Familienchroniken über das 20. Jahrhundert starten oft zwischen 1910 und 1913. Hans Fallada lässt seinen Mann, der nach oben will, dort starten – Cora Stephan ihr Familienporträt „Über alle Gräben hinweg“. Das macht Sinn. Denn es waren in der Erinnerung vieler die letzten Tage der „guten alten Zeit“, die zumindest sie als unbeschwert erlebt haben. Familienchroniken über das 21. Jahrhundert werden spätestens 2019 starten müssen – dem letzten Jahr, bevor der Corona-Wahnsinn losging und die Angst zur wichtigsten bis einzigen Triebfeder unseres Handelns.
Doch schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine Sehnsucht nach Weltuntergang, das „Fin de Siècle“. Auch vor Corona sehnten sich die Deutschen bereits nach dem Leben im Ausnahmezustand. Sie beschlossen es sogar: Rund 60 deutsche Städte sind seitdem im „Klimanotstand“. Ununterbrochener Ausnahmezustand seit vier Jahren. In einem Interview mit dem Lokalportal BYC darauf angesprochen, sagte der damalige Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling seinerzeit, das sei ein schönes Zeichen. Die praktischen Abläufe würde es ja nur wenig genug stören. Ebling ist Sozialdemokrat.
Allein dieses Wochenende brachte drei Wellen des anstehenden Weltuntergangs mit sich: Die Sorge, dass die russischen Atomwaffen in die Hände von unberechenbaren Söldnern fallen. Dass wir alle den vorzeitigen Hitzetod sterben. Und dass Sonneberg in Thüringen nun in die Hände der Nazis fallen wird.
Ein Ereignis eint die Welt: Was da am Samstag zwischen Don und Wolga passierte, hatte tatsächlich das Zeug dazu, in eine größere Katastrophe zu münden. Doch auch so schwächt der Krieg Russlands gegen die Ukraine schon die Wirtschaft weltweit. Allerdings mit Ausnahme von Russland nirgendwo so stark wie in Deutschland, das im Wachstum der Industriestaaten fast ganz nach hinten gerutscht ist. Ohnehin ist die Panikmache die Spezialität der Erfinder der „German Angst“, ein fester Begriff in den Wörterbüchern vieler fremder Sprachen.
Von Sonneberg erwarten die deutschen Linken – ganz besonders die Anhänger der Zukunftskoalition – nicht weniger als die Machtübernahme der Rechten. Würde stimmen, was sich die Woken seit Sonntag um die Ohren twittern, dann zieht Landrat Robert Sesselmann (AfD) an diesem Montag mit Fackeln und Anhängern durchs Brandenburger Tor, tritt am Dienstag aus dem Völkerbund aus und marschiert am Mittwoch in Polen ein. Oder wenigstens in Schmalkalden.
Da wäre dann noch Greta Thunberg. Die schwedische Prophetin des Untergangs, die nirgendwo auf so gläubige und zahlungsbereite Jünger trifft wie in Deutschland. Sie verkündete schon 2018, dass die Menschheit in fünf Jahren untergehen wird. Wer zur Minderheit gehört, die rechnen kann, weiß: Das müsste dann jetzt sein. Aber der Weltuntergang ist ein Meister aus Deutschland; das heißt er wird mit DHL oder Bahn geliefert und kommt folglich unpünktlich.
Das wird ein spannendes Rennen: Sterben wir alle den Hitzetod? Hat das Klima vorher ein Einsehen und macht uns das Leben noch dieses Jahr unmöglich, wie es Prophetin Greta versprochen hat? Oder kommt es noch schlimmer und wir müssen vorher erst eine weitere Staffel von Deutschland sucht den Superstar überstehen? Sicher ist nur: Der Weltuntergang kommt und er wird hässlich.
