Die Welt strauchelt in große Krisen, ein Kampf um die Neuordnung der Welt ist ausgebrochen, und Deutschland ist vollkommen mit sich selbst beschäftigt, gefangen im spätbyzantinischen Staatstheater einer Regierung, die wie ein zufälliges Happening von Leuten wirkt, von denen jeder versucht, sein Projekt zu verwirklichen, und einer Union, die lieber Opposition gegen die Opposition als gegen die Regierung macht.
Selten wird eine wahrnehmbare politische, ja und auch tiefgreifende Veränderung in der Gesellschaft durch Wahlumfragen so genau belegt wie zurzeit. 57 Prozent der Bundesbürger wünschen sich Neuwahlen. Dass es nicht noch mehr sind, liegt wohl auch daran, dass nicht wenige glauben mögen, dass Neuwahlen nichts ändern würden. Doch auch das dreht sich, jedenfalls verändern sich die Zahlen. Laut der Wahlumfrage, die von infratest dimap für das ARD Morgenmagazin durchgeführt wurde, kommt die Union auf 29 Prozent, die AfD auf 23 Prozent, die SPD auf 15 Prozent, die Grünen auf 13 Prozent, die FDP auf 5 Prozent, DIE LINKE und die FREIEN WÄHLER auf jeweils 4 Prozent.
Nicht von den Parteien, sondern von den Wählern aus betrachtet, wünschen sich 61 Prozent eine bürgerliche Politik, während noch 32 Prozent einer woken Politik ihre Stimme geben würden. Ob Union und FDP das auch einlösen würden, was sich die Wähler wünschen, steht zunächst einmal auf einem anderen Blatt.
Auf den ersten Blick ist zweierlei äußerst bemerkenswert. Erstens glichen sich bisher die Verluste und Gewinne im woken Lager aus, heißt: Verlor die SPD, gewannen die Grünen und umgekehrt, zumeist im 1- bis 1,5-Prozent-Bereich. Wäre es noch so, müssten die Grünen bei 15 bis 16 Prozent liegen, liegen sie aber nicht, sondern eben bei 13 Prozent. Das weist zweitens darauf hin, dass sich Wähler der Grünen und vor allem der SPD zur Union und zur AfD hin orientieren.
Diesen Trend bestätigen die Bayern- und die Hessen-Wahl. In Bayern verloren die Grünen von allen Parteien am meisten an Zustimmung: 3,2 Prozent der Wähler wollten diesmal den Grünen nicht mehr ihre Stimme geben, 2,1 Prozent der Wähler nicht mehr der FDP und 1,3 Prozent der Wähler nicht mehr der SPD. In Bayern sind, blickt man auf die Höhe der Verluste, die Grünen die größten Verlierer. Das hält die Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern, Katharina Schulze, nicht davon ab, zu behaupten, es sei das zweitbeste Ergebnis, das die Grünen bei einer Landtagswahl in Bayern eingefahren hätten. „Das ist ein großer Erfolg.“
Dumm nur, dass die besten Wahlergebnisse hinter den Grünen liegen. Auch in Hessen dürften die Grünen nach Schulzes Logik mit -5 Prozent Verlusten an Stimmen mit einem „großen Erfolg“ prahlen. Nun, man wünscht den Grünen in diesem Sinne weiterhin so „große Erfolge“.
Auch in Hessen verloren die Grünen, sogar -5 Prozent der Stimmen, die SPD -4,7 Prozent, die FDP -2,5 Prozent. In Bayern und in Hessen konnten Wählerwanderungen von der SPD und den Grünen zur Union und zur AfD in großer Zahl festgestellt werden. Zur CSU sind 110.000 Wähler der Grünen gewandert und 60.000 von der SPD, 30.000 Wähler der Grünen haben bei den Freien Wählern und 20.000 bei der AfD ihr Kreuz gemacht. In Hessen hat die CDU 57.000 Wähler von den Grünen, 76.000 von der SPD, 50.000 von der FDP, sogar 6.000 von den Linken bekommen, während die AfD von der CDU 17.000, 24.000 von der FDP, von den Grünen 9.000, 29.000 von der SPD und 14.000 von den Linken dazugewonnen hat.
