Tichys Einblick
Hypertropher Rechtswegestaat Deutschland

Nun auch noch ein datenschutzrechtliches Tohuwabohu um die Bezahlkarte

Der Rechtsstaat des Grundgesetzes ist mehr und mehr zu einem hypertrophen Rechtswegestaat und Winkeladvokatenstaat geworden, in dem jeder alles Mögliche einklagen und damit Verwaltung und Justiz lahmlegen kann.

picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. Das ergibt sich aus mehreren Artikeln des Grundgesetzes, unter anderem aus den Artikeln 20 und 19. Der Rechtsstaat ist allerdings mehr und mehr zu einem hypertrophen Rechtswegestaat und Winkeladvokatenstaat geworden, in dem jeder alles Mögliche einklagen und damit Verwaltung und Justiz lahmlegen kann.

Hypertrophiert sind vor allem die Regeln, die Asylbewerber, Schutzsuchende, Geflüchtete usw. für sich in Anspruch nehmen können. Unterstützt von einem Heer an zumeist staatlich oder von Flüchtlings-NGOs finanzierten Anwälten. Für den Normalbürger ist hier vieles nicht mehr nachvollziehbar. Zum Beispiel dass die Mobiltelefone von Geflüchteten nicht ohne weiteres hinsichtlich ihrer Identität, Staatsangehörigkeit, Herkunft und Kontakte untersucht werden dürfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darf Mobiltelefone von Flüchtlingen nämlich nicht ohne justiziablen Anlass auswerten. Das Bundesverwaltungsgericht gab hier einer Afghanin am 16. Februar 2023 Recht, die ihr Handy auslesen lassen musste, als sie in Berlin ihren Asylantrag stellte.

Etwas anders, im Endeffekt aber gleich gelagert ist die Sache, wenn es um die Feststellung des Alters bzw. der Strafmündigkeit von Geflüchteten geht. Konkret: Viele heranwachsende Geflüchtete geben – entgegen ihrem äußeren Erscheinungsbild – ihr Alter mit 16 oder 17, junge erwachsene Geflüchtete mit 19 oder 20 Jahren an. Denn das immerhin wissen Geflüchtete: Mit 16 oder 17 unterliegt man bei der Strafverfolgung dem Jugendstrafrecht, mit bis zu 21 Jahren „kann“ man nach dem Jugendstrafrecht behandelt werden. Nun gibt es allerdings eine Methode, mit Hilfe von Röntgenaufnahmen der linken Handwurzel die Altersangaben immerhin auf plus/minus zwei Jahre zu überprüfen.

Das heißt: Ein 18-Jähriger kann sich nicht als 15-Jähriger ausgeben; und ein 22-Jähriger kann nicht behaupten, erst 17 Jahre alt zu sein. Darüber und über die Alterseingrenzung mittels Röntgenaufnahme hatte sich bereits 2017/2018 eine heftige Debatte entwickelt: Damals hatte ein angeblich minderjähriger Afghane seine 15-jährige Exfreundin getötet. Man hat dieses Röntgenverfahren aber nicht weiter praktiziert, denn ein Röntgen ohne eine medizinische Indikation sei ein „Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“. Letztlich auf – juristisch unterstütztes – Betreiben von NGOs wie „Flüchtlingsrat“ oder „Pro Asyl“ finden solche Altersbestimmungen de facto nicht mehr statt.

Juristisches Hickhack um Bezahlkarte

Bekanntlich ist die Bezahlkarte für die Auszahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bereits im Einsatz. Am 31. Januar 2024 hatte man auf Bund-Länder-Ebene bundeseinheitliche Mindeststandards (26 an der Zahl) zur Ausgestaltung und zur Technik der Bezahlkarte beschlossen (siehe hier). Seit dem 8. Mai gibt es dazu eine entsprechende Änderung des AsylbLG.

So weit alles klar? Nein, denn bereits im Juli 2024 gab es dazu zwei sich widersprechende Gerichtsurteile. Am 24. Juli entschied das Sozialgericht Hamburg, dass die Bezahlkarte für Asylbewerber rechtswidrig sei. Das Gericht sagte, dass hier der fehlende Zugang zu Bargeld die Würde der Asylbewerber verletze. Asylbewerber sollten selbst entscheiden können, wie sie ihr Geld ausgeben. Konkret ging es um die Begrenzung von Bargeldabhebungen auf 50 Euro im Monat. Das Gericht sah in der Bezahlkarte einen Verstoß gegen die Grundrechte, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stehen. Zwei Tage später, am 26. Juli, kippte das Landessozialgericht diese Entscheidung wiederum.

Zur gleichen Zeit formierte sich in München das Bündnis „Offen bleiben für eine solidarische Gesellschaft“. Dieses Bündnis aus Sozialverbänden, Gewerkschaften, Wohnprojekten usw. hat einen Trick gefunden, um das Bargeldlimit bei der Bezahlkarte für Geflüchtete zu umgehen. Und zwar mittels Tauschhandel: Geflüchtete kaufen mit ihrer Bezahlkarte in großen Lebensmittel- oder Drogeriemärkten Gutscheine für maximal 50 Euro. Diese Gutscheine können sie dann an drei „Wechselstuben“ in München in Bargeld umtauschen. Damit haben sie zusätzlich zu den staatlich ermöglichten 50 Euro etwas mehr Bargeld zur Verfügung. Unterstützer der Aktion wiederum kaufen sich die Gutscheine und können diese im jeweiligen Geschäft einlösen. Der Bayerische Rundfunk berichtete am 23. Juli 2024 darüber.

Und nun toppt die „Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder“ (DSK) mit einem Beschluss vom 19. August 2024 alles. In einem 5-Seiten-Papier (das TE exklusiv vorliegt), steht dort zu lesen: Mit der Bezahlkarte „wird in das Recht der Leistungsberechtigten auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen, welches im Lichte des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 8 Charta der Grundrechte der EU in Verbindung mit Art. 7 auszulegen ist.“

Woran stören sich die Datenschützer? Sie stören sich dran, dass bei der Umsetzung der Bezahlkarte eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten geschaffen werde. Dies widerspreche der Datenschutz-Grundverordnung der EU von 2016 (DSGVO). Die Datenschützer monieren: „Eine eigenständige Einsichtnahme in den Guthabenstand von leistungsberechtigten Personen durch die Leistungsbehörden ist nach derzeitiger Rechtslage unzulässig.“ Das führe bei den Berechtigten zu einem „Gefühl ständiger Überwachung“ und zu „Aufenthaltsbeschränkungen“. Am Ende schreiben die Datenschützer: „Infolge der Bezahlkarte werden personenbezogene Daten der leistungsberechtigten Personen erhoben und gespeichert, die erheblichen Aufschluss über die private Lebensgestaltung geben können…“

Noch Fragen??? Nein, keine Frage, nur eine These: 99 Prozent der Asylbegehrenden haben keinen anerkennungsfähigen Asylgrund. Sie dürften nicht zu Millionen in Deutschland ankommen, um – neben dem Schuldenstaat – hier auch den „Rechtsstaat“ noch mehr aufzublähen und de facto ad absurdum zu führen.

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