Tichys Einblick
Fachkräftezuzug durch "Flüchtlinge"

Das Asylrecht als Umgehung des Arbeitsvisums

Die von der Großen Koalition forcierte Massenzuwanderung aus den Armuts- und Kriegsgebieten dieser Welt schadet den Herkunftsländern und behebt nicht den Fachkräftemangel in Deutschland.

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„Unser Land braucht geeignete und qualifizierte Fachkräfte in großer Zahl. Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften fehlt“. Mit diesem Versprechen beginnt der Passus „Erwerbsmigration“ im Koalitionsvertrag der alt-neuen Bundesregierung. Um es einzulösen, soll zum einen ein „Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“ geschaffen, zusätzlich aber auch weiterhin der Weg über das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention genutzt werden.

Die Bundesregierung setzt mit diesem Vorgehen das fort, was die englischen Migrationsforscher Paul Collier und Alexander Betts mit Blick auf die Grenzöffnung des Jahres 2015 für syrische Flüchtlinge folgendermaßen kritisiert haben: „Die deutsche Regierung hat ein armes Land systematisch einer Ressource beraubt, die es für den Wiederaufbau dringend benötigen wird.“ Nach Deutschland fliehen aus Syrien (und anderen Ländern) in hohem Maße die Schüler und Absolventen weiterführender Schulen und junge Akademiker, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wollen. Die Bundesregierung nutzt – unter dem Beifall der Arbeitgeber und selbst der Gewerkschaften – den damit einhergehenden „Brain Drain“, um ihre Politik der anhaltenden Massenzuwanderung via Asylrecht und Genfer Flüchtlingskonvention gegenüber der einheimischen Bevölkerung zu legitimieren. Diese humanitär gebotene Politik, so wird behauptet, helfe Deutschland bei der Behebung seines in manchen Bereichen bestehenden Fachkräftemangels. Unter Fachkräften verstehen die Koalitionäre dabei laut ihrem Koalitionsvertrag „sowohl Hochschulabsolventen als auch Einwandererinnen und Einwanderer mit qualifizierter Berufsausbildung bzw. ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen“.

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Nachdem sich zwischenzeitlich herausgestellt und herumgesprochen hat, dass formale Bildungsabschlüsse aus den Haupthekunftsländern deutlich unterhalb der Standards deutscher Bildungsabschlüsse anzusiedeln sind, ist nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Regierungsparteien an die Stelle der Begeisterung über den vermeintlichen Fachkräftezuzug eine gewisse Ernüchterung getreten. Dazu besteht, betrachtet man die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA), auch aller Grund. Laut dem auf der Website der BA monatlich aktualisierten Migrations-Monitor sind derzeit in Deutschland rund 600.000 Asylbewerber als „erwerbsfähige Leistungsberechtigte“ (ELB) registriert. Dazu zählen laut der Definition der BA „Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.“ In diese Kategorie fallen alle Asylbewerber, deren Asylantrag bewilligt worden ist und die deswegen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhalten sowie dem Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden pro Tag zur Verfügung stehen.

Zeitgleich sind bei der BA nur rund 20.000 „Bewerber für Ausbildungsstellen“ registriert. Das entspricht rund zweieinhalb Jahre nach der Grenzöffnung einer Quote von lediglich 3 Prozent bezogen auf die aktuell anerkannten und dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehenden Asylbewerber. Rund 84 Prozent dieser Personen sind Männer und nur rund 16 Prozent von ihnen Frauen. Rund 37 Prozent sind jünger als 20 Jahre, ebenfalls rund 37 Prozent zwischen 20 und 25 Jahren alt und rund 24 Prozent älter als 25 Jahre. Rund 19 Prozent der Absolventen verfügen über die allgemeine Hochschulreife, nur 3 Prozent über die Fachhochschulreife und rund 18 Prozent über einen Realschulabschluß. Rund 36 Prozent besitzen einen Hauptschulabschluß und rund 20 Prozent keinerlei Schulabschluß. Zu diesen 20 Prozent zählen auch diejenigen Bewerber, die gegenüber der BA keine Angaben zur schulischen Bildung gemacht haben.

