Anfang der letzten Woche legte die deutsche Presse wieder in Sachen „Framing“-Manöver vor. Es ging um eine Sabotageaktion der „Letzten Generation“. Obwohl in den großen Medienhäusern Sympathie für die „Klimasache“ besteht, war selbst aus diesem Milieu Irritation, wenn nicht Abneigung gegen die Manöver der Asphaltkleber zu spüren – oder wenigstens Distanz.
Nachdem nach einer neuerlichen Sitzblockade in München den Autofahrern jedoch der Geduldsfaden riss, wurde nicht mehr das Verhalten der Saboteure, sondern das der Sabotierten kritisiert. So las man etwa, dass das Verhalten der Autofahrer nicht verhältnismäßig gewesen sei, schließlich habe es sich bei München-Fürstenried um eine „unbedeutende Autobahnausfahrt“ gehandelt.
„Militante Klimakämpfer verlangen die Eskalation“
Die wachsende Akzeptanz – vorher heimlich, nun aber immer offener – belegt ein Kommentar im Hamburger Magazin Der Spiegel. Autor: der schwedische Klima-Extremist Andreas Malm. Ideologisch trotzkistisch orientiert – er ist Mitglied der schwedischen Socialistiska Partiet – hat er seine linksradikalen Revolutionswünsche auf den Umgang mit der „Klimakatastrophe“ umgemünzt. Wenn Malm etwa vom „fossilen Kapital“ spricht, das „auf eine infernalische und dämonische Art und Weise außer Kontrolle“ sei, breitet er seine persönliche Ideengeschichte aus.
Voller Pathos fragt er nach: „Was wird die Generation von 2019 als Nächstes tun?“ Wohl unbeabsichtigt trifft Malm damit einen Topos, der bei anderen Völkern die Gänsehaut aufsteigen lässt. In Italien gab es den Mythos der „Generation von ‘99“. Gemeint waren damit die Jahrgänge der am Ende des 19. Jahrhunderts Geborenen, die sich voller Eifer ins Gefecht werfen sollten – und am Ende des Ersten Weltkriegs in den Einsatz geschickt wurden. Die Parallelen zum „Aufruf ins letzte Gefecht“ sind frappierend.
Andreas Malm: martialische Träumereien wie im Ersten Weltkrieg
Denn die martialischen Schilderungen lassen einen anderweitig längst vergessenen Ungeist aufleben. Malm verherrlicht „plattgemachte SUVs“ oder den Angriff auf eine US-Pipeline, die er wie eine Schlacht schildert. Worte wie „bewaffnet“, „zertrümmern“ und „militanter Angriff“ bilden eine Melange, die an eine Version von „Stahlgewittern“ für Arme erinnert. Der schwedische Extremist betont dabei: Das seien nur kleine Nadelstiche gewesen. In naher Zukunft dürfte nur eines vorstellbar sein: „die unerbittliche Verschärfung der Aktionen“.
Das klingt wie ein Befehl zur Mobilmachung. Ist es wahrscheinlich auch. In einem der wichtigsten Blätter der deutschen Medienlandschaft ruft ein Mann mit dem Vokabular eines Generals im Ersten Weltkrieg zum Kampf auf: ein Aufruf zur Gewalt mitten in der etablierten Presse. Ein Trotzkist bemüht das Gebrüll aus trotzkistischen Zeiten.
Offenbar hat der Spiegel mittlerweile selbst Angst vor der eigenen Courage bekommen. So hat die Redaktion den Vorspann geändert. Am Sonntag bereitete der Spiegel seine Leser auf den Artikel so vor: „Streiks, Blockaden, Anschläge: Teile der Klimabewegung haben sich radikalisiert. Richtig so, findet der schwedische Aktivist Andreas Malm: Der Zustand der Erde rechtfertige Gewalt.“ Der neue Spin klingt wesentlich distanzierter: „Hungerstreiks, Straßenblockaden, Anschläge auf Pipelines: Teile der Klimabewegung haben sich radikalisiert. Der SPIEGEL dokumentiert die Gedankenwelt dahinter mit diesem Text.“
Die Redaktion schwächte den Eingangstext ab
Vielleicht hat man in der Redaktion gemerkt, dass wenigstens etwas Distanz zu einem Vordenker terroristischer Maßnahmen Not tut, sollten sich in Zukunft die potenziellen Umsetzer dieser Ideen auf ihn berufen. Der Inhalt bleibt dagegen derselbe. Vor Einordnungen, die ja sonst des Spiegels liebstes Kind sind, schreckt er in dieser Causa zurück.
Doch man muss keine schwedischen Vordenker des Öko-Terrorismus importieren. Mit Tadzio Müller gibt es auch ein deutsches Pendant. Er ist Mitbegründer von „Ende Gelände“ und war früher Referent an der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Parteistiftung der Linkspartei. Die NZZ zitiert ihn folgendermaßen: „Wenn es keinen Klimaschutz gibt, gibt es bald auf die Mütze.“
Man solle jetzt schon mit „zerdepperten Autoshowrooms, zerstörten Autos, Sabotage in Gaskraftwerken oder an Pipelines“ im nächsten Sommer rechnen. In der Nacht könnten „Aktivisten“ auch regelmäßig Baustellen auf Autobahnen verwüsten. NZZ-Autor Alexander Kissler bezeichnet solche Äußerungen als „Sprache des Terrors“. Die „Argumentationsattrappen“, die Müller und seine Gesinnungsgenossen nutzten, seien mittlerweile „auch in der Mitte der Gesellschaft en vogue“.
Spiegel gewährte Tadzio Müller ein Interview, in dem dieser von einer „grünen RAF“ phantasierte
Malm nennt Müller im Spiegel-Artikel explizit einen „brillanten Strategen“. Schweden wie Deutschland erscheinen damit als internationale Vorkämpfer im Klimakampf – oder ist es für die Protagonisten bereits ein Klimakrieg?
Bei Malm wie Müller fällt auf, dass man nicht nur das Klima, sondern auch sich selbst zum Opfer stilisiert. Die Täter sind „gezwungen“, aus „Notwehr“ zu handeln. Bei Malm kann – ganz im Sinne des Kommunismus – gegen das böse Kapital nur die Revolution Abhilfe schaffen. Die Extremisten sehen sich im moralischen Vorteil – und folgen höherem Recht. Die Mechanismen, ob bei religiösen oder säkularen Terroristen, sind sich in allen Bereichen ähnlich. Der grüne Terrorismus macht da keine Ausnahme – er kündigt jetzt bereits an, dass er keine Rücksicht auf Verluste nehmen wird. Medien wie der Spiegel helfen dabei, einen Opfermythos zu festigen, um die Taten zu relativieren.
Was Malm und Müller noch verbindet: ihr Verlautbarungsorgan. Denn Malms Beitrag im Spiegel ging einer von Müller voraus – als Interview am 21. November 2021. Der Titel: „Wer Klimaschutz verhindert, schafft die grüne RAF.“ Das Hamburger Magazin wird sich überlegen müssen, ob es gut daran tut, sich als Sprachrohr jener Leute zu positionieren, die ihre eigene Zukunft so deutlich ankündigen.