Die CSU-Landsgruppe hat drei Tage lang im ehemaligen Kloster Seeon getagt. Ein Thema dabei: die Steuerpolitik. Das Ergebnis dieser Klausur präsentiert die Partei in einem kurzen Beitrag unter der Überschrift „Steuerpolitik – Für eine echte Entlastung“. Sieht man sich das Papier ein wenig genauer an, so erkennt man, dass der Text nicht das hält, was die Überschrift zu versprechen scheint.
CSU behauptet Steuerentlastung in dieser Legislaturperiode – tatsächlich sind die Steuereinnahmen stark gestiegen
Der Text beginnt gleich mit dem, was man seit kurzem als Fake-News beschreibt. So heißt es: „Wir haben in dieser Legislaturperiode den Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld angehoben und die kalte Progression abgebaut. Damit werden die Bürger um insgesamt 10 Milliarden Euro entlastet.“ Die angebliche Entlastung in dieser Legislaturperiode entspricht jedoch nicht der Realität. Im Jahre 2013 (bei Beginn der Legislaturperiode) betrugen die Gesamtsteuereinnahmen Deutschlands 619,7 Milliarden Euro (davon 226,4 Mrd. Einkommensteuer). 2017 werden die Steuereinnahmen laut Schätzung des DIW 717,6 Miliarden Euro betragen (davon 270,5 Mrd. Einkommensteuer). Das sind Steigerungen von 15,8 % oder fast 100 Milliarden Euro bei den Gesamtsteuereinnahmen und von sogar 19,5 % oder 44 Milliarden bei der Einkommensteuer. Das übertrifft die Steigerungen von Löhnen, Renten und Bruttoinlandsprodukt beträchtlich. Egal also, ob man auf die Gesamtsteuereinnahmen oder nur auf die Einkommensteuer abstellt: bei einer Mehrbelastung in Höhe von 100 oder 44 Milliarden Euro innerhalb der aktuellen Legislaturperiode von einer Entlastung der Bürger zu sprechen, ist eine Verhöhnung der Bürger.
Das Schweigen der CSU zur konkreten Höhe der angestrebten Entlastung bei kleineren und mittleren Einkommen
Es geht dann weiter mit der Forderung der CSU, dass man Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen besonders entlasten möchte, indem man den Mittelstandsbauch deutlich abschmelzen will. Dass man dazu eigentlich gerade erst vier Jahre Zeit gehabt hätte – geschenkt. Allerdings fehlt jeglicher Hinweis darauf, wie man diese angestrebte Entlastung erreichen will und vor allem wie hoch die Entlastung konkret (sowohl bezogen auf den einzelnen Steuerzahler als auch bezogen auf das Gesamtvolumen) sein soll. Hierzu schweigt das Papier.
Der Plan der CSU zum Spitzensteuersatz: eine Mogelpackung
Nur beim Spitzensteuersatz wird die CSU konkret: Die CSU beklagt nämlich, dass vom Spitzensteuersatz nicht mehr nur Spitzenverdiener, sondern zunehmend auch Facharbeiter, Handwerker und Kleinunternehmer betroffen seien. Daher soll der Spitzensteuersatz erst ab einem Einkommen von 60.000 Euro statt wie bisher 54.058 Euro greifen. Das hört sich gut an, doch besser ist es, einmal nachzurechnen. Nach dem derzeitigen Tarif beträgt in 2017 bei einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von 60.000 Euro die Einkommensteuer 16.724 Euro. Nach dem CSU-Vorschlag betrüge die Einkommensteuer 16.184 Euro. [Formel CSU-Vorschlag bei unverändertem Eingangssteuersatz: ESt = (195 * z + 2.397) * z + 939,57, wobei z = (zvE – 13.769) / 10.000; beim aktuellen Steuertarif beträgt der Faktor 195 stattdessen 223,76] Das ist eine Entlastung von 535 Euro jährlich. Für die darunterliegenden Einkommensgrupen schmilzt die Entlastung jedoch deutlich zusammen. Bei einem zu versteuernden Einommen von 30.000 Euro betrüge die Einkommensteuer 5.344 Euro statt 5.419 Euro (jährliche Entlastung also 75 Euro) und bei einem Einkommen von 20.000 Euro betrüge die Steuer 2.508 Euro statt 2.520 Euro (jährliche Entlastung 12 Euro, monatlich 1 Euro !). Bei den unteren Einkommensgruppen reicht es also nicht mal für eine Kugel Eis im Monat. Aber wie heißt es so schön im CSU-Programm: „Leistung muß sich wieder mehr lohnen – gerade im unteren Einkommenbereich.“
CSU-Forderung „Kalte Progression abbauen“: wie vor jeder Wahl
Weiter geht es im CSU-Papier mit der Forderung nach Abschaffung des Soli-Zuschlags – aber frühestens nach Auslaufen des Solidarpakts II 2019 und nur schrittweise. Wie groß diese Schritte sein sollen, verschweigt die CSU lieber.
