Der Auftritt Bosbachs ist nichts weiter als das sichtbare Zeichen der Zermürbung derer, die ursprünglich angetreten waren, mit ihrem Engagement etwas zu bewegen, Gesellschaft und Politik mitzugestalten und Konsequenzen zu erwirken.
Polit-Talkshows sind in Deutschland aus vielerlei Gründen kaum noch erträglich. Die Mutlosigkeit der Redakteure, wenn es um die Besetzung der Talkshowgäste geht, genauso wie die mangelnden Konsequenzen, die sich aus solchen Talkrunden ergeben, führen gemeinhin bereits im vorhinein zu einer groben Unlust beim Zuschauer, sich mit derlei Fernsehformaten noch auseinanderzusetzen. Für nicht wenige sind sie mittlerweile nichts anderes als Theaterinszenierungen, die dem ohnehin zum Zuschauer verdonnerten Bürger zumindest den Eindruck vermitteln sollen, dass es tatsächlich noch so etwas wie nennenswerte Unterschiede in entscheidenden Fragen unter den großen Parteien und Ansichten medialer Vertreter gibt.
Der zum Eklat stilisierte Entschluss des sonst so verlässlichen Talkshowgastes, Wolfgang Bosbach, ist dementsprechend nur deshalb ein solcher, weil er die einschläfernde, komplett durchgeplante Inszenierung der öffentlich-rechtlichen politischen Diskussion durchbricht. Weil da plötzlich jemand ist, der nicht nach Drehbuch spielt. Der aus seiner zugedachten Rolle herausfällt und so etwas wie eine menschliche Regung zeigt. Es sind diese Momente, die wie eine kurzfristige Katharsis auf den Zuschauer und Vertreter der Presse wirken. Die sie aus dem politischen Wachkoma des Erwartbaren herausreißen und damit zugleich zeigen, wie sehr wir mittlerweile nach der Durchbrechung einer vollkommen zum Erliegen gekommenen politischen Diskussion lechzen. Nach menschlicher Emotion und dem spürbaren Willen zur Veränderung.
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Und dennoch gibt es trotz Bosbachs Ausbruch aus der einstudierten Inszenierung keinen Grund zur Euphorie für all jene, die wie er auf wirkliche politische Konsequenzen bei den relevanten Fragen unserer Zeit hoffen. Bosbachs Grund, die Sendung zu verlassen, lag nicht zuvorderst in den unsäglichen Aussagen einer Jutta Ditfurth, der selbst die Grünen einst nicht linksextrem genug waren, sondern in einer Moderatorin, die sich gänzlich unfähig zeigte, eben dieser Ditfurth Einhalt zu gebieten, geschweige denn den übrigen Talkgästen die Chance zu bieten, den kruden Aussagen von Frau Ditfurth etwas entgegenzusetzen. Wer wie Bosbach als einziger der anwesenden Talkshowgäste mit dem Ziel angetreten war, auch einmal wirklich zum Kern des Problems, dem Zusammenhang zwischen linker Ideologie und Gewalt und den daraus erwachsenden notwendigen Konsequenzen vorzudringen, dem blieb an dieser Stelle im Prinzip gar nichts anderes übrig, als dem ermüdenden Schmierentheater und der überdimensionierten Plattform für Ditfurth einmal eine konsequente Absage zu erteilen.
Damit ist Wolfgang Bosbach einer der wenigen, der durchschaut hat, dass derlei öffentliche politische Diskussionen stets nur einem politischen Spektrum dienen und zwar dem linken, welches wie kein Zweites verstanden hat, die Diskurshoheit an sich zu reißen und solche Veranstaltungen für sich zu instrumentalisieren. Das öffentlich-rechtliche Talkshow-Theater? Längst nur noch das Theater linker Aktivisten, Publizisten und Politiker. Der politische Opponent, dank unfähiger Moderatoren, nichts weiter als ein Mittel zur eigenen Profilierung. Wer das wie Wolfgang Bosbach realisiert, der kann gar nicht anders, als die notwendige Konsequenz des eigenen Abgangs zu ziehen, wenn er sich nicht weiter zum Büttel dieser Leute und ihrer politischen Agitation und Argumentation machen möchte.
Sandra Maischbergers Sendung steht insofern exemplarisch für eine Medienlandschaft und eine Gesellschaft, die sich gänzlich unbemerkt, selbst bei vollkommen konträren Ansichten, von Linken vor den Karren spannen lässt. Denn was hier sichtbar geworden ist, vollzieht sich täglich in allen Bereichen der politischen Diskussion. Sei es im Kleinen an den Universitäten, als auch auf der großen medialen Bühne. Kein anderes politisches Spektrum beherrscht die Dekonstruktion von Begriffen und Argumentationslinien so sehr wie das linke. Und es sind vor allem die liberalen westlichen Demokratien, die bereitwillig darauf einsteigen und die Debattenführung nach linken Regeln übernehmen. Letztlich ist es genau das, was über Jahrzehnte zu einer schleichenden Infiltrierung des öffentlichen Diskurses von Links führte. Das, was dazu führte, dass wir heute an einem Punkt stehen, an dem die linke Dominanz im öffentlichen Diskurs, vor allem in für unsere Gesellschaft essentiellen Fragen wie des Islams und der Einwanderung, derart drückend geworden ist, dass kaum noch eine lösungsorientierte, ideologiefreie Debatte möglich ist. Wir drehen uns im Kreis und verharren im Ist-Zustand, weil wir uns von links auch ganz ohne angezündete Autos und reale Bedrohungen schon deutlich früher und auf subtilerer Ebene mürbe machen lassen.
