Zunächst muss ich drei Mal unterstreichen, dass ich mir Folgendes nicht ausgedacht habe. Drei US-Wissenschaftler wollten wissen, bis zu welcher Absurdität sie gefälschte, vermeintlich wissenschaftliche Artikel zum Thema Feminismus treiben konnten, die dann in angesehenen Zeitschriften veröffentlicht werden sollten. Ergebnis: Sie fanden keine Grenzen des Absurden. Die drei Forscher Helen Pluckrose, James A. Lindsay und Peter Boghossian verfassten insgesamt 20 Beiträge. Darunter ein Paper, dessen Kernaussage ist, dass ein masturbierender Mann, der sich dabei eine Frau vorstellt, die ihm dafür nicht ausdrücklich die Erlaubnis erteilt hat, eine «metasexuelle» Gewalt gegen sie ausübt. Oder eine angebliche Untersuchung in Hundeparks, bei der aus empirischen Daten geschlossen wird, dass man Männer ähnlich wie Hunde trainieren sollte, damit sie nicht vergewaltigen. Oder ein feministisch umgeschriebenes Kapitel aus Hitlers «Mein Kampf». Oder eine pseudowissenschaftliche Kampfschrift, die eine Lanze für das «Fat Body Building» bricht. Alle abgefasst im hochwissenschaftlichen Slang, verschwurbelt und kompliziert.
Der Schlaf der Vernunft
Abgesehen von der völligen Humorlosigkeit – immer ein Warnsignal – haben diese neuen Bewegungen, mit denen sich das Justemilieu ein überschaubares Koordinatensystem über eine immer undurchschaubarere Welt legen will, die Eigenschaft, immer rigider, absoluter, rechthaberischer, am Schluss kreischend hysterisch zu werden.
Nachdem ihnen eine Zeitung auf die Schliche gekommen war, musste das Trio diesen Versuch frühzeitig abbrechen. Aber vorher waren diverse solcher Gaga-Artikel, teilweise mit euphorischen Kommentaren der Gutachterinnen versehen, in US-Wissenschaftsblättern rund um die Gender-Forschung erschienen. Als weiterer Höhepunkt wurde vom «Journal feministischer Philosophie Hypertia» ein Werk akzeptiert, dessen These lautet, «dass akademische Falschmeldungen oder andere Formen satirischer oder ironischer Kritik an der Forschung über soziale Gerechtigkeit unethisch sind, durch Ignoranz gekennzeichnet und in dem Wunsch verwurzelt sind, Privilegien zu bewahren.» Auf der Webseite areomagazine.com kann man die gesamte Story inklusive eingereichte Schriften nachlesen.
Die kirchliche Inquisition wütete bis weit ins 17. Jahrhundert hinein. Um das ewige Seelenheil zu retten, war alles erlaubt. Natürlich auch Folter, Quälerei bis zum Tod, damit der Ketzer ein Einsehen hatte und bereute. Der Index der verbotenen Bücher, der bis 1962 nachgeführt wurde und den Gläubigen vor der Lektüre gottesfeindlicher Schriften schützen wollte, war das geisteswissenschaftliche Pendant der Inquisition. Diese Verbotskultur gipfelte in Bücherverbrennungen der Nazis und den stalinistischen Schauprozessen in der Sowjetunion.
Was immer man vom Filmproduzenten Weinstein halten mag, der wie seit Hollywoods Anfangszeiten eine Casting Couch benützte, was immer man vom Schauspieler Kevin Spacey halten mag, haben sie die völlige soziale Ächtung ihrer Person und ihres Werks verdient? Kann es wirklich angehen, dass sich Dustin Hoffmann zerknirscht entschuldigen muss, weil er 1985 (!) eine Praktikantin betastet und mit anzüglichen Bemerkungen belästigt haben soll?
Ist dieser Vergleich mit dem sich im Schwange befindlichen Rigorismus nicht zu hoch gegriffen, bei dem jeder Mann, und eigentlich auch jede Frau, sich selbst erforschen muss, ob er oder sie selbst in frühster Adoleszenz und unter dem Einfluss berauschender Substanzen und ungezügelter Hormone einen Übergriff zu verantworten hat, und sei der auch nur verbal gewesen oder vom Opfer heute als solcher empfunden worden? Nein, denn die Parallelen zu jedwelchem inquisitorischem Absolutismus im Namen des Guten und des Richtigen liegen auf der Hand. Wer absolutistisch Puritanismus predigt, bei dem in den USA zur Vereinbarung eines Dates und vor einem allfälligen Austausch von Körperflüssigkeiten ein umfangreiches Einverständnis-Papier unterzeichnet werden muss, ist nicht anders als ein mittelalterlicher Grossinquisitor, ein stalinistischer Bewahrer des Anspruchs der allwissenden Partei, die immer recht hat, auch wenn sie im Unrecht ist.
All diesen absurd-absolutistischen Bewegungen ist gemein: Im Namen des Seelenheils, der utopischen Zukunft der Gesellschaft, der Zähmung des männlichen Tiers in uns ist alles erlaubt. In ihrer Verblendung haben die feministischen Denkerinnen nicht gemerkt, dass die Aufforderung, Männer wie Hunde an die Leine zu nehmen, keine ernsthafte wissenschaftliche These sein kann, sondern ein entlarvender Scherz ist, der homerisches Gelächter auslöst. Wenn die Vernunft schläft, gebiert sie Ungeheuer. Der grosse Goya hat sie für seine Zeit gemalt. Ihre Gestalten wandeln sich, deshalb müssen sie immer aufs Neue entlarvt werden. Auch, indem man ihre erbärmliche Lächerlichkeit vorführt.
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