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Die von der Bundesregierung versprochene Ausbeute der Grenzöffnung für den Fachkräftemarkt ist somit bislang äußerst bescheiden. Sie wird sich im Laufe der Zeit zwar in dem Maße verbessern, wie ein wachsender Anteil vor allem der jüngeren Asylbewerber in Sprachkursen ihre Kenntnisse der deutschen Sprache soweit verbessern, dass sie sich für einen Ausbildungsplatz bewerben können. Zum großen Schub bei der Besetzung von Ausbildungs- und Fachstellen durch Asylbewerber wird es gleichwohl in den nächsten Jahren nicht kommen. Sie werden in ihrer Mehrheit vielmehr das Schicksal all der Migranten teilen, die aus einer akuten, meist unverschuldeten Notlage heraus ihr Land verlassen haben, um in einem anderen Land ihr berufliches Glück zu finden. Um nicht (dauer-)arbeitslos zu bleiben, sehen sie sich gezwungen, sich entweder selbständig zu machen oder Arbeiten anzunehmen, die unter ihren beruflichen Erwartungen und formal meist auch unter den schulischen oder akademischen Qualifikationen liegen, sofern sie solche in ihrer Heimat erworben haben. Da diese in der Regel nicht zu den Anforderungen, Inhalten und Standards des stark formalisierten und regulierten deutschen Ausbildungs- und Berufssystems passen, bevorzugen die Unternehmen für ihre Fachstellen im Normalfall Bewerber, die ihren betrieblichen Anforderungen eher entsprechen oder von diesen nicht zu sehr abweichen. Den Asylbewerbern bleiben allenfalls die Arbeitsplätze vorbehalten, für die es keiner besonderen fachlichen Qualifikationen bedarf. Nur wenige schaffen von dort aus einen weiteren beruflichen Aufstieg.

Vor diesem Hintergrund haben Bewerber aus Ländern, in denen das Bildungs- und Berufssystem bestenfalls in den Kinderschuhen steckt, am qualifizierten Fachkräftemarkt nur wenig Chancen, sich gegen ihre Mitbewerber aus Deutschland oder anderen entwickelten Industrieländern durchzusetzen. Das gilt selbst für qualifizierte Mangelberufe, für die es aktuell nicht ausreichend Bewerber aus dem Inland oder der EU gibt. Viele Unternehmen warten zum Beispiel im Ingenieurbereich lieber auf einen geeigneten Kandidaten aus einem Land mit hochentwickelter Ingenieurausbildung, als dass sie jemanden mit einem Ingenieurszertifikat einstellen, dessen Ausbildung nicht ihren Standards entspricht. Lediglich in einigen schwer besetzbaren Handwerksberufen oder auch im Pflegebereich sind die Chancen für Asylbewerber recht gut, sofern sie dazu bereit sind, solche Berufe zu erlernen. Viele wollen nämlich eher technisch-industrielle Berufe wie Mechatroniker oder Informatiker erlernen, die besser zu ihrem Bild vom Hochtechnologieland Deutschland passen als der Beruf des Bäckers, des Schreiners, des Klempners oder des Altenpflegers.

Verstärkt wird die Vorsicht und Zurückhaltung der meisten Unternehmen noch zusätzlich dadurch, dass die Anforderungen an die kommunikativen Kompetenzen nicht nur in qualifizierten, sondern selbst in vielen einfachen Berufen in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben. Das Arbeiten in Teams, Projekten und Netzwerken setzt eine gute bis sehr gute Beherrschung der deutschen Sprache voraus, von Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt ganz zu schweigen. Viele Unternehmen geben sich daher inzwischen nicht mehr mit einem B1-Sprachzertifikat zufrieden, sondern verlangen für die Besetzung eines Ausbildungsplatzes mindestens das B2-Niveau, teilweise sogar das C1-Niveau, das für die Aufnahme eines Studiums ohnehin Voraussetzung ist. Mit dem geforderten schnellen Erreichen dieser Niveaus tun sich viele nicht nur der älteren, sondern auch der jüngeren Asylbewerber aber aufgrund der Komplexität der deutschen Sprache recht schwer. Entsprechend hoch sind die Durchfallraten in den B2- und C1-Kursen, was auf viele Asylbewerber abschreckend wirkt und dazu führt, dass sie solche Kurse gar nicht belegen.

