Die Sirenen sind Mischwesen aus der griechischen Mythologie. Mit ihrem betörenden Gesang verführten sie die Seeleute auf dem Meer, doch wenn die Schiffer ihrem Ruf folgten, zerschellten ihre Schiffe an den Klippen und die Seeleute starben.
Ein neuer Sirenengesang klingt seit Jahrhunderten über die weltweiten Meere, über die Wellen und Wogen der Menschen und Völker: der Zentralismus.
»Überlass mir die Verantwortung, ich will es für dich entscheiden«, klingt der Sirenengesang der Zentralisten.
Und ja, wäre es nicht schön, wenn eine höhere Macht für uns entschiede, was selbst zu entscheiden uns so viel Mühe, Sorgen und Kopfpein bereitet? Welchen Beruf wir ergreifen sollen, welches Essen wir essen sollen, welches Auto wir fahren?
»Nie wieder denken müssen!« – wenn das ihre Vorstellung von Glück ist, haben sie wahrscheinlich bislang Merkel gewählt und wählen bald »AKK« – und wenn ihr Kind dabei draufgeht, werden sie am nächsten Tag eine Initiative gegen Rechtspopulismus ins Leben rufen – Hauptsache nicht selbst denken, nicht selbst bestimmen, nicht Herr über sein eigenes Leben sein.
In Ländern wie Deutschland wird bald ganz unverblümt selbst bei Kindern schon kontrolliert, ob sie richtig auf Parteilinie und im Geiste des Staates denken (siehe etwa »Sollen Kindergärten die politische Gesinnung der Eltern überprüfen?« in bz-berlin.de, 26.11.2018 – es geht natürlich von einem SPD-Ministerium aus).
Zentralismus ist ein Anachronismus. Alle Versuche eines tiefen Zentralismus sind gescheitert – doch das hindert die Zentralisten nicht, es immer wieder zu versuchen, immer wieder ihr Sirenenlied anzustimmen. Es hat in der DDR nicht funktioniert, es hat in Kuba, in Russland und all den Ostblock-Staaten nicht funktioniert, in Nord-Korea und Venezuela hat Zentralismus nach wie vor gewisse Startschwierigkeiten – lasst uns Souveränität nach Brüssel abgeben – oder gleich an die Diktatoren und Israelhasser der UN!
Mensch will Sinn
Was motiviert Menschen, das Beste aus sich herauszuholen? Ist es Geld? Sind es andere Belohnungen? Ist es Sorglosigkeit? In seinem berühmten TED-Vortrag über Motivation führt der Autor Dan Pink vor, was Menschen wirklich zu Höchstleistung antreibt. – Die Antwort, zusammengefasst: rein mechanische, komplett kreativitätsfreie Tätigkeiten werden tatsächlich von Geld positiv beschleunigt; wenn Kreativität erforderlich ist, braucht es so viel Geld, dass es kein Thema mehr ist, darüber hinaus ist Geld sogar der Kreativität abträglich (Vergleich: gib einem Künstler mehr Geld und er wird weniger kreativ – siehe Popmusik) – was Menschen wirklich antreibt, wenn das Geld einmal geregelt ist: Selbstbestimmung.
Selbstbestimmung macht glücklich, aber viel Arbeit. Was für Menschen gilt, gilt auch für Nationen: Selbstbestimmung ist anstrengend, macht glücklich – Fremdbestimmung erscheint zunächst einfacher, macht aber unglücklich.
Intelligente Einheiten
Alle gesellschaftlichen Trends weisen auf die Autonomie freundlich kooperierender, aber selbstbestimmter intelligenter Einheiten hin.
Die bekannteste »Zukunftstechnologie« (ein merkwürdiges Wort) ist künstliche Intelligenz, ihre bekannteste Anwendung sind selbstfahrende Autos. Wie fahren denn die selbstfahrenden Autos? Werden sie zentral gesteuert von einem allbestimmenden Supercomputer? Nein, sie entscheiden selbst, wie und wohin sie fahren. Es gibt kein einzelnes Auto, keinen einzelnen Computer, den man herausnehmen könnte, womit das gesamte System zusammenbrechen würde.
In Hollywood-Filmen greifen immer wieder angeblich super-intelligente Aliens die Erde mit einem Mutterschiff und unzähligen zentral gesteuerten Drohnen an – und wenn der Held das Mutterschiff erledigt, fallen die Drohnen wie Metallschrott vom Himmel. Wenn Merkel selbstfahrende Autos konzipieren würde, dann würden die Vehikel wie Trabbis aussehen, zentral von Neu-Moskau, pardon: von Brüssel aus gesteuert, und ihre Fahrtrouten würden im Voraus per Fünfjahresplan festgelegt werden. Nein – die Zukunft ist antizentralistisch, Merkels Denken ist altes Denken.
