Gestern führte Frank Hennig auf TE aus, wie Staatssekretär Patrick Graichen den Rückbau deutscher Gasnetze ankündigte. Die Personalie Graichen ist für TE-Leser keine unbekannte. Als ehemaliger Direktor der Energiewende hatte er bereits Kontakte und Einfluss in der deutschen Bundespolitik – parteiübergreifend. Personelle Verflechtungen mit den „Paten“ der Energiewende sind kein Zufall.
Graichen war von 2001 bis 2006 Referent im Umweltministerium, zuerst für Internationalen Klimaschutz und anschließend als Persönlicher Referent des Staatssekretärs Rainer Baake, ab 2007 Referatsleiter. Baake war nach seiner Karriere als Staatssekretär im Umweltministerium zusammen mit Jürgen Resch gemeinsamer Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und anschließend Gründer und erster Direktor der Agora Energiewende.
Baake, Graichen und Flasbarth können als Mitglieder eines historischen Netzwerkes gelten, das seit der Amtszeit von Jürgen Trittin als Umweltminister über Ministerien und NGOs Einfluss auf die „Energiewende“ in Deutschland ausübt. Mehrere parlamentarische wie verbeamtete Staatssekretäre sind in der aktuellen Regierung Mitglieder eines Rates der Agora gewesen: Stefan Tidow (Grüne) im Umweltministerium; Johann Saathoff (SPD) im Innenministerium; Michael Theurer (FDP) im Verkehrsministerium; Jochen Flasbarth (SPD) im Entwicklungsministerium; Oliver Krischer (Grüne) als direkter Kollege im Wirtschaftsministerium.
Bei Graichen kommt zusätzlich ein persönliches Netzwerk hinzu. Michael Kellner, der andere Parlamentarische Staatssekretär, ist mit Verena Graichen verheiratet, der Schwester von Patrick Graichen. Verena Graichen ist stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie „Senior Researcher“ am Öko-Institut für Energie und Klimaschutz – dessen Finanzierung sich größtenteils aus staatlichen Zuwendungen speist. Am Öko-Institut sitzt auch ein weiterer „Senior Researcher“ für Energie und Klimaschutz, nämlich Jakob Graichen. Er ist der Dritte im Bunde der Geschwister Graichen.
Die Agora hat bereits in der Vergangenheit den gewünschten Projekten Vorschub geleistet. Der Rückbau des Gasnetzes ist nur das aktuellste Beispiel. Ähnlich wie die Inflation wird nun auch diese Maßnahme als Auswuchs des Ukraine-Kriegs dargestellt. Die außenpolitischen Zwänge diktieren die Reform. Sieht man jedoch auf ein Papier der Agora aus dem November 2021 – immerhin drei Monate vor Kriegsausbruch – kommen berechtigte Zweifel, ob der Rückbau des Gasnetzes nicht eher ein länger gehegtes Projekt ist, für das man nun eine passende Ausrede gefunden hat.
„Um weitere kostspielige Fehlinvestitionen zu verhindern, muss daher jetzt die gesamte Planung auf die neue, klimaneutrale Welt umgestellt werden. Dafür brauchen wir eine ehrlich geführte Diskussion rund um die Möglichkeiten, Planungen und Kosten der Stilllegung des deutschen Gas-Verteilnetzes. Ansonsten werden weiterhin Investitionen getätigt, die die stillzulegende Infrastruktur durch den Aufbau von Investitionsruinen noch verteuern. Die Folge wären Milliardensummen für Übergänge, Kompensationen und Entschädigungen, Fehler die es beim Kohleausstieg schon genug gibt. Weitsichtige Energie- und Klimapolitik sollte daher jetzt den bevorstehenden Ausstieg aus dem Gas planen. […] Auch die Rolle des Regulierers muss dafür gestärkt werden, wie es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs der Bundesregierung vorschreibt. Dazu gehört zukünftig eben nicht nur der Ausbau, sondern insbesondere im Gasverteilnetz auch der Rückbau.“
Und auch schon davor, im Juli 2021, kritisierte Frank Peter – heute Nachfolger von Graichen als Direktor der Agora Energiewende – die Gasnetzplanung der Bundesregierung mit folgenden Worten:
„Jede Infrastrukturplanung der Energieversorgung muss bereits auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 einzahlen – und selbstverständlich auch die neuen europäischen und nationalen Klimaziele berücksichtigen. Eine isolierte Infrastrukturplanung für Gas geht am Ziel vorbei. […] „Auf europäischer und nationaler Ebene ist man sich einig: Das Zeitalter von fossilem Erdgas läuft aus!“, sagt Frank Peter. Erdgasanwendungen gelten als Brückentechnologie hin zur Klimaneutralität. „Je näher das Ziel der Klimaneutralität rückt, desto kürzer wird die Erdgas-Brücke.“
Die neuen geopolitischen „Rahmenbedingungen“ kommen der Agora daher gerade nicht nur zupass; es ist in Wirklichkeit ein Segen für die Ideologen, ihre lang gehegten Projekte endlich umzusetzen. Mit dem Ukraine-Krieg können derzeit sämtliche Einschnitte und Maßnahmen gerechtfertigt werden. Dass es neben der Agora Energiewende, der Agora Verkehrswende und der neulich besprochenen Agora Industrie nun auch Agora Agrar gibt, bereitet den Beobachter schon auf die neuesten Ideen vor, die uns aus dem Hause Habeck-Graichen drohen.