Tichys Einblick
Von 60 Prozent Zustimmung auf 30

Das Malheur des Monsieur Macron

Es läuft nicht gut beim Star der EU-Zentralisten und Liebling der Medien. Der französische Präsident ist dabei, den dritten Minister innerhalb von vier Wochen zu verlieren. Mehr Ungemach droht.

Emmanuel Macron speaks to students at Humboldt University on January 10, 2017 in Berlin.

© Sean Gallup/Getty Images

Während sich die Medien gierig auf jedes Gerücht stürzen, das aus dem 8.000 Kilometer entfernten Washington zu uns herüber wabert, herrscht in der politischen Berichterstattung über unseren direkten Nachbarn Frankreich derzeit eher betretenes Schweigen. Aus gutem Grund: Monsieur Macron hat Malheur.

Es läuft nicht gut beim Star der EU-Zentralisten und Liebling der Medien. Der französische Präsident ist dabei, den dritten Minister innerhalb von vier Wochen zu verlieren. Zuerst hat der beliebte Umweltminister Nicolas Hulot hingeschmissen aus Protest gegen Macrons Blockadehaltung in der Klimapolitik. Macron hat vollmundige Ankündigungen auf der öffentlichen Bühne gemacht, Hulot als Feigenblatt installiert, aber diesen dann im Regen stehen lassen. Über den wenige Tage später erfolgten Rücktritt der Sportministerin Laura Fessel kann nur spekuliert werden, Fessel gab offiziell „persönliche Gründe“ an. Mitte August hat dann noch Innenminister Gerard Collomb seinen Rückzug für nächstes Jahr angekündigt. Ein persönlicher Leibwächter Macrons hatte im Sommer als Polizist verkleidet auf Demonstranten eingeprügelt, und Innenminister Collomb versuchte anschließend vergeblich, die Affäre herunter zu spielen und Verantwortlichkeiten abzuschieben. Jetzt ist Collomb nicht mehr haltbar und zieht sich in die Lokal-Politik zurück.

Aber auch Macrons persönliches Auftreten in der Öffentlichkeit trägt dazu bei, dass seine Umfragewerte derzeit im Sinkflug sind. Arbeitssuchenden empfiehlt der Präsident, sich doch mal bei den Cafés im Pariser Touristenviertel Montparnasse als Kellner zu bewerben. „Ich würde etwas finden“, entgegnete er kürzlich einem arbeitslosen Gärtner auf der Straße. Nach über 60 Prozent Zustimmung zu Beginn seiner Regierungszeit sind seine Umfragewerte mittlerweile auf unter 30 Prozent gesunken. Damit zieht er in der Unbeliebtheit-Skala mit Amtsvorgänger Francois Hollande gleich. Da hilft auch nicht viel, dass mittlerweile über 30 französische Medien von der zentralen Schlussredaktion der Macron-freundlichen Nachrichtenagentur AFP kontrolliert und beeinflusst werden.

EU in der Sackgasse
Macron, Merkel und Metternich
Auch in Brüssel sind die anfänglichen „Macron liefert“-Jubelrufe mittlerweile zaghafter geworden. Zwar hat er Merkel mit den Beschlüssen von Meseberg auf eine zentralistische Linie verpflichtet, die ihr Finanzminister Scholz gerade verhandelt, aber Angesichts der Schwäche von Macron, Merkel und der SPD wird eine Verwirklichung der teuren Ideen unwahrscheinlicher. Selbst einige deutsche Parlamentarier haben wohl mittlerweile realisiert, wer die hochfliegenden Ideen finanzieren soll.

Macron will mit der Ausweitung seiner „En Marche“-Bewegung auf die Benelux-Länder und weitere EU-Staaten nach der EU-Wahl im nächsten Frühjahr auch das EU-Parlament erobern und hat Annäherungsversuchen bestehender Fraktionen, etwa der EVP, eine Absage erteilt. Damit wird der kleine Franzose mit den großen Ansprüchen plötzlich zum potentiellen Konkurrenten.

Doch zunächst muss sich Macron um die flüchtigen Wähler im eigenen Land bemühen. Nach den nötigen, aber umstrittenen Arbeitsmarktreformen im Frühsommer will er jetzt in einer politischen Charme-Offensive seinen Plan Grundeinkommen bis 2020 in die Tat umsetzen. Grundeinkommen klingt verführerisch, das Konzept hat aber eher Parallelen zum deutschen Hartz 4-System. Bei zwei Ablehnungen von Jobangeboten soll Leistungsbeziehern in Zukunft gleich das gesamte „Schweinegeld“, wie Macron es intern gerne bezeichnet, gestrichen werden.

An Emmanuel Macron klebt derzeit das Malheur wie ein zäher Kaugummi an der Schuhsole. Ein peinlicher Schnappschuss mit halbnackten, den Stinkefinger zeigenden dunkelhäutigen jungen Männern ist ein weiterer Skandal, der gerade die französische Presse beschäftigt.

Wie schön, dass es jenseits des Atlantiks wenigstens den großen Blonden als Feindbild gibt, an dem sich unsere spurtreuen Medienvertreter auf beiden Seiten des Rheins täglich abarbeiten können. Getreu der goldenen Regel aller Visagisten: Wenn du eine Baustelle hast, die sich nicht mehr zu schminken lässt, eröffne zur Ablenkung einfach eine Nebenbaustelle.


Ulrike Trebesius ist Mitglied des EU-Parlaments.

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