Der Einsatz als Fachkraft erfordert heute in vielen Berufen nicht nur die Beherrschung der deutschen Sprache, sondern zusätzlich von ein bis zwei Fremdsprachen. Auch hier hinken die Bewerber aus den Fluchtländern ihren Konkurrenten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern eher hinterher. Viele etwa der syrischen Asylbewerber haben, anders als europäische Schüler und Studenten, nur wenige Jahre Englisch- oder Französisch-Unterricht an der Schule gehabt und kennen weder Schüleraustausche noch Praktika im englisch- oder französischsprachigen Ausland. Auch dies führt dazu, dass sie auf den Bewerberlisten der Unternehmen, wenn überhaupt, meist auf den hinteren Plätzen landen.

Diese Wahrheiten sollte die Bundesregierung über ihre Auslandsvertretungen in den Fluchtländern verbreiten, anstatt bei deren lern- und leistungswilligen Mittelschichtangehörigen weiter Erwartungen hinsichtlich einer Integration in den deutschen Fachkräftemarkt via Asylrecht zu schüren, die sich nicht erfüllen werden. Wer sich aus Syrien oder einem anderen Fluchtland für ausreichend qualifiziert hält, um als Fachkraft in Deutschland zu arbeiten, konnte dies mittels eines Antrags für ein Arbeitsvisum schon immer tun und sollte dies auch weiterhin tun können. Denjenigen, deren Anträge mangels Qualifikation oder Nachfrage keine Aussicht auf Erfolg haben, sollte seitens der Regierung aber nicht signalisiert werden, dass sie auch auf dem Weg des Asylrechts versuchen können, in Deutschland Arbeit zu finden und der deutsche Staat dafür sogar noch die Kosten des Aufenthalts, der Qualifizierung und der Arbeitssuche übernimmt.

Wer den Asylweg beschreitet, muss vielmehr wissen, dass dieser in die umgehende Rückkehr in die Heimat mündet, sobald dort die Fluchtgründe entfallen sind. Ausnahmen von dieser Regel sollten im Sinne eines „Spurwechsels“ für besonders integrationswillige und -fähige Personen möglich sein. Diese sind jedoch rechtlich sauber zu gestalten und mit ebenso hohen fachlichen wie finanziellen Hürden zu versehen wie die normale Arbeitsmigration. Nur so ist zu erwarten, dass sich „die Attraktivität von illegaler und ungesteuerter Einwanderung“, wie von den Koalitionären versprochen, spürbar verringert. Und nur so ist zu erwarten, dass ein neues Einwanderungsgesetz, wie im Koalitionsvertrag behauptet, dazu führen wird, dass sich der Fachkräftezuzug tatsächlich und nicht nur proklamatorisch „am Bedarf unserer Volkswirtschaft orientiert.“

Jüngste Äußerungen der neuen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Annette Widman-Mauz von der CDU, die sich am 19. März in der Rheinischen Post dafür aussprach, die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen nicht weiter mit der Fachkräftezuwanderung zu vermischen, weisen vor diesem Hintergrund in die richtige Richtung. Offen bleibt allerdings, ob ihre Chefin und deren Koalitionspartner ihr in dieser Frage folgen werden. Ein weiterer Mosaikstein der bisherigen Legitimierung der rechtswidrigen Grenzöffnung würde dadurch nämlich zerbröseln.


Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop

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