Die Regierung tut so, als wollte sie Zukunftstechnologien und neues Denken fördern – doch es sind Lippenbekenntnisse einer verknöcherten alten Elite, die es geistig nie aus dem Kommunismus und Zentralismus herausgeschafft hat.
Die Zukunft ist ein vieldimensionales Netzwerk autonomer Intelligenzen. Die Zukunft ist Selbstbestimmung. Die Zukunft ist ein Wettbewerb um die bessere Idee, und indem man autonom zusammenarbeit, indem man sich von schädlichen und gefährlichen Ideen abschirmen kann (wie etwa derzeit viele Staaten sich vom demokratisch fragwürdigen Migrationspakt abschirmen), kann man erst etwas Größeres gestalten, was größer ist, als irgendeine vom Ischias geplagte Brüsseler Kommision es sich je ausdenken könnte.
Und sie stürzten ins Meer
Die griechische Erzählung von den Sirenen kennt verschiedene Varianten, doch die bekannteste ist wohl die von Odysseus.
In Homers Version der Sage war es nicht nur Gesang, sondern auch Klarsicht und Allwissen, mit dem die Sirenen die Vorbeifahrenden lockten. Man erlebte vollkommene Schönheit und vollkommenes Wissen, und dann starb man, so dass nur noch die Knochen des Schiffers auf der Insel herumlagen, blank und sonnengebleicht.
Odysseus wollte – es klingt wie eine Redensart – den Sirenen lauschen und doch nicht sterben! Eine Zauberin riet ihm, den Gefährten auf seinem Schiff die Ohren mit geschmolzenem Wachs verschließen zu lassen, während er selbst an den Schiffsmast angebunden wurde. Es gelang: Odysseus hörte die Sirenen, doch als er sich wand und losreißen wollten, um ihnen zu folgen, banden die Seeleute ihn, wie vorher vereinbart, nur noch fester an den Mast.
Besonders interessant finde ich eine Ergänzung der Sage von Odysseus und den Sirenen aus späterer Zeit. Die Sirenen konnte nur so lange leben, wie es ihnen tatsächlich gelang, jeden einzelnen Seefahrer anzulocken und in den Tod zu führen. Als die Sirenen an Odysseus scheiterten, stürzten sie sich selbst ins Meer und starben.
Es könnte einen fortschrittlich und freiheitlich denkenden Demokraten glatt Angst und Bange machen, wie viele Berliner Politiker, ob es nun CDU, SPD oder FDP ist, dem Sirenengesang des Zentralismus erliegen. Es liegt an den Bürgern (siehe auch: Wo findet der Demokrat heute noch Hoffnung?), sich nicht verführen zu lassen, selbst wenn das süße Gift der zentralistischen Sirenen am Tag und in der Nacht über alle Kanäle des zwangsfinanzierten Staatsfunks geträufelt wird, direkt in die Venen und Seelen der braven Bürger. Zentralismus klingt verführerisch, doch er macht unglücklich, wieder und wieder und wieder.
Es ist ein bitterer Kreislauf: Mut schafft Wohlstand, Wohlstand schafft Faulheit, Faulheit lädt den Zentralismus ein, Zentralismus schafft Not – und Not lässt dann den wieder Mut erwachsen. Lasst uns träumen, dass es uns gelingt, dieses mal den Zentralismus zu überspringen und direkt zurück zum Mut zu gelangen.
Wenn es uns gelingt, die neue Welle von Zentralismus niederzuringen, oder sie wenigstens etwas abzubremsen, wenigstens das, werden sich die todbringenden zentralistischen Ideen ins dunkle Meer des Vergessens stürzen, wie einst die Sirenen, als sie an Odysseus scheiterten? Nun, wahrscheinlich nicht für immer, aber für eine Weile.
Es ist Selbstbestimmung, nicht Zentralismus, der Menschen wie Nationen einen Teil vom Glück bescheren kann. Es gibt keine Freiheit ohne Selbstbestimmung, und ohne Freiheit verdient Demokratie ihren Namen nicht.
Was motiviert Menschen, das Beste aus sich herauszuholen? Es ist Selbstbestimmung und es ist Freiheit; es ist das Recht und die Möglichkeit, selbst über sein Schicksal zu bestimmen.
Lasst die Sirenen singen, lasst sie heulen und mit den Zähnen klappern. Springt nicht ins Meer, dem Gesang der Sirenen zu folgen, steuert euer Schiff nicht auf die Klippen zu. Wer morgen frei sein will, muss heute alle Kraft sammeln, den Sirenen des Zentralismus zu widerstehen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.