Tichys Einblick
Geliefert wie bestellt

DDR 2.0: „Deutsche Denunziantische Republik“

Jedes Volk hat in seiner kollektiven Seele auch dunkle Ecken. Normalerweise ist das nicht weiter tragisch. Doch in ihrer panischen Angst vor allem, was irgendwie deutsch ist, entfesseln die Grünen ausgerechnet den unangenehmsten Typus, den unser Land zu bieten hat: den ewigen Blockwart.

IMAGO - Collage: TE

In Magdeburg fahren zwei junge Leute mit ihrem Auto über den Domplatz und hören Musik. Ein Passant will dabei erlauschen, dass Fahrer und Beifahrer Dinge von sich geben, die dem Passanten nicht gefallen. Der Mann informiert die Polizei. Die fahndet (!) nach dem Wagen, durchsucht (!!) die Fahrzeuginsassen – laut Polizeibericht „nach Tonträgern“ – und beschlagnahmt (!!!) die Mobiltelefone „als mögliche Tatmittel“.

Klar – so etwas konnte einem in der DDR passieren, wenn man zu laut Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ mitsang und wenn ein strammes Parteimitglied einen verpetzte. Da reichte dann auch ein einziger dubioser „Zeuge“, um erst den Polizeiapparat und danach die Justiz in Gang zu setzen.

Der gerade beschriebene Vorfall hat sich allerdings nicht 1984 ereignet, sondern gestern.

Da wollte ein Passant gehört haben, dass zwei vorbeifahrende junge Männer zu Gigi d’Agostinos Disco-Hit „L‘amour toujours“ – sozusagen à la Sylt – „Ausländer raus“ sangen. Das hat der offenbar nicht allzu ausgelasteten örtlichen Polizei für die oben beschriebenen Durchsuchungen und Beschlagnahmungen gereicht. Außerdem wird jetzt wegen Volksverhetzung ermittelt.

Man könnte die verstörend eifrigen Beamten bei Gelegenheit darüber belehren, dass das Bundesverfassungsgericht schon 2010 entschieden hat, dass der Satz „Ausländer raus“ in den allermeisten Fällen KEINE Volksverhetzung darstellt, sondern von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Letztere steht im Grundgesetz, das zu schützen vornehmste Aufgabe der Polizei ist, sogar in Magdeburg.

Doch das ist nur ein Nebenaspekt. Hauptsächlich stellt sich die Frage: Wie kommt ein Mensch dazu, andere anzuzeigen, weil die (vielleicht) etwas singen, was ihm nicht gefällt? Damit sind wir bei des Pudels Kern: bei der dunklen Ecke der deutschen Volksseele – beim ewigen Blockwart.

Machen wir uns ehrlich: Die Deutschen waren seit der Reichsgründung 1871 noch nie beliebt. Das Kaiserreich war wegen seiner militärischen Stärke allenfalls geachtet. Das Dritte Reich war aus nachvollziehbaren Gründen gefürchtet. Die Bundesrepublik war wegen der – von den Touristen und ansonsten von Hans-Dietrich Genscher – flächendeckend in der Welt verteilten D-Mark toleriert. Aber beliebt war Deutschland noch nie.

Das mag daran liegen, dass wir der Welt nicht nur Kant, Beethoven und Goethe geschenkt haben, sondern halt auch die Pickelhaube, das sinnentfremdete Hakenkreuz und die Handtuch-Blockade auf Pool-Liegen. Den größten internationalen Imageschaden von allen deutschen Stereotypen aber richtet bis heute der Berufsuntertan an: der neiderfüllte Volksverpetzer, der humorbefreite Denunziant. Das gilt übrigens für beide Landesteile: Im damaligen Ostblock war die DDR der sozialistische Streber – und von Ungarn bis Jugoslawien entsprechend unbeliebt.

