensische Demonstrationen, Gruppierungen, die Süßigkeiten verteilen, um das Massaker an israelischen Bürgern zu feiern, Menschen, die in Interviews völlig freimütig und sichtlich stolz davon erzählen, wie sie den Anschlag der Hamas „zuhause gefeiert“ hätten.

Machen wir uns nichts vor: Selbst wenn der eine oder andere Verein verboten wird – Deutschland kann keine überzeugende Lösung für dieses Problem vorweisen. Wir stehen dem Hass, wir stehen dem Ressentiment und der Gewaltbereitschaft fassungs- und hilflos gegenüber. Man hat zu lange zugesehen, wie sich Parallelwelten konstituierten, und kann ihnen aufgrund der eigenen inneren Zerrissenheit auch nichts entgegensetzen. Jede Kritik war jahrelang sofort als „rechts“ und „rechtsextrem“ verworfen worden: die besorgten Berichte, dass „Jude“ als Schimpfwort auf Schulhöfen üblich sei, dass jüdische Mitbürger mit Kippa oder Davidsstern Anfeindungen ausgesetzt waren.

Die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen, die doch für jedermann ein sichtbares Zeichen dafür sind, dass Juden in Deutschland nicht selbstverständlich unbehelligt leben können: All das schien nicht dringlich genug. Ein muslimisches Milieu, das sich gleichzeitig in der eigenen Opfermentalität suhlt, und mit hoher Effizienz eigene Ansprüche durchsetzt, steht einer Mentalität gegenüber, die Menschen anderer Kulturkreise grundsätzlich nicht ernstnimmt, und vor allem als Projektionsfläche benützt. Ein Mindset, das von der universalen Gültigkeit des eigenen Pazifismus auch dann noch überzeugt ist, wenn man die Faust des Anderen bereits im Gesicht spürt.

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Israel ist nicht auf deutsche Marschflugkörper oder Panzer angewiesen (wahrscheinlich könnten wir ohnehin nur Helme schicken); Israel braucht auch keine kondolierenden oder wertschätzenden Worthülsen. Israel braucht vor allem eine Innenpolitik, die vor der eigenen Haustür kehrt: Jahrzehntelanges politisches Versagen muss endlich offen benannt und anerkannt werden. Vorher ist ein Umlenken unmöglich: durch Bildung, die deutsche Schuld zeitgemäß kontextualisiert, durch faire, aber konsequente Strenge, die allein verstanden wird in Kreisen, die über den verweichlichten Westen lachen.

Durch Verbote von gewaltverherrlichenden Vereinen und durch konsequenten Widerspruch: Antisemitismus darf nicht verschämt oder feige hingenommen werden, darf nicht als Ausdruck fremder Kulturen respektiert werden. Vor allem aber müssen jene entlarvt werden, die den alltäglichen und tiefsitzenden muslimischen Antisemitismus unter dem Deckmantel von Israelkritik oder Antidiskriminierung ideologisch unterfüttern und rechtfertigen: Da sind die eigentlichen geistigen Brandstifter, denen man das Handwerk legen muss.

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