Dark Angel – In welchem 2019 wollen wir leben?

Was uns die Zukunft über die Vergangenheit verrät.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Regie-Titan James Cameron (Terminator, Aliens, Titanic) sein bisher einziges Fernsehprojekt. Nach nur zwei Staffeln wurde die Serie eingestellt. Die Hauptrolle übernahm die damals noch unbekannte Jessica Alba. Den eifrigen Kinogängern dürfte sie trotzdem eher aus Frank Millers Meisterwerk Sin City bekannt sein.

Da die Serie 2019 – also heute – spielt, drängt sich der Vergleich zwischen Fiktion und Realität geradezu auf.

Aber der Reihe nach:

2009 ereigneten sich zwei folgenschwere Ereignisse. Einer Gruppe genetisch modifizierter Kinder, die ihm Rahmen des Manticore-Projekts als Super-Soldaten (Transgenics) gezüchtet wurden, gelingt der Ausbruch aus ihrer Kaserne. Einige Monate später zünden Terroristen einen elektromagnetischen Puls (EMP) über den USA, der sämtliche elektronischen Schaltkreise zerstört. Das Bankenwesen kollabiert ohne Computer, alle Ersparnisse sind wertlos, eine Wirtschaftskrise bricht an.

Die USA versinken im Chaos und werden zu … ja was eigentlich? Zu einer intakten Diktatur, zu einer defekten Demokratie? Die Serie liefert keine klare Antwort – die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Fast schon prophetisch muten die Drohnen an, die stets über Seattle schweben, um die Bürger zu überwachen.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Max Guevara und Logan Cale.

Max ist eine der entflohenen Transgenics. Sie und ihre „Geschwister“ müssen sich vor Manticore verstecken. Durch ihre genetischen Optimierungen verfügt sie über verbesserte Reflexe und Sinneswahrnehmungen. Sie nutzt ihre Talente hauptsächlich dafür, Alarmanlagen zu überlisten und wertvolle Gegenstände zu erbeuten. Tagsüber arbeitet sie als Fahrradkurier – das Benzin ist knapp.

Logan Cale ist der letzte Investigativjournalist Amerikas. Der smarte Spross aus reichem Hause ist an den Rollstuhl gefesselt und nutzt seinen finanzielle Unabhängigkeit, um alle Geheimnisse, die ihm sein Informantennetzwerk zuträgt, zu bündeln und weiterzuverbreiten. Cale hackt sich in TV-Sendungen ein und offenbart die Machenschaften der korrupten Polizei und übermächtigen Pharmakonzerne.

Wie die beiden sich allen Widrigkeiten zum Trotz – schließlich muss ja die Welt gerettet werden – langsam näherkommen, ist fast schon das bessere „Schlaflos in Seattle“.

Logan Cale ist die letzte glaubwürdige Informationsquelle für die Bürger Seattles. Dem Regierungsfernsehen schenken nur noch wenige Menschen Glauben. Sounds familiar?

Als jemand der streng geheime Informationen leakt, wirkt er wie die Mischung aus Julian Assange und Edward Snowden. In seinen Podcasts verbirgt er stets sein Gesicht, so wie Shlomo Finkelstein und andere Youtuber, die sich der Einengung der Meinungsfreiheit widersetzen.

Doch schon hier enden die Parallelen. Leider ist das fiktive Jahr 2019, das explizit als Dystopie entworfen wurde, weit sympathischer als die Realität. Wie eine Zeitkapsel hat Dark Angel sein Produktionsjahr 2000 konserviert. 19 Jahre sind für Historiker keine lange Zeit – nicht mehr als ein Wimpernschlag – dennoch stehen sie für eine längst vergangene Epoche.

Als Dark Angel zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, war George W. Bush noch nicht im Amt. In der fiktiven Welt gab es keinen 11. September, kein Fiasko in Afghanistan und im Irak*. Keinen Islamischen Staat und auch keine Flüchtlingskrise. Der Islam spielt in der Serienhandlung keine Rolle.

