Tichys Einblick
Angst vor der Wahl

Der, die, das Grokodeal wird platzen

Welche Ergebnisse die augenblicklichen durchschnittlichen Prognosewerte von sieben Meinungsforschungs-Instituten bedeuten würden, wenn am nächsten Sonntag (vorzeitig!) Wahlen wären.

Nach dem Bundesparteitag der CDU und dem parallel laufenden Gespräch mit dem CDU-Abgeordneten von Stetten bei Lanz im Dialog mit dem WELT-Journalisten Robin Alexander im ZDF.

  1. Es wird keine vorzeitigen Bundestagswahlen geben. Die jetzigen 709 Abgeordneten, vor allem die von CDU und SPD, haben zu viel Angst, nicht wiedergewählt zu werden. Das gilt auch für Abgeordnete aller Parteien, die ahnen, dass sie 2021 gar nicht mehr auf aussichtsreichen Plätzen (Landeslisten und Wahlkreise) aufgestellt zu werden.
  2. Wenn die Koalition von Union und SPD unter der Führung von Frau Merkel bis zur regulären Bundestagswahl Herbst 2021 zusammen bleibt, ist eine Niederlage für die drei Parteien CDU, CSU und SPD bestenfalls in Höhe der augenblicklichen Wahlprognosen wahrscheinlich.

Das sind die augenblicklichen durchschnittlichen Prognosewerte von sieben Meinungsforschungs-Instituten, wenn am nächsten Sonntag (vorzeitig!) Wahlen wären, Stand 26. November 2019 im Vergleich zur Bundestagswahl 2017:

Tritt dieses prognostizierte Zweitstimmen-Ergebnis ein, dann ist eher mit einem kleineren Bundestag als bisher zu rechnen, weil die CDU kaum noch Überhangmandate erreichen wird. Die große Unbekannte ist die CSU. Wenn diese ein schlechteres Ergebnis bei den Zweitstimmen erreicht und trotzdem alle oder fast alle Wahlkreise gewinnt, wird der Bundestag noch größer. Erreicht sie ein besseres Ergebnis bei den Zweitstimmen als bei der letzten Bundestagswahl und gewinnt alle oder fast alle Wahlkreise, dann wird der Bundestag kleiner.

  1. In Kenntnis dieser Situation, wird die SPD schon bald aus dem Grokodeal ausscheiden, wenn sie von der Union die Zusicherung erhält, keine vorzeitigen Wahlen anzustreben. Das will auch zurzeit keine andere Partei.

Wenn das Gespann Scholz/Geywitz die Wahl zum Parteivorsitz der SPD verliert, ist der Grokodeal schnell beendet. Gewinnt das Gespann, dann dauert der Todeskampf des Grokodeal etwas länger, aber nicht bis zum Herbst 2021.

  1. Bei Ausscheiden der SPD muss die Union einen neuen Koalitionspartner suchen. Das kann nach Lage der Dinge nur die sogenannte Jamaika-Koalition sein (Union, Grüne, FDP). Dazu wird jetzt auch die FDP bereit sein. Eine Minderheitsregierung der Union bis zu den regulären Wahlen mit Frau Merkel als Kanzlerin ist eine Illusion.

Sowohl FDP und wahrscheinlich auch Grüne als mögliche Koalitionspartner oder Unterstützer als auch große Teile der Union wollen dann keine weitere Kanzlerschaft von Frau Merkel mehr. Darüber entscheidet dann weder Frau Kramp-Karrenbauer mit ihrem angeblichen Erstzugriffs-Recht noch ein CDU-Parteitag und schon gar nicht das CDU-Fußvolk, sondern letztendlich allein die Unions-Fraktion, in der weder Frau Kramp-Karrenbauer noch Herr Merz Sitz und Stimme haben. Das ist auch logisch, weil die Fraktion von CDU und CSU der einzige Ort innerhalb der Union ist, bei der die CSU angemessen an der Entscheidungsfindung beteiligt ist. Bisher lief die interne Kanzlerkandidaten-Wahl bei der Union fast immer im Hinterzimmer ab, wo die jeweiligen Parteivorsitzenden aushandelten, wer es machen soll.

  1. Bei genügend Zeit bis zu den regulären Wahlen Herbst 2021 werden dann Union und FDP Schritt für Schritt bzw. Wort für Wort aus der „nationalen Front“ gegen die AfD ausscheiden, um dann 2021 eine Alternative zu den wahrscheinlich stärker werdenden Grünen zu haben.
  2. Thüringen könnte schon jetzt ein Testlauf für eine Kanzlerwahl im Bundestag mit etwas anderen Vorzeichen werden. Die CDU-Thüringen könnte einen Gegenkandidaten zum bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow nominieren, ohne vorher irgendwelche Koalitionsgespräche zu führen oder sonstige Absprachen zu treffen. Es ist oft Brauch in vielen deutschen Parlamenten gewesen, dass Kandidaten von Parteien auch ohne Aussicht auf Mehrheit zur Wahl im Parlament angetreten sind, um „ein Zeichen zu setzen“.

Da es auch in Thüringen eine geheime Wahl ist, bleibt verborgen, woher die Stimmen für die beiden Kandidaten kämen. Erst einmal gewählt, hat dann der Ministerpräsident zunächst keinerlei Verpflichtung gegenüber anderen Parteien. Aus dieser Position heraus kann er sich ohne Eile dann eine Koalition basteln oder sich mit einer Minderheitsregierung Mehrheiten suchen. Da der Haushalt in Thüringen für 2020 bereits verabschiedet ist, kann ein CDU-Ministerpräsident ohne erkennbare Mehrheit zunächst ähnlich schalten und walten wie das Herr Ramelow mit den Linken es vorhat.

Dann hätte Herr Ramelow ein fulminantes Eigentor geschossen, weil es dann keinen neuartigen Grokodeal unter Führung der Linken gäbe.

Diplom-Kaufmann Dieter Schneider ist als praktizierender Wahlbeobachter ein Wahlforscher besonderer Art.

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