Tichys Einblick
Brandbrief

Der Aufstand der Wirtschaft gegen die Regierung

Zwanzig Wirtschaftsverbände schreiben einen Brandbrief an die Bundesregierung. Es richtet sich gegen Robert Habeck und gegen sein Bundeswirtschaftsabbauministerium. Während sie vor kurzem noch den Grünen opportunistisch lobten, scheinen sie nun zu merken, was der Wirtschaft blüht.

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, 22.03.2023

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Zwanzig deutsche Wirtschaftsverbände empören sich in einem Brandbrief an Deutschlands Regierung darüber, dass immer öfter Gesetze durch den Bundestag gepresst werden, ohne dass die Wirtschaftsverbände wie früher an den Beratungen im Vorfeld ausreichend beteiligt werden. Sie weisen daraufhin, dass sie nicht mehr genügend in den Gesetzgebungsprozess eingebunden sind. Sie schreiben:

„Den hohen Zeitdruck, unter dem viele Gesetzesvorhaben derzeit stehen und aus dem extrem kurze Stellungnahmefristen für Verbändeanhörungen resultieren, sieht die deutsche Wirtschaft mit großer Besorgnis. Gerade diese Form der Beteiligung stellt aber einen wichtigen Bereich der politischen Teilhabe dar, welcher zur Sicherung der Qualität von Gesetzgebungsprozessen in der Geschäftsordnung der Bundesministerien verankert ist. Die deutsche Wirtschaft kritisiert deshalb dieses Vorgehen aufs Schärfste, weil sich die Bundesregierung damit von demokratischen Prozessen entfernt…“

Deshalb fordern sie: „Denn Gesetze sollten vorab bestmöglich abgewogen werden, um anschließend nicht in den Reparaturbetrieb gehen zu müssen. Dies kann nicht mit zu kurzen Stellungnahmefristen, wie beispielsweise für das Wind-an-Land-Gesetz (60 Stunden), das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II (36 Stunden), das Planungsbeschleunigungsgesetz (nächster Werktag) oder das Strompreisbremsegesetz (20 Stunden), gelingen, die eine tatsächliche und transparente Beteiligung unmöglich machen und damit undemokratisch und auch verfassungsrechtlich bedenklich zustande kommen. Aber nur mit gut abgewogenen Gesetzen funktioniert der Rechtsstaat: Aus diesem Grund wäre eine grundsätzlich einheitliche Konsultationsfrist von mindestens vier Wochen zielführend.“ Es ist klar, dass sich dieses Brandschreiben gegen Robert Habeck und gegen sein inzwischen Bundeswirtschaftsabbauministerium richtet. 

Sind die Verbände, von denen einige sich vor noch gar nicht so langer Zeit im Lob des grünen Wirtschaftsministers keinerlei Zurückhaltung auferlegten, aus ihrem Opportunismus endlich aufgewacht? Ist das Desaster, das Habeck und seine grünsozialistischen Politökonomen anrichten, inzwischen so vollständig, dass man davor nicht mehr die Augen zu verschließen vermag? Haben sie denn Habecks primitiven Voluntarismus nicht bemerkt, als er noch als Oppositionspolitiker bei Plasberg in höchster Freude über den Shutdown schwebte, weil der zeige, so Habeck, dass man die Wirtschaft komplett herunterfahren kann – und zwar aus rein ethischen Motiven? Ist es niemanden von ihnen kalt den Rücken heruntergerieselt, als der gerade ins Amt gekommene Minister Habeck die Kosten seines totalen und totalitären Umbaus der Wirtschaft beziffert hat. Und wie der Apotheker-Sohn, der sich wohl nie ernsthaft Sorgen um seine Finanzierung zu machen brauchte, schwadronierte, dass die Deutschen diese gigantischen Kosten eben stemmen müssten, weil seine Ratgeber aus den Think Tanks, die nicht nur, aber auch reichlich mit Geld aus den USA finanziert werden, es eben so wollen? Haben die Damen und Herren in den Wirtschaftsverbänden denn nie die Vulgärmarxistin Mariana Mazzucato gelesen, der Habeck bis in die Diktion genau folgt?