Bei den deutschen Grünen ist Deutschland nicht nur unbeliebt, sondern geradezu verhasst. Das liegt maßgeblich daran, dass die Baerbocks und Habecks aus einer linken Tradition der Generationsneurose kommen. Die Studentenbewegung in den 1960er-Jahren revoltierte gegen ihre Eltern (und deren Staat), die angeblich alle Nazis gewesen waren. Die heutigen Grünen revoltieren gegen ihre Eltern (und deren Staat), die angeblich alle Umweltsäue sind.

Der grüne Nationalismus ist das Anti-Deutsche: Alles, was deutsch ist, ist schlecht – alles, was nicht deutsch ist, ist gut. Daher rührt die grüne Besessenheit für alles Fremde. Doch die Geschichte hat offenbar einen feinen Sinn für Humor: Um Deutschland das Deutsch-Sein auszutreiben, lassen die Grünen heute ausgerechnet den deutschen Blockwart von der Leine.

Und siehe da: Er ist noch da. Und er ist fast überall.

Der Blockwart ist nicht nur in Magdeburg am Domplatz. Er arbeitet auch bei der „Bild“-Zeitung, die fünf betrunkene Jugendliche (anders als Sexualstraftäter) unverpixelt zeigt und ihre vollen Namen nennt. Das ist für Menschen Anfang 20 kein öffentlicher Pranger, dem sie irgendwann wieder entkommen – es ist ein öffentlicher Scheiterhaufen, auf dem sie vernichtet werden.

Der Blockwart arbeitet an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), die einer Teilnehmerin der Sylt-Party Hausverbot erteilt und ihre Zwangsexmatrikulation betreibt:

Der Blockwart arbeitet bei Twitter, das allen Ernstes einen Post entfernt, in dem nichts anderes steht als „döp dö dö dö“:

Bitte hier Tweet verlinken:

Der Blockwart arbeitet im Münchner Rathaus, wo der für das Oktoberfest zuständige Referent Clemens Baumgärtner (irritierenderweise ein CSU-Mitglied) jenes Party-Lied einfach komplett verbieten will, dessen schnulziger Originaltext auf Sylt von fünf betrunkenen jungen Leuten umgedichtet wurde:

Jakobiner nannten sich einst die Extremisten der Französischen Revolution. Unter der Führung von Robespierre herrschten sie ab 1793 in einem Regime des Schreckens. Die Franzosen nennen es bis heute nur „la Terreure“, den Terror. Jeder bespitzelte jeden, jeder denunzierte jeden.

Die Farbe der französischen Jakobiner war Rot. Die Farbe der deutschen Neo-Jakobiner ist Grün.

Allerdings haben die Jakobiner damals nicht gewonnen. Ihre Schreckensherrschaft dauerte nur ein Jahr, dann wurde Robespierre gestürzt und hingerichtet. Sowas machen zivilisierte Länder heute ja nicht mehr. Aber es gibt immerhin Widerstand gegen die Machtergreifung des Blockwarts.

Der Berufsverband der deutschen Discjockeys (BVD) kritisiert alle geplanten Aufführungsverbote des Songs „L‘amour toujours“ auf dem Münchner Oktoberfest und weiteren Volksfesten in Deutschland scharf. BVD-Präsident Dirk Wöhler macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Wo sind wir denn, Lieder zu zensieren?“

Und im Internet reagieren immer mehr Menschen auf den Sturm im Wasserglas genau mit dem Instrument, das der Blockwart am wenigsten beherrscht und mit dem er am wenigsten umgehen kann – mit Humor:

Es ist derzeit ja sozusagen en vogue, bekannte Lieder umzutexten und in der veränderten Version zum Besten zu geben. Im Internet kursiert gerade eine recht witzige Fassung von Reinhard Meys Klassiker „Über den Wolken“. Der neue Refrain geht so:

„Unter den Woken
muss die Einfalt wohl grenzenlos sein.
Alle Ängste, alle Sorgen – sagt man –
machen sie blind und gehorsam. Und dann
sind sie, wie man ihnen vorgibt zu sein:
fremdgesteuert und klein.“

Trällern wir doch einfach fröhlich dieses Liedchen.
Solange wir es noch dürfen.

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