Im Jahr 2000 war die Islamisierung Deutschlands noch nicht abzusehen. Keine Debatten über Gebetsräume in Schulen, über geschlechtergetrennten Sportunterricht und Klassenfahrten, über Halal-Produkte etc. Erst der 11. September 2001 versetzte die herrschenden Eliten in Angst und machte sie in vorauseilendem Gehorsam zu Erfüllungsgehilfen der DITIB und des Zentralrats der Muslime.

Damals waren Terrorismus und Islam noch keine Synonyme. Vor 19 Jahren ereigneten sich zwei Terroranschläge in London. Verübt wurden beide Taten aber nicht von Al-Qaida, sondern von der IRA – also von Christen. Und im Jahr 2000 konnte ein Afghane noch ein Flugzeug entführen, ohne dass es etwas mit dem Islam zu tun gehabt hätte.

Wer genau den EMP zündete, wird in der Serie nicht verraten. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass die Gruppierung 22. Mai dafür verantwortlich war. Die terroristische Gruppe ist bewusst technikfeindlich und bezieht sich auf den sog. Unabomber Theodore Kaczynski.

Greta Thunberg war 2000 noch nicht einmal geboren und in Seattle hätte sie auch keine Zuhörer gefunden. Wo Benzin streng rationiert ist, können nicht einmal Grüne eine CO2-Steuer fordern.

Früher hüpften stark übergewichtige Frauen in Unterwäsche durch die (mittlerweile ausgestorbenen) Nachmittagstalkshows und verkündeten lauthals, jeden Kerl ins Bett zu kriegen. Etwas verschämt konnte man sich dabei „Unterschichten-TV“ denken. Heute hingegen dürfen dieselben stark übergewichtigen Frauen dieselben peinlichen Botschaften verbreiten. Sie gelten mittlerweile aber als mutige Vorkämpfer einer Fett-Emanzipation, die mit akademischen Weihen und Rückendeckung der Gender-Studies gegen Diskriminierung und Vorurteile kämpfen und rundheraus leugnen, dass Übergewicht gesundheitsgefährdend ist.

Im Seattle des Jahres 2019 gibt es keinen Feminismus. Wozu auch? Schließlich mangelt es nicht an starken Frauen. Allen voran natürlich Max, aber auch Elizabeth Renfro, die Leiterin des Manticore-Programms. Wo die Gleichberechtigung abgeschlossen ist, braucht es keinen Männerhass. Niemand käme auf die Idee eine 100%-ige Frauenquote zu fordern, so wie unlängst die Universität Eindhoven. Der „weiße heterosexuelle Mann“ existierte 2000 noch nicht als Feindbild.

Genau sowenig spielt Rassismus eine Rolle. Ob Weiße, Schwarze, Hispanics oder Asiaten – alle Rassen kommen miteinander aus, schließlich gibt es dringendere Probleme. Nationalistische Bewegungen wie Black Lives Matter, die erschossene Schwarze Kriminelle als Unschuldslämmer und pflichtbewusste Polizisten als blutrünstige Rassisten darstellen, existieren schlicht nicht.

Max‘ beste Freundin ist die schwarze Lesbe Cindy – die erfreulicherweise Teil der Handlung und nicht einer Agenda ist. Heutige Serien führen oft homosexuelle Charaktere ein – nur um eine Botschaft zu transportieren. Ob das die Handlung vorantreibt, ist zweitrangig. In Dark Angel durfte erstmals eine transsexuelle Schauspielerin einen transsexuellen Charakter verkörpern – das sorgte damals jedoch für wenig Gesprächsstoff. Erst 2016 wurde diese Casting-Entscheidung nachträglich bejubelt.

Offenbar geht es den westlichen Gesellschaften zu gut. Im dystopischen Amerika gibt es mehr als genug Erschwernisse. Luxusprobleme kann sich niemand leisten. Und wohl kaum würde ein bankrotter Staat weiterhin die Gender-Studies subventionieren.

Google war zu Drehbeginn nur eine Website unter vielen. Facebook noch nicht einmal erdacht. Mittlerweile gleichen beide Firmen fast schon den Konzernen Weyland-Yutani und Tyrell aus anderen Sci-Fi-Dystopien. Sie haben eine ungekannte Machtfülle erreicht. Google und Facebook können eine politische Agenda ohne jegliche demokratische Legitimierung durchsetzen. Gegen einen EMP wären sie jedoch nicht immun. Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit wie durch das Netzwerkdurchsetzungsgestz unseres Justizministers Heiko Maas hat daher nie stattgefunden.

