Kann sich noch jemand an die Werteunion erinnern? Dieses mal richtet sich die Frage nicht nur an die Älteren. Die Jüngeren könnten es auch wissen. Denn zum Jahreswechsel hatte die Werteunion die gleichen Startchancen wie das Bündnis Sahra Wagenknecht. Doch es folgte eine strategische Entscheidung: Die Werteunion wollte nicht zur EU-Wahl antreten, sondern Kraft und Geld für die drei Landtagswahlen im Osten sparen. Das ging schief. Die Werteunion ist nicht zur EU-Wahl angetreten und spielte in der Folge auch bei allen drei Landtagswahlen keinerlei Rolle. Die Partei Hans-Georg Maaßens ist noch in ihrem Geburtsjahr Geschichte geworden.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist zur EU-Wahl angetreten, hat dort einen Achtungserfolg erzielt, Rückenwind geschaffen und diesen für drei gute Ergebnisse in den Landtagswahlen genutzt. Dort ist die junge Partei nicht nur vertreten. Zusammen mit der AfD bildet sie eine Sperrminorität in allen drei Landtagen. In Thüringen und Brandenburg geht in der Bildung einer sauberen Mehrheit kein Weg am BSW vorbei.
Das Potenzial für diese Positionen ist offensichtlich groß genug, um aus dem Stand und ohne große Organisation im Rücken zweistellige Ergebnisse zu erreichen. Den Wählern des BSW nun vorzuwerfen, sie seien auf eine Partei hereingefallen, die nur gegründet wurde, um der AfD zu schaden, ist grotesk. Die Gleichen, die diesen Vorwurf erheben, vergießen große Tränen darüber, dass andere Parteien die Wähler der AfD nicht genug würdigen würden – tun aber selber das gleiche nun mit Wählern des BSW. Doppelmoral ist nicht nur bei den Grünen zuhause.
Das BSW hat nun drei starke Wahlergebnisse erreicht. In Thüringen und Brandenburg geht nichts ohne die Wagenknechts, in Sachsen wird es schwer. Die Versuche, die neue Partei hinter der gleichen „Brandmauer“ zu verstecken, hinter der die AfD darbt, sind schon im Ansatz gescheitert. Das zeigt sich am besten an CDU-Chef Friedrich Merz. Der hat zuerst großtönig verkündet, seine Partei werde mit dem BSW nicht zusammenarbeiten – um die Aussage dann recht bald kleinspurig zurückzuholen.
Nur: Das BSW steht und fällt nicht mit der Frage, ob und wie die junge Partei mit der AfD zusammenarbeitet, wie es Berndt analysiert. Das Bündnis ist für drei Themen gewählt worden: für die Versprechen, eine soziale Wirtschaftspolitik, eine konsequente und realistische Einwanderungspolitik sowie keine weitere militärische Unterstützung der Ukraine umzusetzen.
Letzteres lässt sich am leichtesten durchziehen. Während die Linke im EU-Parlament nun Taurus-Lieferungen zugestimmt hat, kann das BSW in der Ukraine-Frage ihren Kurs aufrechterhalten.
Die wird nicht in den Landtagen entschieden. Selbst, wenn das Bündnis dort in Koalitionen geht, kann sie ihre Versprechen einhalten. Ein paar blumige Formulierungen im jeweiligen Koalitionsvertrag reichen aus. Zudem kommt, dass die amerikanischen Raketen ohnehin nicht im Osten stationiert werden sollen. Was ohnehin passiert, kann das Bündnis als eigenen Erfolg proklamieren.
Soziale Politik könnte das BSW in Koalitionen ebenfalls umsetzen. Die drei Ostländer leben ohnehin vom Länderfinanzausgleich. Ein paar Kita-Plätze gratis oder ein paar Sozialarbeiter mehr, kostet daher vor allem die Bayern ihr sauer verdientes Geld. Und auch das konsequentere Vorgehen gegen illegale Einwanderung kann das BSW in möglichen Koalitionen gut vertreten. Seit Solingen überbieten sich die anderen Parteien – zumindest verbal – ohnehin mit Forderungen, ihre alte Politik aufzugeben und zugunsten einer realistischeren Politik gegen illegale Einwanderung zu ändern. Diese Notwendigkeit hat Wagenknecht früher als andere erkannt und für sich genutzt. So wie sie auch sonst rund um den Jahreswechsel viele richtige strategische Entscheidungen getroffen hat – und deswegen nun ein fester Teil der Parteienlandschaft ist, während andere nur noch Geschichte sind.