Deutschland glaubt nicht mehr an sich. Es hat verlernt, an sich zu glauben. Grüne und Sozialdemokraten gingen dabei vorneweg, es dem Land auszutreiben. Das Manager Magazin hat einen bemerkenswerten Beitrag zum deutschen Pessimismus veröffentlicht. Das Magazin erinnert zurecht daran, dass es eine solche Stimmung schon um den Jahrtausendwechsel gab und wie die Kampagne „Du bist Deutschland“ half, einen Umschwung herbeizuführen. Der dann endgültig 2006 mit dem „deutschen Sommermärchen“ kam, der „WM im eigenen Land“.
17 Jahre ist das her. Acht weitere Turniere nutzten seitdem vor allem rote und grüne Jungpolitiker, um diesen kulturellen Durchbruch wieder rückgängig zu machen. Um den Menschen klar zu machen, dass wer Schwarz-Rot-Gold flaggt, auch AfD wählt und in Polen einmarschiert – oder wenigstens in Schmalkalden. Eine Linie, die sich in den vielen Bemühungen wiederfindet, den Erfolg der AfD zu erklären – ohne das eigene Versagen dabei ansprechen zu wollen.
Wobei Rote und Grüne ja nichts gegen Fahnen haben. Nicht grundsätzlich. Es müssen halt nur die richtigen sein. Ihre. Die Regenbogenfahne, die One-Love-Binde oder kurzum jedes Emblem, das sagt: Wir wollen, dass die Gesellschaft zusammenhält. Nur ist das halt – wie so oft bei Roten und Grünen – eine zielgerichtete Umdeutung von Wörtern. Sie nennen es Zusammenhalt, meinen aber Unterwerfung unter ihre Obhut.
Wenn uns wider Erwarten weder der Hitzetod noch der Klimawandel umhauen, der Weltuntergang also ausbleibt – dann wird es auch nicht besser. Zumindest nicht in Deutschland: Wirtschaftlich rutschen wir ab. Nicht temporär, sondern dauerhaft. Wir werden älter, weniger und unsere Auswahl von Fachkräften als Ersatz dafür ist – in den USA würde man sagen – interessant. Unsere Straßen, Brücken und Schienen bröckeln vor sich hin. Und unser Netzempfang ist ein Witz. Nur unsere Verwaltung ist spitze. Allerdings ist sie spitze darin, jeden unternehmerischen Elan mit Anträgen zu ersticken – um dann in deren Bearbeitung zu erlahmen.
Die Zukunftskoalition will da ran. An alles. Im Deutschlandtempo. Etwa ans Schienennetz. Die Züge sollen schon bald im Deutschlandtakt fahren. Wobei bald in rund 50 Jahren meint. Oder die Einwanderung. Da kommen künftig nur noch Fachkräfte. Allerdings nur dank der Umdeutung von Wörtern. Wir nennen Ungelernte künftig einfach Fachkräfte. Oder die Verwaltung. Die soll nicht mehr so genau hinschauen. Aber nur bei staatlichen Bauprojekten. Denn Optimismus mag die Vision der Ampel sein – ihr Alltag heißt aber mehr Einzelfallprüfungen, mehr Dokumentationspflichten und folglich mehr Bürokratie. Im Land der „Zukunftskoalition“ müssen Unternehmen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter neuerdings schriftlich einreichen – ausgedruckt oder per Hand geschrieben.
Ja. Deutschland braucht mehr Optimismus. Aber der ist nicht in Sicht. Weder durch optimistisches Handeln. Noch bei der EM im eigenen Land, nächstes Jahr. Eine gemeinsame Party im Farbenrausch der Regenbogenfahne oder gar der One-Love-Binde wird es nicht geben. Auch wenn sich Grüne, Rote und deutsche Kulturschaffende nichts sehnlicher wünschen. Bleibt dem Land also eine trostlose Zukunft, in der nicht einmal mehr der Weltuntergang als Schreckgespenst taugt. Vielleicht kommt er wenigstens vor der nächsten Staffel Deutschland sucht den Superstar.