Auch zur kalten Progression nur windelweiche Formulierungen. Einen „regelmäßigen“ Abbau fordert die CSU. Also vielleicht alle paar Jahrzehnte? Man erfährt es nicht. Neu ist die Forderung ohnehin nicht. Bereits im CDU/CSU-Wahlprogramm für 2013 (siehe S. 17) und auch schon in den CDU/CSU-Wahlprogrammen für 2009 (siehe S. 9) sowie für 2002 (siehe S. 8) und im CSU-Wahlprogramm für die Bayernwahl 2013 (siehe S. 8) war diese Forderung enthalten. Sozusagen der running gag in den Steuerprogrammen von CDU und CSU. Geschehen ist in Regierungsverantwortung nichts.
Im Wahlprogramm von 2009 (siehe S. 10) stand übrigens auch schon die Forderung nach einer Verschiebung des Spitzensteuersatzes auf 60.000 Euro. Als übermäßig innovatonsfereudig kann man die CSU also nicht gerade beszeichnen.
CSU-Forderung „Steuerquote soll nicht steigen“: noch so eine Mogelpackung
Dann kommt ein interessanter Punkt im CSU-Text: Die Steuerquote von derzeit 23 % soll nicht weiter zunehmen. Worauf sich diese Prozentzahl bezieht, verrät die CSU nicht. Anzunehmen ist, daß die CSU diesen Wert den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums entnommen hat. Ebensowenig teilt die CSU mit, wie sie dieses Ziel umzusetzen gedenkt. Und vor allem hält sich wieder eine Hintertür offen, die so groß wie ein Scheunentor ist: denn eine Festlegung der Steuerquote nützt nichts, wenn die Abgaben unterdessen beliebig angehoben werden können und der Bürger dadurch weiter belastet werden kann. Einzig eine kombinierte Steuer- und Abgabenbremse, die dazu auch noch grundgesetzlich verankert werden müßte, könnte den Bürger vor steigenden Belastungen schützen. Eine solche Steuer- und Abgabenbremse ließe Spielraum für Verschiebungen zwischen Steuern und Abgaben und zwischen den Steuerarten; nur die Gesamtbelastung dürfte eine Maximalgrenze nicht überschreiten. So weit wagt sich die CSU aber nicht vor.
Förderung des Wohneigentums: alter Wein in neuen Schläuchen
Kommt als nächstes die Forderung der CSU nach einem Baukindergeld für den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums. Gab es auch bis 2005 in ähnlicher Form schon mal und nannte sich Eigenheimzulage. Und führte dazu, daß die Bauunternehmen die Zulage in ihre Kalkulation eingepreist haben und sich die Baukosten dadurch erhöht haben. Wie viele Milliarden diese neue Förderung den Steuerzahler insgesamt kosten wird, läßt die CSU offen.
Reform der Grundsteuer: Problem erkennt, aber kein Lösungsvorschlag
Bleibt abschießend noch ein kurzer Blick auf die Grundsteuer. Sie bedarf dringend einer Reformierung. Doch die diesbezüglichen Reformvorschläge von Bund und Ländern sind nach zutreffender Ansicht der CSU kompliziert, unausgewogen und führen nicht zu einer gerechten Steuer. Problem also zwar erkannt, einen Lösungsvorschlag präsentiert die CSU jedoch nicht. Sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang aber zumindest der Vorschlag der CSU, die Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer auf die Bundesländer zu übertragen. Dann kann jedes Bundesland selbst entscheiden, in welcher Höhe und mit welchem Bewertungsverfahren es die Steuer festsetzt und wie sehr es seine Gundstückseigentümer und Mieter schröpfen will. Da Grundstücke nicht von einem Ort zum nächsten gebracht werden können, sind steuerliche Umgehungen nicht möglich.
Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit Kanzlei in Berlin.