Und nun wird auch Merz wach. Es sei „übergriffig“, was die Ampel da macht gegenüber der Union. Gemeint ist die Änderung des Wahlrechts. Es geht dabei um die Direktmandate und die Fünf-Prozent-Klausel. Es könnte nämlich sein, dass die Union künftig weniger Direktmandate erhält. Und noch schlimmer: dass die bayerische CSU gar nicht ins Parlament kommt, wenn sie – bundesweit gerechnet – unter der magischen Fünf-Prozent-Grenze bleibt.
Letzteres ist natürlich Blödsinn, denn die CSU könnte eine Listengemeinschaft mit der CDU machen. Zum Schluss werden ja (vom Kreuth-Schock von 1976 mal abgesehen) die „Stimmen“ eh in einen Topf geworden: Man bildet traditionsgemäß eine gemeinsame Fraktion.
Nein, an diesem ganzen Unions-Geschrei regt mich etwas ganz anderes auf. Es werden ja scharfe Geschützte aufgefahren: Was die Ampel da wolle, sei demokratiefeindlich, „verfälsche den Wählerwillen“ (Söder) und sei „Wahlrechtsmanipulation“ (Dobrindt). Man übertrifft sich an Abscheu und Empörung.
Ich wage es in aller Bescheidenheit, mal ganz kurz an etwas zu erinnern, was wirklich demokratiefeindlich, Wahlmanipulation und Verfälschung des Wählerwillens ist: Das, was wirklich alles auf den Kopf stellt, was wir an politischer Hygiene und Demokratiefreundlichkeit kennen, ist doch das, was CDU und CSU seit 2017 praktizieren.
Mir sind Stimmen aus der Union, die in diesem Zusammenhang von Demokratiefeindlichkeit oder Wahlmanipulation sprechen, völlig unbekannt. Im Gegenteil. Man verkauft das der staunenden Öffentlichkeit als völlig normal, ja geradezu notwendig.
In der ersten Legislaturperiode bekam die AfD wenigstens die ihr zustehenden Ausschussvorsitzenden. Dies blockiert man nun auch noch seit der jüngsten Wahl. Kurzum: Diese frei und demokratisch gewählte Partei, die man weder mögen noch unterstützen muss, bekommt kein einziges parlamentarisches Recht. Ganz anders als zum Beispiel der SED-Nachfolger mit immer noch zweifelhaften Abgeordneten. Im Gegenteil: Der große CDU-Staatsmann Günther aus Kiel ist ja sogar für eine Art Zusammenarbeit mit den Linken und behauptet, dieser Alt-SED-Kader stehe der CDU weit näher als die Schwefelpartei.
Es sei denn, man tut Buße. Ich jedenfalls warte auf das nächste Mal, an dem die AfD ihre parlamentarischen Rechte einklagt und erneut Kandidaten für die ihr zustehenden Posten in Präsidium und Ausschüssen des Bundestages präsentiert. Dann können Merz, Söder und Co ihre Demokratiefreundlichkeit unter Beweis stellen. Solange halte ich das, was jetzt aus dem Schwarzen Block kommt, für reinen Katzenjammer.