Tichys Einblick
AfD-Mitglieder ohne Amt in der Kirche

Das Zentralkomitee will die Überwachungskirche

Wie ihre Vision von Kirche aussieht, hat Irme Stetter-Karp vom ZdK deutlich gemacht. Es ist eine Kirche Moskauer Modells. Sie ist nicht für das Seelenheil zuständig, sondern dafür, dass die Gläubigen auch die richtige politische Gesinnung haben.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Beim Namen „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ hat Gläubige schon immer ein leichter Schauer erfasst. Zentralkomitee: Das klingt nach dem berüchtigten ZK, dem Entscheidungsgremium in kommunistischen Parteien. Ihre Präsidentin hat nun diesen Eindruck bestätigt. Denn in einem Interview mit Kirche+Leben fordert sie nichts Geringeres als eine Überwachungskirche.

Nein, das ist nicht überspitzt formuliert. Irme Stetter-Karp hat gefordert, AfD-Mitglieder von kirchlichen Laienämtern auszuschließen. Das ist vermutlich die bisher heftigste Eskalation vonseiten des ZdK gegenüber der AfD. Um es klarzumachen: Stetter-Karp will nicht nur den Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus Laienorganisationen. Sie will ihre Ausweisung aus einem Bereich, über den sie gar nicht zu richten hat. Zu den Laienämtern gehört in der Una Sancta etwa auch das Amt des Taufpaten.

Irme Stetter-Karp
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Ist dies Stetter-Karp bewusst? Vermutlich nicht. Sonst wüsste sie, dass es über die Tauglichkeit eines Paten einen ganzen Katalog gibt. Dessen Parteizugehörigkeit gehört freilich nicht dazu. Wie aber kann man feststellen, ob ein möglicher Pate nicht doch AfD-Mitglied ist? De facto müsste die Kirche dessen Parteimitgliedschaft feststellen und kontrollieren. Und das nicht nur in Deutschland. Denn Katholiken gibt es überall auf der Welt.

Das ZdK versucht den Eindruck zu erwecken, die Kirche „reformieren“ zu wollen. Als Basisorganisation. In Wirklichkeit sitzen vor allem Vertreter aus Verbänden und Politik auf den hohen Stühlen. Wie ihre Vision von Kirche aussieht, hat die Präsidentin deutlich gemacht. Es ist eine Kirche Moskauer Modells. Sie ist nicht für das Seelenheil zuständig, sondern dafür, dass die Gläubigen auch die richtige politische Gesinnung haben. Bekanntlich war in der Sowjetzeit die Kirche ein Inlandsgeheimdienst, der die Gläubigen auf anti-kommunistische Bestrebungen ausspionierte.

Auch ansonsten zeigt Stetter-Karp einen bemerkenswerten Hang zu Zersetzungsstrategien, wie sie für Zentralkomitees üblich sind. Es wirft dem Gegner ein menschenfeindliches, diskriminierendes Denken vor. Die Lösung besteht darin, genauso mit dem politischen Gegner zu verfahren. Die Kirche nicht als mystischer Leib Christi, in dem keine Sünde nicht vergeben werden kann – aber wehe, man ist mit der Regierungspolitik nicht einverstanden. Kleinmut nennt die Bibel das.

Denn die Kirche ist keine demokratische Organisation. Sie ist auch nicht liberal. Sie ist dazu da, um die Wahrheit zu verkünden. Sie ist dazu da, um das Seelenheil zu retten. So sehr es Stetter-Karp missfällt: Eine AfD-Mitgliedschaft ist weder Wurzel- noch Todsünde und nicht im Katechismus erfasst. Anders etwa als das politische Eintreten für „Schwangerschaftsabbrüche“, das auf eine ganze Reihe von Parteien und ihre Mitglieder zutrifft, und bei dem kaum noch das Für oder Gegen, denn die Fristensetzung eine Rolle spielt. Dennoch sieht Stetter-Karp im politischen Bekenntnis zu einer unangenehmen Partei ein größeres Ausschlussargument als etwa im Bekenntnis zur hunderttausendfachen Abtreibung. Das ist eine diabolische Verwirrung von Prioritäten.

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Sie versucht, die AfD und auch Teile der CDU zu diskreditieren, weil sie gegen Migration seien. Die Katholische Kirche habe sich in der Flüchtlingsfrage klar positioniert. Das stimmt. Was aber nicht stimmt, ist, dass die Katholische Kirche eine vorbehaltlose Massenzuwanderung unterstützt. Das mag für einige Prälaten gelten, die das Recht haben, ihre Privatmeinung zu äußern. Papst Franziskus hat in diesem Jahr explizit gesagt, dass die Zuwanderung nicht die Geburtenfrage in Europa lösen könne. Im Übrigen auch das: eine Privatmeinung. Keine Lehrmeinung.