Im Jahr 2000 verkündete Craig Venter, dass das menschliche Erbgut entschlüsselt sei. Die Heilung aller Krankheiten und die genetische Optimierung schienen zum Greifen nah. Genau diese Stimmung ließ damals das Manticore-Programm so realistisch erscheinen. 19 Jahre später muss man eingestehen, dass unser Erbgut weit kompexer ist. Viele medizinische Fortschritte basieren auf der modernen Genetik – bis zur Heilung aller Krankheiten dürften jedoch noch viele Jahre vergehen. Und auch das politische Klima hat sich gewandelt – das Intelligenz genetisch bedingt ist, darf man nicht mehr sagen.

Die Bürger Seattles dürften der Zukunft deutlich optimistischer entgegenblicken als wir Deutschen. Der EMP liegt 10 Jahre zurück, die USA haben langsam wieder den früheren technologischen Stand erreicht – die Talsohle ist durchschritten. Trotz aller Widrigkeiten geht es bergauf. Natürlich geht es uns besser, aber bei umgekehrter Tendenz – wir erleben den stetigen Niedergang Deutschlands.

Wie drückte Max selbst es so schön aus?

Früher hat man gesagt, so eine Atombombe kann einem den ganzen Tag versauen. Das war ’ne Art Witz, Bis zu dem Morgen im Juni, an dem uns ein paar Terroristen aus 80 Meilen Höhe einen elektromagnetischen Puls verpasst haben. Jetzt hört man die Leute jammern, dass vor dem Impuls alles besser war. Das Land, in dem Milch und Honig flossen. Bla, bla, bla. Jede Menge Essen und Arbeitsplätze und alles hat noch funktioniert. Ich war damals zu jung, um das mitzubekommen. Also was soll’s? Ich versteh bloß nicht, warum sie alle von einer großen Depression sprechen. Ich meine, sie sind zwar alle pleite, aber so deprimiert sind sie eigentlich gar nicht. Das Leben geht weiter.

*In der Serie wurde Saddam Hussein von einem Transgenic-Kommando ausgeschaltet.


Lukas Mihr

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Kommentare ( 3 )

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Cerberus
5 Jahre her

Ich habe Dark Angel seinerzeit gesehen und fand die Serie ziemlich gut. Ich meine mich daran erinnern zu können, dass sogar eine Verbindung zu einer Art religiösem „Deep State“ aufgebaut wurde.
Leider wurde die Story dann nach Bekanntwerden der Absetzung ziemlich schnell und unbefriedigend zuende gebracht. Da war offenkundig sehr viel mehr geplant.

Herr Schmidt
5 Jahre her

Der Artikel passt in den meisten Punkten. Der einzige Punkt, an dem man wiedersprechen muss, sind die Probleme mit dem Islam. Die waren auch damals schon klar ersichtlich für jeden der es sehen wollte. Während meines Studiums circa 1995 hatte ich mehrere muslimische Studenten kennengelernt. Die Einstellung und die Meinung der Muslime war schon damals sehr negativ durch den Glauben geprägt, Frauen stehen weit unterhalb von Männern, Ungläubige sind Hunde, wer kein Muslim ist, ist kein Mensch, durch Sozialhilfe etc kann man gut von den Ungläubigen leben, der Glaube steht über allem etc. Ich erinnere mich aber auch an einen… Mehr

Engel
5 Jahre her

„Früher hüpften stark übergewichtige Frauen in Unterwäsche durch die (mittlerweile ausgestorbenen) Nachmittagstalkshows und verkündeten lauthals, jeden Kerl ins Bett zu kriegen.“

Heute hüpfen sie nicht mehr durch die Shows, in vor dem Supermarkt.
Ohne Witz, in meiner Stadt sitzen permanent extrem übergewichtige Frauen (girls)
auf Eingangstreppen rum und glotzen jeden Mann an der da zufällig vorbeikommt.
Man(n) fühlt sich wie im Zoo haha.