Tichys Einblick
Democamps im Regierungsviertel

Ein bizarrer Themenpark für Erwachsene

Das Regierungsviertel in Berlin ist ein politischer Themenpark. Wem es langweilig wird im grauen Alltagsleben, der kann dorthin entfliehen, um sich dem aufregenden Kampf für eine „solidarischere“ oder „klimafreundlichere“ Welt einzusetzen. Auch beliebt: Seinen Hass auf Juden ganz öffentlich zur Schau zu tragen.

Berlin, 09.04.2024 Demonstrant mit Fahne von Palaestina vor Banner Voelkermord Deutschland ist wieder dabei von einem Protestcamp beim Protest von Palaestinenser und der Friedensbewegung vor der Wiese vor dem Reichstag im Regierungsviertel in Berlin Deutschland.

IMAGO / IPON

Touristen vergnügen sich in Berlin in hedonistischen Sexclubs, im Drogenrausch oder in den berühmten Technoclubs der Großstadt. Die größten Absurditäten der Stadt findet der Kenner aber in der Demoszene Berlins. Jede Woche ziehen zahllose Aufzüge und Kundgebungen durch die Stadt. Die Berliner Verwaltung zählt für dieses Wochenende bereits 51 angemeldete Kundgebungen: Spontanversammlungen sind hier nicht aufgeführt.

Für jeden ist etwas dabei. Demonstrationen für den Erhalt eines Spielplatzes, gegen Mieterverdrängung, gegen Tierversuche – für diejenigen, die etwas in ihrem Umfeld verbessern wollen. Wer hingegen die Welt verbessern möchte, der kann für LGBTQ-Rechte in Uganda oder gegen Tourismus auf den Kanarischen Inseln demonstrieren. Für diejenigen, die einfach nur demonstrieren wollen ohne konkretes Thema, gibt es diverse Lichterketten, Aufmärsche und Demonstrationen „gegen Rechts“. Und Eltern, die die Kleinen beschäftigen müssen, können mit ihren Sprösslingen zur „Kidical Mass“, um für eine „kinderfreundliche Radverkehrsinfrastruktur“ zu demonstrieren.

Party darf auch hier nicht fehlen: Am Sonntag (21.04.) findet ein „Flashmob zum 50. Geburtstag der Nelkenrevolution in Portugal“ statt. Der Jahrestag ist zwar der 25. April, aber das ist ein Donnerstag – einen Urlaubstag ist das Andenken daran vielen wohl nicht wert. Der Samstag (20.04) dann ist Feiertag aller Kiffer. Die Jungendorganisation der FDP, die Jungen Liberalen, sind vor allem: staatstragend. Sie wollen die Legalisierung von Cannabis feiern und haben dafür eine Veranstaltung auf dem Pariser Platz angemeldet. Die aufsteigenden Dampfwolken werden wohl weithin zu riechen sein.

Klimademonstrationen und als Gaza-Solidarität getarnter Judenhass sind aber die unangefochtenen – und letzteren überaus beschämenden – Dauerbrenner in der Hauptstadt. Kein Tag ohne eine passende Demonstration. Beides lässt sich auch miteinander verbinden, bei sehr vielen Teilnehmern sind – ganz wie bei Greta Thunberg – die Schnittmengen Klima und Gaza hoch: Am Freitag zog eine Demonstration mit Transparenten am TE-Hauptstadtbüro vorbei, von denen verkündetet wurde: „No climate justice on occupied land“.

Hereinspaziert ins Regierungsviertel

Die meisten Demonstrationen werden aus dem Regierungsviertel ferngehalten. Als die Bauern Anfang des Jahres in Berlin demonstrierten, sperrte die Polizei alle Eingänge rigoros ab. An jeder Kreuzung standen weitere Checkpoints, die jene abfangen sollten, die die Absperrungen umgingen. Und das ist durchaus angemessen.

Doch diese Aussperrung ist wie vieles in Berlin: relativ. Die Letzte Generation nutzt die Fläche zwischen Bundeskanzleramt und Reichstagsgebäude regelmäßig als Spielwiese. Ein Baum wurde dort gefällt, um gegen Klima zu demonstrieren. Die Mauern des Kanzleramts wurden mehrmals in der Farbe Orange beschmiert, ähnlich wie die Säulen des Brandenburger Tors.

Seit gut einem Monat nun campieren Klima-Extremisten im Regierungsviertel. Zwei der Camper befinden sich im Hungerstreik, um eine schärfere Klimapolitik von Kanzler Scholz zu erzwingen. Nun ist ein weiteres Camp dazugekommen: Israel-Hasser haben sich in direkter Nachbarschaft eingerichtet. Sie sehen im entschiedenen israelischen Vorgehen gegen die Hamas in Gaza einen Genozid und fordern ein Ende aller deutscher Waffenlieferungen nach Israel. Geschenkt. Doch sie stellen auch das Existenzrecht Israels grundsätzlich in Frage. Zwischen 40 und 170 Menschen nehmen an diesem Protest Teil – die Teilnehmerzahl variiert stark, wie die B.Z. Berlin die Berliner Polizei zitiert. Schon zweimal soll es zu Gewaltvorfällen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen sein, doch das Camp ist noch bis zum 22.04. genehmigt und wird wohl weiterbestehen. Bis dahin wird Israel unbehelligt Völkermord vorgeworfen, zu Solidarität mir verurteilten Mördern und Terroristen aufgerufen und das Existenzrecht Israels offen infrage gestellt.

Würden politisch weniger genehme Gruppen hier auch campieren können? Abtreibungsgegner zum Beispiel oder eine Gruppe IBler, die Grenzkontrollen fordert? Bauern, die in Winterskälte in Berlin campierten, blieben auf der angrenzenden Straße des 17. Juni.

Im kommenden Jahr sollen die Bauarbeiten für einen Burggraben vor dem Bundestag beginnen. 150 Meter lang, 10 Meter breit und zwei Meter tief wird er sein. „AHA-Graben“ heißt er, weil er von Hausseite aus unsichtbar sein soll. Ob ein Campingplatz auf dem Rasen vor dem Parlament geplant ist, ist unbekannt. Fußballspielen ist jedenfalls seit 2003 unter Androhung eines Bußgelds verboten. Campieren eigentlich auch.

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