Maue fünf Prozent weisen bundesweite Umfragen derzeit für die FDP aus. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dürften es die Liberalen mit ziemlicher Sicherheit in kein einziges der drei Parlamente schaffen. Vor diesem Hintergrund ist wohl das laute Gebrüll zu sehen (beziehungsweise zu hören), dem sich führende FDP-Politiker dieser Tage hingeben. Laut und nicht minder verzweifelt.
Nehmen Sie zum Beispiel Christian Lindner. Der Finanzminister versucht seit Monaten, sich als letzter Wahrer der finanzpolitischen Solidität in Szene zu setzen. Während SPD und Grüne die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse am liebsten gleich ganz in die Luft jagen würden, pocht Lindner nach Jahren des hemmungslosen Schuldenmachens nun auf mehr Zurückhaltung.
Doch vergeblich: Zwar sieht die aktuelle Haushaltseinigung zwischen den Ampel-Spitzen vor, dass die Vorgaben der Schuldenbremse (maximale Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) im Haushalt für das kommende Jahr theoretisch eingehalten werden. Die vorgesehene Neuverschuldung von 44 Milliarden Euro nimmt sich dennoch happig aus. Die jungen Generationen dürfen es bezahlen.
Und selbst wenn man bereit ist, das einfach so hinzunehmen, ist zu bedenken, dass der Haushaltskompromiss insgesamt nur möglich wurde, weil er auf wacklige Spekulationen und Taschenspielertricks gebaut ist. Finanzpolitische Seriosität sieht anders aus. Lindner hat mal wieder laut gebrüllt, um dann geschmeidig zu landen.
Buschmann will Flüchtlingen Sozialleistungen streichen
Während sich der Parteichef also verzweifelt und erfolglos in der Finanzpolitik zu profilieren sucht, klopfen seine Parteikollegen im Bereich der Migrationspolitik große Sprüche. Marco Buschmann etwa: Der Justizminister ließ gerade im Interview mit der Welt am Sonntag mit einer durchaus radikalen Forderungen aufhorchen.
Unter Bezugnahme auf das sogenannte Dublin-III-System erklärte der Minister, „dass wir die Sozialleistungen bei diesen Fällen auf die Finanzierung der Rückkehrkosten beschränken könnten“. Bereits im Oktober 2023 hatte er dieselbe Forderung im Duett mit Lindner erhoben. Die Dublin-III-Verordung der EU legt fest, dass derjenige Mitgliedsstaat für einen Flüchtling zuständig ist, dessen Territorium der Flüchtling als erstes betreten hat.
Da Deutschland keine EU-Außengrenzen hat und über Flughäfen oder Nord- und Ostsee in der Regel keine Flüchtlinge hier anlanden, hätte Buschmanns Forderung eine radikale Konsequenz: Praktisch allen Flüchtlingen müssten praktisch sämtliche Sozialleistungen gekürzt werden.
Faktisch werden Flüchtlinge aber oft nicht im ersten Transitland registriert. Trotzdem: 2022 stellte Deutschland immerhin in knapp 69.000 Fällen Rücknahmeersuchen gemäß Dublin-Regelung, wie die Bundesregierung im Februar 2023 auf Linken-Anfrage erklärte. Zehntausende gestrichene Sozialleistungen – da käme schon einiges an eingesparten Geldern zusammen. Blöd nur, dass Buschmann das in der Koalition mit SPD und Grünen nie umsetzen wird, schon gar nicht als Justizminister.
Generalsekretär will Kontrollen an allen Grenzen
Selbiges gilt für Bundestagsfraktionschef Christian Dürr und Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Beide fordern derzeit, die Kontrollen an allen deutschen Grenzen bis auf weiteres aufrechtzuerhalten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte sie im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft angeordnet, will sie aber nach dem EM-Ende jedenfalls an den Grenzen zu Dänemark, Frankreich und den Benelux-Staaten grundsätzlich nicht mehr fortführen.
Und das obwohl die Bundespolizei nach eigenen Angaben seit dem 7. Juni dank der Grenzkontrollen ganze 1.112 Haftbefehle vollstrecken, 230 Schleuser festsetzen und ingesamt 8.300 unerlaubte Einreisen feststellen konnte. Dauerhafte Kontrollen seien „eine Notwendigkeit, um irreguläre Migration nach Deutschland zu begrenzen“, erklärte Djir-Sarai gegenüber dem Spiegel. Es handle sich um „ein Instrument von zentraler Bedeutung. Eine berechtigte Forderung, bei der aber erneut gilt: Folgen wird daraus nichts.
Das laute aber ziemlich folgenlose Brüllen der FDP perfektioniert hat bekanntlich Wolfgang Kubicki. Jüngstes Beispiel: Nach dem mindestens autoritären Verbot des Rechtsaußen-Magazins Compact durch die Innenministerin am Dienstagmorgen, meldete der Bundestags-Vizepräsident Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens an: „Sollte das Verbot, was ich befürchte, gerichtlich aufgehoben werden, ist ein Rücktritt der Innenministerin unvermeidlich“, ließ er verlauten. Was daraus folgen wird? Sie ahnen es: nichts!
Nähme man die FDP-Minister beim Wort, so brächten ihre Wortmeldungen im besten Sinne rechtsliberale Positionen zum Ausdruck. Doch man kann den Kontext nicht ausblenden: Die FDP hat sich zum Handlanger einer der illiberalsten und linkesten Regierungen gemacht, die die Bundesrepublik je hatte.
Ihr schlechtes Gewissen und den Absturz in der Wählergunst versucht sie nun durch lautes Gebrüll zu kompensieren. Was das bringen soll, bleibt das Geheimnis der Liberalen. Denn der Widerspruch zwischen den markigen Wortmeldungen der FDP-Minister und der Realität der FDP-Regierungsarbeit ist eklatant. Die Wähler haben das längst erkannt. Die FDP ist komplett unglaubwürdig.