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Deutschland in der EU: Zahlen und Mund halten

Wie groß die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit sein werden, steht noch nicht fest. Fest steht bereits jetzt: Die Neuverteilungen der britischen Sitze im Europäischen Parlament wird die deutsche Position in Europa weiter schwächen.

Europaparlament

In Deutschland spielt der bevorstehende Brexit erstaunlicher Weise kaum eine Rolle, obwohl die Auswirkungen besonders für unser Land deutlich sein werden. Man wirft den Briten immer wieder „Cherry-Picking“ vor, tatsächlich haben sie nur einfach ein anderes Verständnis dafür, was die EU leisten soll und was eben nicht.

Wie groß die wirtschaftlichen Auswirkungen auf unser Land sein werden, steht jetzt noch nicht fest. Ein Nachteil steht aber bereits jetzt fest: Die Neuverteilungen der britischen Sitze im Europäischen Parlament wird die deutsche Position in Europa weiter schwächen.

So sollte man eigentlich vermuten, dass mit dem Ausscheiden der Briten aus der EU die Zahl der Abgeordneten im Parlament um die 73 britischen Sitze verringert werden würde.

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Das Europäische Parlament hat aber andere Pläne. Man nutzt die Gelegenheit, um die Zahl der Sitze einiger Länder aufzustocken. Am Dienstag hat in Brüssel der Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten über die Sitzverteilung des nächsten Europäischen Parlamentes abgestimmt und vorgeschlagen, zunächst 27 Sitze neu zu verteilen. Ursächlich sind Anpassungen der Bevölkerungszahlen in den Mitgliedstaaten. Die Staaten, die Bevölkerung dazugewonnen haben, sollen zusätzliche Sitze bekommen. Aber natürlich sollen die Staaten, die an Bevölkerung verloren haben, keine Sitze abgeben müssen. Die restlichen 46 Sitze sollen für zukünftige Neuverteilungen in Reserve gehalten werden.

Der Kompromiss, auf den sich die großen Fraktionen verständigt haben, sieht vor, dass Frankreich und Spanien fünf zusätzliche Sitze bekommen, Italien und die Niederlande drei, Irland zwei, und Estland, Kroatien, Finnland, die Slowakei, Rumänien, Polen, Österreich, Dänemark und Schweden jeweils einen.

Und Deutschland? Da gemäß Artikel 14 EUV kein Land mehr als 96 Sitze haben darf, steht bereits heute fest, daß Deutschland von jeder zukünftigen Verteilung ausgeschlossen ist.

Die kleinen Staaten der EU bekommen nach dem Prinzip der „degressiven Proportionalität“ mehr Abgeordnete pro Wähler als die großen Staaten. Bisher war die deutsche Bevölkerung in Europa zahlenmäßig am drittstärksten unterrepräsentiert. Die französische und die spanische Bevölkerung waren noch schlechter gestellt.

Nun werden die Deutschen die am schlechtesten vertretene Nation im Europäischen Parlament sein. Nach den Berechnungen des Parlamentes vertritt dann ein deutscher Abgeordneter 854.838 Wähler, während für Malta ein Abgeordneter auf 72.401 Wähler kommt. Das Verhältnis der Überrepräsentation maltesischer Wähler gegenüber deutschen Wählern liegt damit bei fast 12 zu 1.

Endgültig ist Entscheidung zwar noch nicht, aber die Erfahrung kehrt, dass dies genauso in der nächsten Plenarwoche im Februar bestätigt wird.

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Schon in der aktuellen EU ist dieses Ungleichgewicht ein Problem, aber die demokratische Unterversorgung der Deutschen mit Parlamentssitzen wird noch bedeutsamer, weil die EU in den nächsten Monaten grundlegend reformiert werden soll. Juncker, Macron, Merkel und Schulz wollen weit mehr Geld und Macht an die EU übertragen. Bisher zahlen die Mitgliedstaaten rund 1,2% des BIP an die EU und bekommen davon gemäß dem „Prinzip des angemessenen Mittelrückflusses“ einen großen Teil zurück. Jetzt soll das EU-Budget erhöht werden, nicht zuletzt, um den fehlenden Beitrag der Briten zu ersetzen. Haushaltskommissar Günther Oettinger spricht von einer Erhöhung, wonach das Budget „irgendwo zwischen einem und zwei Prozent BIP“ liegen soll. Macron fordert mindestens eine Verdopplung, während Guy Verhofstadt von den Liberalen sogar von drei Prozent spricht.

Bereits jetzt wird das Europäische Parlament von den Südeuropäern dominiert. Nach dem Brexit sollen die Parlamentarier dann über diese neu gewonnenen Ressourcen zusätzlich mehr Verfügungsgewalt erhalten. Ein so deutlich unterrepräsentiertes Land wie Deutschland wird dann viel einzahlen dürfen, aber möglicherweise beim Rückfluss der Mittel schlechter gestellt werden.

Im Ausschuß für konstitutionelle Angelegenheiten nahmen die großen Fraktionen ihren Antrag zur neuen Stimmverteilung an. Für den Ausverkauf deutscher Interessen haben, soweit erkennbar (die offiziellen Stimmlisten liegen noch nicht vor), alle anwesenden deutschen Ausschussmitglieder gestimmt: Markus Pieper (CDU), Elmar Brok (CDU), Rainer Wieland (CDU) und Jo Leinen (SPD). Während andere Nationen ihre Interessen vertreten, geht es den deutschen Altparteien insbesondere darum, durch Transferzahlungen an andere Staaten das Euro-System zu erhalten. Ein mögliches Versagen dieses Systems macht ihnen offensichtlich mehr Angst als der Wortbruch gegenüber den deutschen Bürgern. Das Versprechen von Maastricht, dass jeder Staat selbst für seine Schulden aufkommen muss, interessiert die CDU schon lange nicht mehr.

Ist es wirklich noch Demokratie, wenn immer mehr Geld und Macht nach Brüssel transferiert wird und der größte Nettozahler immer stärker unterrepräsentiert ist? Die nächste Europareform wird ein entscheidender Schritt zu einem EU-Zentralstaat sein, der noch dazu auf einer so ungerechten Sitzverteilung gründet? Diese Fragen stellen sich die Befürworter der zentralstaatlichen Idee, wie die CDU, offensichtlich nicht.

Eine geschäftsführende Bundesregierung, die mühsam um die eigene Macht im Land kämpfen muss, kann die Interessen des eigenen Landes auf europäischer Ebene ganz offensichtlich nicht wahrnehmen. So wird ihr Versagen verfestigt.

Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete (Liberal-konservative Reformer).

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