Mariana Mazzucato
Die Frau, deren Wirtschaftsvorstellungen Robert Habeck umsetzen will
Hätten sie es, wüssten sie, dass der planetarische Wirtschaftslenker Habeck die Wirtschaftsverbände weder benötigt, noch irgendetwas mit ihnen beraten will. Er dürfte wohl nicht einmal verstehen, was sie wollen, denn in seiner hübschen, heilen Mazzucato-Welt ist alles ganz, ganz doll einfach, die Politik, also der größte Robert Habeck, den es jemals in der Geschichte gegeben hat, legt nach Maßgabe ideologischer Visionen die Ziele und Entwicklungslinien fest und die Wirtschaftsverbände und Unternehmen haben diesen Habeckschen Direktiven zu folgen und sie umzusetzen, sich nicht aber zu erfrechen, sie zu diskutieren. Das allein ist Sache der Politik.

Ist ihnen, die sich immer noch in dem alten bundesrepublikanischen Schlaf der Konsensdemokratie wälzen, denn entgangen, dass es den Grünen weder um Konsens, noch um Demokratie, sondern um Gehorsam und Ja-Sagertum geht? Bekommen sie in ihren Glaspalästen nicht mit, dass sie längst entmachtet werden, mithilfe von Gramscis teuflischer Erfindung der Zivilgesellschaft, dem staatlich finanzierten Heer der Vorfeldorganisationen? Die Grünen sind doch längst dabei, Parallelstrukturen zu schaffen, um die Macht der Wirtschaftsverbände zu brechen? Wie konnten die Wirtschaftsverbände jemals annehmen, dass das Feindbild der Grünen nicht die freie Wirtschaft ist? 

"Die Arbeit tun die Anderen"
Habeck und die Scharlatane des großen Versprechens
Gerade eben wird durch Recherchen von Business Insider bekannt, dass die Grünen 120 000 Euro als Startgeld für einen grünen Wirtschafts-Lobby-Verein in die Hand nehmen. „Die Vereinigung hat das Ziel, den Dialog zwischen grüner Politik und Wirtschaft herzustellen und zu sichern.“ Die Grünen finanzieren die Gründung des Lobby-Vereins und scheinen auch nicht abgeneigt zu sein, weitere Gelder je nach Erfolg nachzuschießen. „Vorsitzende des politischen Beirats sind Omid Nouripour und Ricarda Lang vom Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen.“ Außerdem soll dem Beirat die Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, angehören. Zur Geschäftsführerin des Lobby-Vereins wird Julia Eckey berufen. „Eckey war zuvor bei der Stiftung Klimawirtschaft, der Unternehmensberatung Joschka Fischer & Company, sowie der Industrie- und Handelskammer zu Berlin und von 1999 bis 2001 Bezirksverordnete der Grünen in Berlin. Für den Posten des Leiters Programm der neuen Wirtschaftsvereinigung ist Christoph Busch vorgesehen, der von April 2020 bis Februar 2023 als Vorstandsreferent Digitalisierung und Wirtschaft für die Grünen gearbeitet hat. Allein der Chef der „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“, der Wirtschaftsberater Thomas M. Fischer, CEO der Düsseldorfer Firma Allfoye, ist nicht Parteimitglied der Grünen, doch wie hat schon Walter Ulbricht gesagt: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“

Doch im Grunde können die Grünen beruhigt sein, denn der „Initiator“ der „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“, und deren „vertretungsberechtigte Person“ Thomas M. Fischer dürfte im Herzen einer der ihren sein, denn seine Firma sagt über sich: „Wir sind das Düsseldorfer Beratungshaus für wirksame Transformation. Als Rückgrat der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft ist uns die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes eine Herzensangelegenheit. Mittelständische Unternehmen mit guten Konzepten, kreativen Ideen und wirkungsvollen Produkt- und Servicelösungen bei der erfolgreichen digitalen und nachhaltigen Transformation zu unterstützen, ist unsere Mission.“ Wie Habeck ist auch Allfoye auf der Mission zur Transformation, zur Großen Transformation – und laut Mazzucato und demzufolge auch laut Habeck wird die neue Wirtschaftspolitik, nicht von der Wirklichkeit, sondern von der Mission, von der Utopie aus geplant. 

Haben die Wirtschaftsverbände immer noch nicht begriffen, dass die Grünen eine Parallelstruktur schaffen, einen ausgewählten Kreis von Verbänden, mit denen wie in der Pandemie mit einem ausgewählten Kreis von Fachleuten, Demokratie simuliert wird?

Wenn sie das begreifen sollten, dann dürfte ihnen klar werden, dass ein zorniger Brief allein nicht ausreicht, um die De-Industrialisierung und die Zerstörung der deutschen Wirtschaft und mit ihr der deutschen Demokratie zu verhindern. 

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