Dass die Debatte nach den Krawallen von G20 immer noch hauptsächlich um die Frage kreist, ob Links und Gewalt zusammengehören oder nicht, belegt dies eindrucksvoll. Indem wir über Tage mit den Wortführern aus der linken Aktivistenszene und linken Politikern über diese Frage verhandeln, lassen wir uns bereits einen Großteil des Windes aus den eigenen Segeln nehmen. Schnell geht es so nicht mehr darum, ob eine veränderte Sicht auf den Linksextremismus richtig und wichtig wäre und welche politischen Konsequenzen im Umgang mit dem Linksextremismus hierzulande erforderlich wären. Die Debatte gerät schon an einem viel früheren Punkt ins Stocken, bis sie schlussendlich trotz aller anfänglichen Lippenbekenntnisse seitens der Politik bis zur nächsten Eskalation zusammen mit anderen Debatten, wie der Integrationsdebatte und Themen wie der Notwendigkeit einer deutschen Leitkultur, wieder für einige Zeit im Diskussions-Nirwana verschwindet.
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Aber nicht nur Scheindebatten wie die Frage, ob Links und Gewalt zusammengehören, sorgen für stockende und wenig lösungsorientierte Debatten. Neben der Dekonstruktion von Argumentationslinien ist es vor allem die von Begriffen und damit auch von politischen Realitäten, die der eigentlichen Debatte vorweggreifen, ihren Sinn entleeren und damit ein Vordringen zum Kern des Problems unmöglich machen. Wer über kulturelle Herausforderungen im Zuge der Einwanderung in Deutschland debattieren will, muss sich zunächst den Vorwurf von Links gefallen lassen, dass es „Kulturen“ in einem solch statischen Sinne ja gar nicht mehr gäbe. Pauschalisierende, ungenaue Begriffe sind nur dann erlaubt, wenn es politisch opportun erscheint, z.B., wenn man sämtliche Migranten, die nach Deutschland kommen, als Flüchtlinge bezeichnet, um gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufnahme aller zu schaffen. Ansonsten dient der Vorwurf der fehlenden Differenzierung und Begriffsgenauigkeit als Totschlagargument in jeglichen Diskussionen. Bevor man zum Kern des Problems vordringen kann, muss erst das jahrzehntelang aus den Universitäten getragene Fegefeuer des Politisch-Korrekten-Reglements durchquert werden, ehe man sich von Links überhaupt zu einer Diskussion herablässt. Indem wir dieses Spiel der Political Correctness aus immer noch weit verbreiteter Angst vor sozialen Sanktionen und des Vorwurfs des Populismus mitspielen, machen wir uns zu einem nützlichen Instrument, das trotz konträrer Ansichten unweigerlich mitverantwortlich für den heutigen statischen Wachkoma-Zustand der deutschen Gesellschaft ist. Dafür, dass notwendige Diskussionen an der Oberfläche verharren, Konsequenzen nicht erwachsen und Veränderungen geschaffen werden, die wir eigentlich nicht wollen. Denn während wir im diskursiven Stillstand verbleiben, dreht sich die Welt um uns herum weiter, schafft die derzeitige Politik Fakten, die mitunter jetzt schon zu Zuständen führen, die irreparabel sind.
Der Auftritt Bosbachs ist nichts weiter als das sichtbare Zeichen der Zermürbung derer, die ursprünglich angetreten waren, mit ihrem Engagement etwas zu bewegen, Gesellschaft und Politik mitzugestalten und Konsequenzen zu erwirken. Es ist der Frust, der sich in einem solchen Moment entlädt, wenn man realisiert, dass all das Gerede nichts bringt, dass ein Vordringen zum eigentlichen Kern der Problematik überhaupt nicht möglich ist. Es ist dies der Grund, weshalb so viele Menschen sich mittlerweile vom öffentlichen politischen Diskurs abwenden, ihn für sinnlos erachten.
Eine solche Abkehr und Desillusionierung, die mittlerweile nicht mehr nur den Zuschauer packt, sondern offenbar auch langsam den ein oder anderen Talkshowgast, ist hochgradig schädlich für die Demokratie. Aber auch zu diesem Kern der Debatte werden wir sicherlich nicht durchdringen und Wolfgang Bosbachs Ausbruch wird in wenigen Tagen als nichts weiter als ein kurzes Aufbäumen im Angesicht der linken Diskussions-Übermacht in die Talkshow-Geschichte eingehen. So lange, bis uns die Realität eines Tages dazu zwingt, dieser linken Übermacht wirklichen Einhalt zu gebieten.