Tichys Einblick
Antisemitismus

Der englische Sozialist Corbyn und der Kranz der Geschmacklosigkeit

Eigentlich läuft in UK alles prima für den „Labour“-Chef Jeremy Corbyn – auf jeden Fall deutlich besser als für die deutschen Genossen. Wäre da nur nicht sein massives Antisemitismusproblem ...

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Den Austritt aus Europa haben die Engländer wenigstens schon mal halb hinter sich gebracht, bei uns wurde zur Sicherheit erst gar nicht abgestimmt. Die englischen Konservativen zerlegen sich gerade selbst, wo es bei unseren Unionsparteien noch langsam bröckelt. Und ja, Genossen Sozialdemokraten, haltet euch fest, es gibt sogar ein Wunder zu berichten: Wären jetzt Wahlen, „Labour“ würde sie gewinnen (ist sich nicht nur die „Zeit“ sicher).

Chef von „Labour“ ist Jeremy Corbyn, der nach der Grammar School ein Leben als Gewerkschaftsfunktionär und Politiker verbrachte und mit 69 Jahren als Vertreter der alten weißen Männer eigentlich vom noch wehenden Zeitgeist in die Acht genommen wurde. Stattdessen sangen Tausende am Trafalgar Square am 13. Juli „Oh, Jeremy Corbyn“, als Höhepunkt der Anti-Trump-Demonstration in London.

Stehen dem Polit-Opa die goldenen Jahre erst noch bevor? Wer weiß, allerdings zeigt sein Kurzzeitgedächtnis eklatante Schwächen auf, die dem im Wege stehen könnten. Dafür müsste wenigstens sein Langzeitgedächtnis besser sein. So dürfte er sich an den 5. September 1972 erinnern, als palästinensische Terroristen 11 Geiseln der israelischen Olympiamannschaft ermordeten. Fünf Terroristen und ein Polizist starben bei dem Anschlag. Im Jahre 2014, bei einem Besuch in Tunesien, legte Corbyn dann einen Kranz zur Erinnerung an die erschossenen Terroristen nieder … Halt! Ab hier streikt Jeremys Gedächtnis.

Zunächst erinnert er sich nur an „ Kränze für die, die an diesem Tag gestorben waren, und für die Gräber der anderen, die von Mossad-Agenten 1991 in Paris ermordet wurden …“ Dann gab er an, bei einer „Veranstaltung für die Opfer eines israelischen Luftschlags gewesen zu sein, und einen Kranz auf die Gräber dieser Opfer, nicht der Terroristen gelegt zu haben.“

Am vergangenen Wochenende, lang hat’s gedauert, präsentierte die Daily Mail Fotos von Jeremy Corbyn auf der Veranstaltung, aber die Partei beharrte am Montag auf der Darstellung, „Jeremy“ habe nur die Opfer eine Luftschlags gegen eine tunesische PLO-Basis“ besucht. Die Hinterbliebenen von München seien „von der Daily Mail irregeführt“ worden.

Manchmal aber kommt das Gedächtnis zurück. Der britische „Spectator“ hat die langsame Lichtung des Nebels des Vergessens nachgezeichnet: Am Montag erinnerte sich Corbyn plötzlich doch, an den Terroristengräbern gestanden zu haben, aber er habe keinen Kranz niedergelegt. Wörtlich, weil es so schön englisch daher kommt: „Ich war anwesend, aber ich glaube nicht, dass ich tatsächlich involviert war.“

Israels Premierminister Netanjahu wütete auf Twitter, Corbyns „Kranzniederlegung verlange nach einer Verdammung von Jedermann, links, rechts, oder alles dazwischen“. Corbyn (t)wütete zurück: „Netanjahus Vorwürfe sind falsch. Was verurteilt werden muss, ist die Ermordung von 160 palästinensischen Protestierern seit März.“ Außerdem hätten auf der Veranstaltung „viele Leute viele Kränze“ niedergelegt.

Der Labour-Chef steht seit längerem unter Druck wegen des Vorwurfs, er dulde Antisemitismus in der Partei und habe sich selbst nicht ausreichend davon distanziert, schrieb im April die „Süddeutsche Zeitung“. Auslöser damals war ein Facebook-Eintrag vor einigen Jahren gewesen, in dem sich Corbyn gegen die Entfernung eines antisemitischen Wandbildes in London ausspricht. Sein Argument damals: er habe das Bild nur flüchtig betrachtet.

Und dann ist plötzlich wieder ein Foto da, das Jeremy mit Kranz an der Hand bei den Gräbern der Terroristen zeigt. Seither hat Jeremy Corbyn keine Gespräche von seinen Parlamentsmitgliedern, Führern der jüdischen Gemeinden in England oder Benjamin Netanjahu entgegengenommen. Er bastelt wohl noch an der Fortsetzung seiner Geschichte.

Und wenn er schon dabei ist, entfällt ihm zu diesem früheren Ereignis vielleicht auch noch das eine oder andere:

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