Tichys Einblick
Frauengewalt ist keine

Das Netz des Linksextremismus

Aus der Unschuldsvermutung, die von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche angemahnt wird, macht die Evangelisch-Lutherische Landeskirche den Unschuldsbefehl. Ganz gleich, was Lina E. getan hat, sie ist unschuldig und ihr „Widerstand“ – wogegen eigentlich? – wird als Frauenwiderstand nur kriminalisiert, heißt, er sei in Wahrheit nicht kriminell.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Willnow

Für heute lädt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen zu einer Frauenkonferenz unter dem Titel: „Demokratie im Dialog“ ein. „Das Anliegen einer gemeinsamen Strategie für eine zukunftsfähige gesamtdeutsche Frauenpolitik wird in den Workshops der Frauenkonferenz anhand aktueller Datenlagen betrachtet. Die Auseinandersetzung erfolgt im kritisch-reflektierenden Dialog zwischen Expertinnen aus Wissenschaft und Politik und den Teilnehmenden.“.

Mit Demokratie und Dialog hat diese Konferenz allerdings anscheinend wenig bis nichts zu tun, außer man hält in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen inzwischen Terror und Gewalt für legitime Mittel des demokratischen Dialoges, vorausgesetzt, er kommt von links.

Angeboten werden vier Workshops. Erwartungsgemäß spricht eine Politikwissenschaftlerin darüber, wieviel Frauen verdienen, zwei Mitarbeiterinnen einer NGO widmen sich dem Thema häuslicher Gewalt gegen Frauen, eine Funktionärin wird sicherlich Erhellendes über die „Familie 4.0“ zum Besten geben. Man darf also ungespannt sein. Nichts also, worüber man berichten müsste, wäre da nicht der 4. Workshop, den die Linken-Politikerin Juliane Nagel unter dem Titel „Der Fall Lina E.: Autonomie, Autonome Projekte und Kriminalisierung von Frauenwiderstand“ durchführen soll. Über die Landtagsabgeordnete der Linken und Leipziger Stadträtin Nagel schreibt die WELT, dass sie „seit Jahren als Bindeglied zwischen Parlament und linksradikaler Szene“ gilt. Eine von Nagel angemeldete Solidaritätsdemonstration für Lina E. endete im September mit gewalttätigen Ausschreitungen und Morddrohungen gegen einen führenden Polizeibeamten.

Der Workshop überrascht nur deshalb, weil er nicht von der Antifa, sondern von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen veranstaltet wird. Im Programm heißt es wörtlich:

„4. Workshop mit MdL Juliane Rahel Nagel, Politikwissenschaftlerin, Direktmandatsträgerin des Wahlkreises Leipzig 2 und „Sprachrohr und Netzwerkerin“ der linken Szene in Leipzig-Connewitz. Der Prozess gegen die 26jährige Lina E. wird seit September vor dem Oberlandesgericht Dresden verhandelt. Boulevardmedien titulierten sie als „Chaotin im Minirock“ und „rote Rächerin“. Die Bundesanwaltschaft sieht in ihr das Gesicht einer radikalisierten, linken Gewalt. Nichtsdestotrotz gilt in dem Kriminalfall bis zum Urteilsspruch die Unschuldsvermutung für die Beschuldigte.

Im Workshop wollen wir einerseits der Frage nachgehen, ob autonomer Widerstand zwangsläufig (früher oder später) kriminalisiert wird und ob andererseits Widerstand von Frauen zwangläufig feministisch ist bzw. sein muss? Der „Fall Lina E.“ soll für unsere Diskussion allerdings nur ein Anlass sein, der das jüngste Beispiel der Kriminalisierung von Frauenwiderstand und von autonomen Projekten von/für Frauen darstellt.“

Hätte die korrekte Formulierung, wenn man soweit gehen will, nicht in diesem Zusammenhang lauten müssen, „ob autonomer Widerstand zwangsläufig (früher oder später)“ kriminell wird? Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen spricht Lina E. vorab schon einmal frei, denn der Fall Lina E. gilt für sie augenscheinlich als das „jüngste Beispiel der Kriminalisierung von Frauenwiderstand“.