Der Vorfall zeigt vor allem eins: eine bedrückend autoritäre Vorstellung davon, wie die neue Deutschlandkirche aussehen soll. Sie ist ein Abbild der aktuellen Politik. Feindeslisten mit Adressen unliebsamer Politiker kursieren. Der Bundespräsident kriminalisiert ein Fünftel der Bürger wegen falscher Wahlpräferenzen. Da muss die Kirche auch da auf Kurs gebracht werden, wo sie es noch nicht ist. Wieso nicht beim Messgang auch noch einmal Personalien und Parteibuch angeben?

Giovannino Guareschi hat trotz seiner Verachtung gegenüber dem Kommunismus und seinem aktiven Kampf gegen Stalins Handlanger in Italien den Menschen nie zur Karikatur, nie zum Objekt herabgewürdigt. Die Kommunisten in „Don Camillo und Peppone“ irren sich, sind von Emotionen, von falscher Ideologie, manchmal Zwängen und Nöten angetrieben. Sie sind aber keine Dämonen. Sie sollen nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Auch für sie gilt der Plan Gottes. Don Camillo gewinnt seine Kämpfe nicht, weil er ein besserer Boxer als Peppone ist und die Kommunisten aus dem Dorf prügelt.

Doch den Ideologen vom Schlage Stetter-Karps schwebt ein solcher Ausschluss vor. Ein Ausschluss, den zwar die Kommunisten von Brescello immer wieder ins Auge gefasst haben, von dem sie aber letztendlich wissen, dass er mehr schadet als nützt. Der Gedanke, in einem Boot zu sitzen, herrscht vor. Bei Stetter-Karp und weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit ist dieser Gedanke völlig verloren gegangen. Im wahren Katholizismus darf Peppone seinen Sohn Lenin – wenn auch mit Zunamen – taufen lassen. Im deutschen Katholizismus sollen AfDler erst einmal vorweisen, ob sie auch mit dem politischen Zeitgeist im Einklang stehen. Vielleicht durch die Beschaffung eines SPD-Parteibuchs.

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Die ZdK-Präsidentin kommt im selben Interview auf den Missbrauch zu sprechen, der die Menschen aus der Kirche treibe. Wie viele Menschen aber treten aus, weil sie solche Kommentare hören – und nicht mehr zuordnen können, welchen Rang eigentlich das ZdK im katholischen Leben hat? Was hängen bleibt: die Katholische Kirche. Dabei ist sie nicht weniger Angriffsziel einer ideologischen Laienchefin, die von Rom nun auch noch einfordert, politische Gegner in Deutschland nach Gusto zu brandmarken. Denn wer Laien-Ämter in der Kirche regeln darf, das regelt nicht Stetter-Karp, nicht Kardinal Marx oder Kardinal Woelki – sondern Rom.

In der Weltkirche könnte man sich über das deutsche Gebaren die Augen reiben, wäre man nicht schon an die Sonderwege in der Heimat von Luther und Synodalem Weg gewöhnt. Aber das versteht Stetter-Karp nicht. Denn ihr Horizont reicht höchstens bis zum nächsten deutschen Grenzpfahl. Da ist sie plötzlich nationalistischer, als es die AfD je sein könnte.

Beim Stichwort Nationalismus landet man jedoch schnell bei den eigentlichen Beweggründen von Stetter-Karp. Die Ursache ihrer Breitseite liegt nicht so sehr in der neuen Stärke der AfD denn in der neuen Schwäche der Bewegung um den Synodalen Weg und hängt damit direkt mit der Schwächung des ZdK zusammen: Der Traum, über den Synodalen Weg de facto eine deutsche Nationalkirche zu etablieren, ist (vorerst) gescheitert. Die Anfeindungen ergeben sich nicht aus Selbstbewusstsein, sondern aus dem Gefühl der Verzweiflung.

Denn neben dem gescheiterten Synodalen Weg stehen dem Verbandskatholizismus, namentlich den Sozialverbänden wie der Caritas, harte Zeiten bevor. Der Kollege Mario Thurnes hat darauf hingewiesen: Die Ampel muss sparen. Stichwort Suizidprävention: Damit fallen Beratungsangebote weg. Ähnliches gilt für die Eindampfung des Wohngeldes und anderer Sozialprojekte, die auch katholische Verbände nicht uneigennützig vorangetrieben haben.

Der Versuch, „Rechte“, „AfD“ und Kritiker des Verbandkatholizismus und seiner „Reformprojekte“ in einen Topf zu werfen, ist demnach eine hilflose Sündenbocksuche. Anders als die Projekte der politisch Getriebenen florieren die traditionellen Gemeinden. Auf die AfD einzuschlagen, lenkt davon ab, in welch prekäre Lage sich dieses Milieu manövriert hat. Das ZdK versucht damit Luft zu gewinnen, anzudocken, nach Bündnispartnern zu suchen, indem es die „richtigen Signale“ sendet.

Der Bundespräsident macht es vor – schon trötet man in dasselbe Horn. Die Vision der Verbandskatholiken ist eben nicht eine freiere Kirche, sondern eine autoritärere, die sich als Ergänzung zu den Verlautbarungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens versteht.

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