„Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu!“ Mit dieser Weisheit eines Fußballers nach einem verlorenen Spiel kann sich die SPD jetzt nicht mehr trösten. Denn mit fehlendem Glück und urplötzlichem Pech hat es nichts zu tun, wenn SPD-Spitzengenosse Scholz seine SPD kommenden Sonntag um voraussichtlich 10 Prozent gegenüber 2021 abstürzen und womöglich auf Platz 4 hinter Union, AfD und „Grünen“ landen lässt. Nein, das Pech der SPD war von Anfang an ein Scholz, den die Partei ja nicht einmal als Vorsitzenden haben wollte. Oder in Abwandlung der Fußballer-Weisheit: „Erst hatte die SPD kein Glück, dann kam auch noch Scholz dazu.“
Jedenfalls hat Scholz binnen drei Kanzlerjahren dokumentiert, dass er es politisch, fachlich und charakterlich nicht kann. Dabei waren die Ansprüche an Scholz, als er am 8. Dezember 2021 ins Kanzleramt kam, ohnehin nicht sonderlich groß. Nach 16 Jahren Merkel konnte es eigentlich nur besser werden. Ansonsten ist Scholzens Bilanz desaströs: wirtschaftspolitisch, energiepolitisch, sicherheitspolitisch, sozialpolitisch, wohnungsbaupolitisch, verkehrspolitisch, gesundheitspolitisch, außenpolitisch, bündnispolitisch … In halbwegs positiver Erinnerung aus drei Jahren bleiben nur eine einzige Stunde und eine einzige personalpolitische Entscheidung, als Scholz nämlich drei Tage nach Putins Überfall auf die Ukraine am 26. Februar 2022 seine „Zeitenwende“-Rede hielt und als er Anfang 2023 nach quälend dilettantischen 13 Monaten Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) durch Boris Pistorius (SPD) ersetzte.
Aber sonst? Scholz scheint wahrlich vergessen zu haben, dass er eigentlich der Kanzler ist. Auch hier also Erinnerungslücken, auf die er sich wiederholt bei der parlamentarischen Aufarbeitung Hamburger Bankenskandale beruft.
Hat Scholz gelogen?
Und nun platzt vier Tage vor der Bundestagswahl die Meldung in die Öffentlichkeit: „Olaf Scholz hat vor dem Untersuchungsausschuss nicht die Wahrheit gesagt.“ Gibt es für einen um die Wiederwahl kämpfenden Kandidaten und dessen Partei noch mehr GAU – noch mehr von einem „Größten Anzunehmenden Unfall“? Überraschend ist nicht, dass Scholz in Sachen Warburg-Bank und Cum-Ex-Geschäfte nicht die Wahrheit sagte. Alle haben das vermutet. Überraschend ist, dass erstens diese Nachricht jetzt kurz vor der Wahl kommt und dass diese Meldung zweitens vom „Stern“ kommt, der ja nun nicht im Verdacht einer Nähe zu Union oder gar AfD steht. Aber vielleicht will der „Stern“ die „Linke“ damit über die 5 Prozent heben.
Darum geht es aktuell: Soeben hat der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft seine Arbeit nach vier Jahren und 68 Sitzungen beendet und 1.500 Seiten Abschlussbericht hinterlassen. Es ging um Verstrickungen zwischen Politik und Banken bei illegalen Cum-Ex-Geschäften. Der Bericht wird in zwei Wochen im Plenum der Hamburger Bürgerschaft diskutiert werden, dann ist die Sache offiziell erledigt, weil Hamburg am 2. März 2025 ein neues Landesparlament („Bürgerschaft“) wählt. Die regierenden Parteien bzw. Fraktionen SPD und Grüne haben bereits bekräftigt, dass es im Fall der Warburg Bank keine politische Einflussnahme gegeben habe und dass alle Vorwürfe – so die Regierenden – konsequent aufgeklärt worden seien.
Bundeskanzler Scholz wurde vom Untersuchungsausschuss insgesamt dreimal als Zeuge einbezogen. Schließlich war er in der fraglichen Zeit, konkret von 2011 bis 2018 Erster Bürgermeister Hamburgs. Scholz hatte sich nachweislich mehrmals mit Skandalbänkern getroffen, hier berief sich Scholz aber auf Erinnerungslücken. Er behauptete, er könne sich nicht erinnern. Dokumentiert sind die Treffen indes im Kalender von Scholz sowie durch Tagebuchaufzeichnungen des Warburg-Bänkers Olearius. In seinen Aufzeichnungen hatte der Bankier auch den Anlass der Treffen festgehalten. Es ging um die Ermittlungen und Vorwürfe gegen Olearius und andere Manager wegen den Cum-Ex-Geschäften der Warburg-Bank und um damit verbundene Steuerrückforderungen. Scholz indes bestreitet bis heute jede Einflussnahme im Cum-Ex-Fall der Warburg-Bank. TE hat die Affäre über all die Jahre hin publizistisch begleitet – zuletzt am 28. Januar 2025:
Und nun am 18. Februar der Hammer
Es gibt eindeutige Hinweise auf eine Falschaussage von Scholz vor dem Untersuchungsausschuss. Neue Dokumente, die dem „Stern“ vorliegen, zeigen, dass Scholz entgegen seinen bisherigen Angaben doch in die Beantwortung einer Anfrage des Linken-Parlamentariers Norbert Hackbusch eingebunden war. Scholz war am 30. April 2021 (damals noch Bundesfinanzminister) in seiner Vernehmung als Zeuge im Untersuchungsausschuss gefragt worden, ob er bei der Beantwortung von Hackbuschs Anfrage „in irgendeiner Weise involviert“ gewesen sei. Scholz hatte dies verneint.
Neue Dokumente zeigen nun, dass sowohl Scholz-Bürgermeister-Nachfolger Tschentscher (SDP), unter Scholz Finanzsenator, wie auch der amtierende Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sich zur Beantwortung von Hackbuschs Frage sehr wohl an Scholz gewandt hatten. So hatte Tschentscher einen Entwurf der Antwort an Scholz schicken lassen, der mittlerweile Bundesfinanzminister geworden war. Eine Mitarbeiterin schrieb an Scholz‘ Büroleiterin Jeanette Schwamberger: „Wir geben das dem Chef mit ins Wochenende.“ Auch Finanzsenator Dressel wollte sich bei Scholz rückversichern. Man wolle „wirklich safe“ sein, auf die Frage, ob es Treffen mit Olearius gegeben habe, „Nein“ antworten zu können, heißt es in einer Mail. Dressel schickte Scholz eine SMS und hakte nach. Dressel wollte sich auf „Stern“-Anfrage nicht dazu äußern, wie Scholz auf seine SMS reagiert hatte. Die Anfrage Hackbuschs wurde schließlich mit „Nein“ beantwortet, obwohl Scholz, wie mittlerweile bekannt ist, Olearius mindestens dreimal getroffen hat.
Der nachvollziehbare Verdacht, dass Scholz an dem Bankenskandal aktiver beteiligt war, als er zugeben will, macht nun die Runde. Für Scholz im denkbar ungünstigsten Moment. Denn auf die fast schon sprichwörtlichen Erinnerungslücken wird sich der Noch-Kanzler jetzt nicht mehr hinausreden können. Wenn denn die „Stern“-Nachricht größere Verbreitung fände. Den Öffentlich-Rechtlichen war die vom „Stern“ aufgedeckte offensichtliche Scholz-Lüge indes auch 18 Stunden nach Bekanntwerden noch keine Meldung wert.