Aus der Unschuldsvermutung, die von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche angemahnt wird, macht die Evangelisch-Lutherische Landeskirche den Unschuldsbefehl. Ganz gleich, was Lina E. getan hat, sie ist unschuldig und ihr „Widerstand“ – wogegen eigentlich? – wird als Frauenwiderstand nur kriminalisiert, heißt, er sei in Wahrheit nicht kriminell. So wird schwere Körperverletzung zum Teil der Bergpredigt der neuen Kirche der Aktivistinnen. Vielleicht erhebt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Lina E. noch zur Märtyrerin und zur Prophetin.

Nach soviel pseudoevangelischer Heiligkeit lohnt ein nüchterner Blick darauf, was die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen unter der „Kriminalisierung von Frauenwiderstand“, unter der Kriminalisierung „von autonomen Projekten von/für Frauen“, genauer, was die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen unter „Frauenwiderstand“ und unter „autonomen Projekten von/für Frauen“ versteht.

Bis jetzt muss sich die Studentin Lina E. für folgende Vorwürfe verantworten:
„- 30. Oktober 2018 – In Wurzen wird eine zur rechten Szene zugehörigen Person von Vermummten zusammengeschlagen.
– 8. Januar 2019 – Ein Kanalarbeiter mit einem augenscheinlich rechtsextremen Zeichen auf der Mütze wird in Leipzig-Connewitz von Vermummten zusammengeschlagen.
– 19. Oktober 2019 – Der Betreiber und Gäste eines rechten Szenetreffs in Eisenach werden von Vermummten unter anderem mit Schlagstöcken und Reizgas angegriffen und verletzt.
– 14. Dezember 2019 – Der Betreiber des rechtens Szenetreffs in Eisenach wird erneut angegriffen und schwer verletzt.
– 15. Februar 2020 – Eine augenscheinlich rechte Gruppe wird am Bahnhof Wurzen überfallen und mit Tritten und Schlägen schwer verletzt.“ Übrigens wurde Lina E. am 5. November 2020 „vor einem mutmaßlich weiteren Anschlag“ festgenommen.

Im November 2019 waren vermummte Täter in die Wohnung einer Leipziger Projektentwicklerin eingedrungen und hatten die Maklerin eingeschüchtert und ins Gesicht geschlagen. TE berichtete am 4. November 2019 darüber:
Linksextremisten überfielen die Projektentwicklerin Claudia P. und verletzten sie im Gesicht. In der linksextremistischen Plattform „Indymedia“ meldete eine „Kiezmiliz“ am 3. November:

„Wir haben uns deswegen entschieden, die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht.“

Gleichzeitig veröffentlichte die „Kiezmiliz“ die Privatadresse von Claudia P. im Stil eines Fahndungsaufrufs und drohte ihr wie anderen Unternehmern weitere Überfälle an:

„Claudia P. .. ist verantwortlich für das Errichten eines Komplex von Luxuswohnungen auf der Wolfgang-Heinze-Straße in Leipzig Connewitz. Die ProjektentwicklerInnen von „Wassermühlen Immobilien“ erdreisten es sich eine bereits vorher durch StadtteilbewohnerInnen genutzte Fläche zur Profitmaximierung zu nutzen. Connewitz ist ein Ort des Widerstandes gegen kapitalistische Verwertung, rassistische Ausgrenzung und staatlichen Terror. Ein Rückzugsort für Menschen die sich an feministischen und sozialen Kämpfen beteiligen.