Für den Bund heißt das, dass die SPD Wähler an die Union, wohl auch an die AfD verliert. Grund dafür ist ein schwacher Kanzler, der seine Regierung nicht im Griff hat, und der Sieg der Identitätspolitiker über die Sozialpolitiker in der SPD. Dass die FDP nunmehr an der 5-Prozent-Hürde steht, dürfte niemanden überraschen, im Gegenteil: Allenfalls überrascht, dass die FDP noch nicht unter die 5-Prozent-Hürde fällt. Denn irgendwann ist auch der letzte davon genervt, wenn die Partei stets rechts blinkt, um dann doch nach links abzubiegen. Auch Kubicki hilft nicht mehr. Bei der FDP ist die Entfernung zwischen Wort und Tat so groß wie von hier bis zum Mond und zurück.
Die Grünen bleiben sich zwar treu, doch erkennen immer mehr Bundesbürger das sektiererische Weltbild der Gesellschaftsalchemisten. Der Wirtschaftseinbruch beträgt nicht -0,3 Prozent, sondern -0,5 Prozent. Wie an der berühmten Kneipentür das Schild hängt: „Morgen Freibier“, so prangt, freilich etwas abgegriffen, an der Tür des Bundeswirtschaftsministeriums das Schild „Nächstes Jahr Wirtschaftsaufschwung“.
Die Klimapropaganda hat den Stand ihrer Glaubwürdigkeit überschritten und verliert spürbar an Mobilisierungskraft in einem Moment, in dem die wirklichen, die realen Probleme des Landes in ihrer ganzen Monstrosität sichtbar werden, nämlich die unverminderte Massenmigration in die deutschen Sozialsysteme, die gescheiterte Integration, die wachsende Energieunsicherheit, der wirtschaftliche Abstieg, der Wohlstandsverlust, der Zusammenbruch der inneren Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs und die rasant wachsende Krise des Gesundheitssystems.
Hinzu kommt der Kurs auf den Staatsbankrott, Lindners „Eisberg“, und die Nachhaltigkeitslücke von ca. 17,3 Billionen Euro. Letzteres ist noch nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen.
Dass die Außenministerin sich offensichtlich nicht genügend dafür interessiert hat, unsere Landsleute aus Israel zu evakuieren und die Zahlungen an die Palästinenser weiterfließen, gehört zu den Skandalen dieser Regierung.
Fazit: Die SPD wird zur Splitterpartei. Sie eifert als Bundespartei der Bayern-SPD nach. Der Prozess dürfte nicht mehr aufzuhalten sein, weil es an Personal fehlt, das glaubwürdig eine harte Kursänderung vollziehen könnte, die indes notwendig wäre. Halbe Reformen werden zu ganzen Katastrophen, entweder ganz oder gar nicht. Würde Sahra Wagenknecht eine Partei gründen, würde die SPD wohl noch einmal 5 Prozent an Wählern verlieren.
Es sind die Wähler der SPD, die sich eine wirkliche Sozialpolitik für die Deutschen, ein Aufstiegsversprechen für ihre Kinder wünschen. Die SPD verliert ihre sozialpolitische Kompetenz an die AfD. Will sie die Erosion aufhalten, hat sie nur eine einzige Chance, die Ampel aufzulösen und in eine Große Koalition mit der Union zu gehen. Die Politik dieser Großen Koalition müsste in einem Wort das blanke Gegenteil zur bisherigen grünen Politik sein. Doch wer sollte diesen harten, riskanten Kurswechsel vollziehen? Saskia Esken? Kevin Kühnert?
Sollte die Union glauben, dass es eine gute Idee wäre, jetzt in eine Art Nationale Front der sich selbst demokratisch nennenden Parteien einzutreten, würde sie bildlich in das fallende Messer der Ampelkoalition greifen. Von der Union werden keine Spielchen, sondern Politik erwartet. Nur, hat sie überhaupt noch Politiker?