Der Schulterschluss zwischen linker und islamistischer Ideologie – ein Phänomen, das wir bereits seit den Siebzigerjahren kennen und das nie ausreichend thematisiert und kritisiert worden ist. Zu wirkmächtig ist das linke und linksliberale Selbstverständnis, das sich selbst auf der Seite der Opfer, der Marginalisierten, der Schwächsten verortet. Da die Pflege des Selbstbildes zumeist als wichtiger empfunden wird als die Beseitigung tatsächlicher Missstände, führt es dazu, dass der, auf dessen Seite man steht, einfach zum Opfer erklärt wird, gleich, wie stichhaltig diese Einordnung ist.
Gegenwärtig trifft diese gutmenschliche Nabelschau und Projektion mit Narrativen zusammen, die vor allem im angelsächsischen Raum faktenfrei und geschichtsvergessen zusammengeschustert wurden: Soziologische Theorien wie die Critical Race Theory wurden ideologisch vereinnahmt, verkürzt und verabsolutiert; nicht nur mit dem Ergebnis, dass der Europäer und der Weiße grundsätzlich als Täter betrachtet wird, der Nichtweiße als hilfloses Opfer – in einer beispiellosen Verdrehung und Verzerrung wird dieses Narrativ auch auf Israel angewendet: Ein „weißer“ Aggressor, der in kolonialistischer Manier Araber unterdrückt.
So wird immer wieder kolportiert, es handle sich bei Israel um ein Apartheidsregime – ein Hohn, wenn man bedenkt, dass Israel nicht nur die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten ist, sondern eine, die ihre Rechtsstaatlichkeit unter immensem Druck von innen und außen behauptet: eine pluralistische Gesellschaft, in der ultraorthodoxe und extrem säkulare Juden ebenso zusammengehalten werden müssen wie arabische Muslime und Christen, Drusen, und andere ethnische und religiöse Minderheiten. Ein Balanceakt, den Israel alles in allem mit Bravour meistert; ein Land, in dem arabische Israelis deutlich mehr gesellschaftliche und politische Teilhabe haben als ihre Glaubensgenossen in den muslimischen Nachbarländern. Hier von Apartheid zu sprechen, ist bei allen Schwierigkeiten und auch bei den Ungerechtigkeiten, denen viele Palästinenser immer wieder ausgesetzt sind, infam.
Natürlich war es das auch schon vor dem 7. Oktober 2023, als Hamas-Terroristen auf israelisches Gebiet vordrangen, um ganze Familien in ihren Betten zu ermorden und massenweise Menschen zu exekutieren. Allerdings macht es fassungslos, dass nicht einmal dieses Verbrechen ein Weckruf zu sein scheint. Die „woke“ Bewegung scheint sogar um einiges weniger selbstkritisch zu sein als selbst klassische „Linke“, aus deren Reihen durchaus einige klare Verurteilungen der Gewalt zu vernehmen waren.
So stach etwa die Stellungnahme verschiedener studentischer Gruppierungen an der Harvard University hervor, die Israel gar die volle Verantwortung für jegliche Gewalt unterschob und zu Widerspruch gegen „kolonialistische Vergeltung“ seitens Israels aufrief. Black Lives Matter Chicago postete derweil eine Graphik, die den Slogan „I stand with Palestine“ mit einem Paraglider mit palästinensischer Flagge illustrierte: Zynismus pur. Mit Paraglidern waren die Terroristen über die Grenze geflogen; junge Partygänger auf einem Open-Air-Ravefestival hatten diese zum Teil noch gefilmt, kurz bevor ihnen Kugeln und Granaten um die Ohren flogen und das Massaker begann.
Besorgniserregend ist hier – abgesehen von der ideologischen Blindheit – die Banalisierung schwerster Gewalttaten: Jedes menschliche Mitgefühl wird angesichts kollektivistischer Haltung ausgeschaltet, völlige Verrohung legitimiert. Es ist mehr als beunruhigend, dass hier Narrative schwerer wiegen als die Realität: Die Hamas-Terroristen haben ihre Untaten umfänglich auf Film dokumentiert und veröffentlicht. Neben den üblichen islamistischen Propagandavideos von wehenden Fahnen und schwarzgewandeten Vermummten auf Pferden haben sie nicht einmal versucht, die Morde als Freiheitskampf zu inszenieren.
Sie haben keinerlei Hehl daraus gemacht, dass es um die Auslöschung jüdischen Lebens geht. Das jedoch wird von den Verbündeten im woken Lager schlichtweg übergangen. Man ignoriert lieber die Opfer von Gewalt, als sich im eigenen Weltbild als „weißer Rassist“ outen zu müssen, wenn man gegen diese Gewalt vorgehen wollte. Diese Identifikation mit islamistischer Ideologie zeigt sich beispielhaft bei Judith Butler, die Hamas und Hisbollah als „linke“ und progressive Kräfte einordnet, was freilich stimmt, wenn man mit links und progressiv nur den Willen zu Umsturz und Revolution meint.
Dass dieses Anliegen allerdings auch abseits von Linksextremismus und -terrorismus schwerer wiegen sollte als grundlegendste Menschenrechte, schiene bei aller Kritik an linker Ideologie übertrieben; es ist aber nun offensichtlich, dass einige Vertreter dieser Ideologie selbst dieser Ansicht sind.
So ist es irritierend, aber folgerichtig, dass in der woken Bubble lieber Vergewaltigungen und Entführungen gerechtfertigt werden, als für die Opfer islamischen Terrors aufzustehen – ein dröhnendes Schweigen der entsprechenden gesellschaftspolitischen Akteure belegt diesen egoistischen Impuls zu Genüge, und er ist keinesfalls neu: Grundsätzlich muss man sich fragen, wie die „feministischen“, „antirassistischen“ und „antiimperialistischen“ Kreise mit der kognitiven Dissonanz umgehen, dass der Islam hochgradig frauenfeindlich und hochgradig rassistisch ist und eindeutig auf gewaltsame Ausbreitung und Ausbildung von Herrschaftsräumen zielt. Mit der Tolerierung grausamster Gewalt wird diese Irrationalität eines von Critical Race Theory, Antikolonialimus, Antirassismus und Antidiskriminierung geprägten, kurz: „woken“ Weltbildes überdeutlich.
Wollen jene, die mit diesem Weltbild durchaus auch berechtigte Anliegen vertreten, nicht jede Glaubwürdigkeit verlieren, müssen sie in dieser Szene eine Grundsatzdiskussion über die eigene Verortung und über die eigenen Werte anstoßen.