Projekte wie das Südcarré stellen eine Bedrohung für Connewitz als politischen Raum dar. Jegliche Beteiligung an dem Projekt ist als Angriff auf einen linken Stadtteil und seine BewohnerInnen zu bewerten. Akteure davon sind nicht nur ProjektentwicklerInnen wie Claudia P. Ebenso verantwortlich sind alle Personen, die vorhaben im Südcarré zu investieren oder zu wohnen. Selbigen muss klar sein, dass sie sich an einem Angriff auf einen Raum der radikalen Linken beteiligen, und dass dieser Angriff beantwortet werden wird.“

Brisant ist, dass ein Indiz vom Überfall auf die Projektentwicklerin auf Lina E. hinweist. Laut einem Bericht der Welt wird gegen eine ehemalige Mitarbeiterin des Universitätsklinikum Magdeburg ermittelt, die entgegen geltenden Rechts in über 300 Fällen persönliche Daten abgefragt hat. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg bestätigte Welt gegenüber, dass sie gegen die Frau wegen „des Verdachts der Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen“ ermittelt. Auch die Magdeburger Volksstimme und der mdr berichteten über den Fall. „Die Person werde verdächtigt, „mehrfach fremde Personendaten bei Behörden unberechtigt abgefragt und an Dritte weitergegeben zu haben“, bestätigte Klaus Tewes, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg, dem MDR.“

So habe die Klinikmitarbeiterin auch im August 2019 die Meldeadresse der Leipziger Projektentwicklerin abgerufen. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden erklärte, dass das Verfahren im Zusammenhang mit dem Angriff nun „gegen Bekannt“ geführt werde. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat Ermittlungen „in einem weiteren Verfahren gegen die ehemalige Klinik-Mitarbeiterin wegen des Verdachts der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung“ eingeleitet. Laut Stellungnahme der Uniklinik hatte die verdächtigte Person, die im Bereich der Buchhaltung beziehungsweise des gerichtlichen Mahnwesens gearbeitet habe, Zugriff auf Daten der Meldeämter gehabt.

Nach den vorläufigen Erkenntnissen hat eine einzelne Person gezielt und mit krimineller Energie ihren dienstlich notwendigen Zugang zum Einwohnermeldeamt missbräuchlich genutzt“. Zusammengetragen wurden u.a. auch Anschriften von AfD-Politikern aus Sachsen-Anhalt.

In der Wohnung von Lina E. wurde ein USB-Stick sichergestellt, auf dem eine Datei mit dem Namen “sebtember.rtf” abgespeichert war. Die Datei enthält Textteile, die als Bekennerschreiben über den Angriff auf die Projektentwicklerin auf linken Szeneportalen publiziert wurden. Die Texte sollen noch vor dem Angriff auf die Projektentwicklerin ein letztes Mal ediert worden sein. Dennoch sieht der Anwalt von Lina E., Erkan Zunbül, keinen „erkennbare(n) Zusammenhang zwischen unserer Mandantin und dieser Tat. Er sehe weder einen Verdachtsgrad noch einen Anlass für strafrechtliche Ermittlungen.“.

Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen scheint jedenfalls mit Gewalt in der politischen Auseinandersetzung kein Problem zu haben, auch nicht mit Gewalt gegen Frauen, obwohl sie doch darüber im Workshop Nummer 2 diskutieren will unter der Überschrift: „Einmal die Hand ausgerutscht oder wiederkehrendes Muster?“ Aber bei der Gewalt, die gegen die Projektentwicklerin ausgeübt wurde, rutschte natürlich nicht die Hand aus, sondern sie stellt inzwischen ein wiederkehrendes Muster dar.

Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen stört es offensichtlich nicht, dass ein schwarzer Block innerhalb der Solidaritätsdemonstration für Liane E. ein Transparent zeigte, auf dem unter Anspielung auf die Ermordung des Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer durch die RAF dem Leiter des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums mit dem Tode gedroht wurde: „Bald ist er aus Dein Traum, dann liegst Du im Kofferraum“.

Möglich, dass die ehemalige Mitarbeiterin des Universitätsklinikum zu einer Geldstrafe verurteilt wird. Eine möglicherweise steuerfinanzierte NGO wird ihr da sicher helfen, die Strafe zu entrichten. Wenn nicht, hilft sicher die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen aus, die in einer möglichen Verurteilung wohl einen Akt der Kriminalisierung von „Frauenwiderstand“ sehen wird. Dann wäre natürlich „Solidarität” gefragt.


Die mobile Version verlassen